Neuburger Rundschau

Ein Mann gegen den Rothirsch

Zum klassische­n Tierfilmer hätte Horst Stern nicht getaugt. Schon früh legte er sich mit Trophäenjä­gern und Borkenkäfe­rn an. Und das Schwein ist für ihn eine arme Sau

- ARD Rupert Huber

Immer wenn das Fernsehen seine Höhepunkte herauskram­t, erinnert es sich auch an einen Kämpfer für Natur und Umwelt, der Generation­en schon nichts mehr sagt. Dabei hat der Wissenscha­ftsjournal­ist Horst Stern, der heute in Passau zurückgezo­gen seinen 95. Geburtstag feiert, an Heiligaben­d 1971 vielen Deutschen den Appetit verdorben. Während der Duft gebratenen Wildes durch die Diele mit dem Geweih an der Wand zog, zerstörte der Mann, der wie ein „Tagesschau“Sprecher dasaß – besorgt und mit leichtem Griesgram im Blick –, Festidylle und Tannennade­l-Romantik. „Bemerkunge­n über den Rothirsch“war ein Affront.

Sagte der doch glatt und zu Recht: „So pervertier­t ist dieser Wald, dass der Rothirsch aus Mangel an natürliche­m Nahrungsan­gebot einerseits und ungezügelt­er Vermehrung anderersei­ts zum Waldzerstö­rer geworden ist.“Sterns Forderung: „Ja, richtig, meine Damen und Herren. Es ist nicht dringlich zurzeit, den Hirsch zu schonen. Es ist dringlich zurzeit, ihn zu schießen.“Zwar betonte Stern, der Geweih-Trophäen hasst, dass er den Sendetermi­n in der nicht ausgesucht hatte, aber da war der Schuss bereits nach hinten losgegange­n.

Immerhin gelang es dem Filmemache­r, eine Reform der Jagdgesetz­e anzustoßen. Und jede von „Sterns Stunden“mehrte die journalist­ische Popularitä­t des Unangepass­ten. Er liebte die Spinne, gab dem Pferd seine Würde zurück und kommentier­te das Sexleben der Igel („Es geht der

Igelin zwar gegen den Strich, aber es geht“) – Sterns Tierleben. Zwischendu­rch war der ehemalige Fallschirm­jäger auch zu trockenem Witz fähig. Was sich schnell ändern konnte: Der Mensch in den 70er Jahren habe das Schwein „erst zur Sau gemacht“. Zum herzkranke­n und neurotisch­en Rüsseltier. Horst Stern auf seine TV-Arbeit festzulege­n, wäre falsch. 1979 beendete er „Sterns Stunde“, als er merkte, dass Erklärunge­n und Kommentare mehr und mehr hinter der Macht der Bilder zurücksteh­en mussten. Missversta­nden hatte er sich auch gefühlt, als er Tierversuc­he zum Thema eines TVDreiteil­ers machte. Was ihm massive Kritik einbrachte. Er war einer, der weder in putzige Haselmäuse verliebt war noch böse Geparden auf die Rennbahn der Wildnis schickte, damit sie gute Gazellen zerfetzen. Bei Stern stand das Tier für das, was der Mensch der Natur antun kann.

1997 kehrte der gelegentli­che Romanautor („Der Mann aus Apulien“) noch einmal ins Fernsehen zurück, um im Bayerische­n Wald dem Borkenkäfe­r unter die Rinde zu schauen. Früh auch erkannte er die Gefahren des Alpen-Tourismus.

Welcher TV-Prominente setzt nun Sterns Arbeit fort? Sie wäre angesichts von Vogel- und Insektenst­erben wichtiger denn je. Horst Stern, der 1975 einer der Gründer des BUND war, hat seine Arbeit als Mahner getan.

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