Neuburger Rundschau

Sinken jetzt die Steuern?

Heute geht es in Berlin ums Geld. Die Wunschlist­e der vier Parteien ist lang – und teuer. 30 Milliarden werden da nicht reichen

- VON RUDI WAIS Die Welt

Augsburg Als Finanzmini­ster muss Wolfgang Schäuble sich schon kraft Amtes arm rechnen. Mehr als 30 Milliarden Euro, behauptet er, stünden in der neuen Legislatur­periode nicht für zusätzlich­e Ausgaben zur Verfügung. Tatsächlic­h addieren sich die Wahlverspr­echen von Union, Grünen und Liberalen auf ein Mehrfaches davon. Auch deshalb dürfte in der nächsten Sondierung­srunde heute Abend nicht nur über das Thema Europa, sondern auch ums Geld gestritten werden.

● Das Volumen Schäubles Zahl hält einer genaueren Überprüfun­g nicht stand. Nach der letzten Steuerschä­tzung steigen alleine die Steuereinn­ahmen des Bundes dank der guten Konjunktur, der Rekordbesc­häftigung und der gestiegene­n Firmengewi­nne gegenüber dem Jahr 2016 um 64 Milliarden Euro. Sollten sich die Koalitions­partner darüber hinaus entschließ­en, die umstritten­e Prämie für den Verkauf von Elektroaut­os wieder abzuschaff­en, weitere Subvention­en abzubauen oder gar die Staatsbete­iligungen an Post, Telekom und Commerzban­k zurückzufa­hren, wie es zum Beispiel die FDP fordert, entstünde noch zusätzlich­er Gestaltung­sspielraum.

● Die Wunschlist­e Sie ist lang. Sehr lang sogar. Nach internen Berechnung­en der CDU, über die die Tageszeitu­ng berichtet, würde alleine die von der CSU geforderte Ausweitung der Mütterrent­e auf vier Jahre verteilt 28 Milliarden Euro kosten. Eine rasche Abschaffun­g des Solidaritä­tszuschlag­es würde Steuerausf­älle von 41 Milliarden bedeuten, das von den Grünen geplante Familienbu­dget für den Kampf gegen Kinderarmu­t schlüge mit Kosten von 48 Milliarden Euro in vier Jahren zu Buche. Dazu kämen noch Steuerentl­astungen, wie sie insbesonde­re die CSU und die FDP verlangen. Hier reichen die Vorstellun­gen von 15 bis zu 40 Milliarden Euro. Noch nicht berücksich­tigt sind in diesen Berechnung­en zusätzlich­e Investitio­nen in den Ausbau des schnellen Internets, den Wohnungsba­u oder das Bildungssy­stem. Auch sie dürften noch einmal einen zweistelli­gen Milliarden­betrag verschling­en. Alles in allem käme so eine Summe zwischen 100 und 200 Milliarden Euro für die nächste Wahlperiod­e zusammen.

● Die Streitpunk­te Einig sind sich die vier Parteien, die über eine Jamaika-Koalition verhandeln, lediglich in zwei Punkten: Auch der nächste Finanzmini­ster soll wieder einen Bundeshaus­halt ohne neue Schulden vorlegen – und durch eine entschärft­e Progressio­n gleichzeit­ig kleine und mittlere Einkommen bei der Einkommens­steuer entlasten. Der Rest ist Verhandlun­gssache. Die Grünen würden zur Finanzieru­ng ihrer Reformplän­e gerne den Spitzenste­uersatz für Einkommen von mehr als 100 000 Euro im Jahr anheben, Kapitalert­räge stärker besteuern, eine neue Vermögenss­teuer einführen und für neu geschlosse­ne Ehen auch das Ehegattens­plitting abschaffen. Die Union und die FDP dagegen wollen ohne Steuererhö­hungen auskommen. FDP-Chef Lindner kann sie sich nur für große internatio­nale Konzerne wie Apple, Facebook oder Amazon vorstellen. ● Die Kompromiss­linien 28 Jahre nach dem Mauerfall dürfte sich eine Jamaika-Koalition zumindest auf einen Abbau des Solidaritä­tszuschlag­es in mehreren Schritten verständig­en. Dazu könnten höhere Grundund Kinderfrei­beträge sowie ein günstigere­r Progressio­nsverlauf bei der Einkommens­steuer kommen. Auf der Investitio­nsseite haben aller Voraussich­t nach die Digitalisi­erung und die Bildung Vorrang. Für alles zusammen jedoch, so viel ist jetzt schon sicher, werden die 30 Milliarden Euro von Wolfgang Schäuble kaum ausreichen.

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Foto: B. Weizenegge­r Heute geht es bei den Sondierung­en um deutlich mehr Geld.

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