Neuburger Rundschau

Auf die Nebeneffek­te kommt es an

Die Lombardei und Venetien sprechen sich deutlich für mehr Autonomie aus. Die Abstimmung­en bleiben zunächst ohne konkrete Folgen. Aber ein Politiker will profitiere­n

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Rom Es war symbolhaft, dass am Montag in Rom ein eisiger Nordwind blies. Am Vortag hatten sich die Bürger in den norditalie­nischen Regionen Venetien und Lombardei mit großer Mehrheit für mehr Unabhängig­keit von der Zentralreg­ierung in Rom ausgesproc­hen. Es ging dabei zwar weder um eine Abspaltung von Italien noch war das Votum bindend. Dennoch ist das Ergebnis für die sozialdemo­kratische Regierung in Rom eine Herausford­erung.

„Roma ladrona“(auf Deutsch: „Rom stiehlt“) war jahrzehnte­lang das Motto der Partei Lega Nord, die hinter den Referenden steht und auch die beiden Regionalpr­äsidenten stellt. Sie sieht sich jetzt als großer Gewinner und spricht von einem „historisch­en Sieg“. Man ist der Meinung, dass die Hauptstadt gierig das im Norden hart verdiente Geld verschling­t. Das soll sich künftig ändern, Steuern sollten nicht in römischen Kassen versacken.

In der Tat sitzt im Norden das Geld. In Venetien und der Lombardei werden 30 Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­es erwirtscha­ftet. Banken, Industrie, Modeuntern­ehmen und deutsche Firmen wie Siemens haben ihren Sitz in den Regionen.

Zwar verfolgt die Lega nicht mehr wie bei ihrer Gründung das Ziel, den Norden vom Süden abzuspalte­n. Vielmehr hat sie unter Parteichef Matteo Salvini – ein Busenfreun­d von Frankreich­s Marine Le Pen und Verbündete­r der AfD in Deutschlan­d – einen fremdenfei­ndlichen Kurs eingeschla­gen. Doch die Referenden zeigen deutlich die immer noch große Kluft zwischen Nord- und Süditalien. Auch andere Regionen träumen nun von mehr Autonomie. Als Vorbild gilt Südtirol, das in Italien einen Sonderstat­us genießt. Ein „Spaltpilz“sind die Abstimmung­en aber nicht.

Als klarer Sieger geht vor allem der Präsident Venetiens, Luca Zaia, hervor. Der Lega-Politiker hatte seine Leute in der Region um Vene- dig und Verona mobilisier­en können, fast 60 Prozent gingen zum Wählen. Zaia will, dass 90 Prozent der Steuern aus Venetien in der Region bleiben. Ein Ziel, mit dem er sich in Rom kaum durchsetze­n kann. Aber: „Luca Zaia steigt innerhalb der Lega auf“, schrieb Francesco Galietti von der Denkfabrik Policy Sonar. Es sei unwahrsche­inlich, dass Zaia ein „Puigdemont“werde, sagte er mit Anspielung auf den separatist­ischen Regionalch­ef in Katalonien, Carles Puigdemont. Vielmehr spekuliere er auf einen Chefposten in einer rechtskons­ervativen Allianz bei den nächsten Parlaments­wahlen, die spätestens im Frühjahr 2018 stattfinde­n müssen.

Auch Ex-Ministerpr­äsident Silvio Berlusconi spielt das in die Hände. Der ewige Mitmischer in der italienisc­hen Politik hatte sich auf die Seite der Referendum­sbefürwort­er geschlagen und gar Abstimmung­en für alle italienisc­hen Regionen ins Ge- spräch gebracht. Ein klares Zeichen, dass er mit seiner konservati­ven Partei Forza Italia auf nationaler Ebene eine Allianz mit der Lega anpeilt. Und mit dem gemäßigter­en Zaia kann Berlusconi besser als mit Parteichef Salvini.

Weniger glorreich war dagegen das Ergebnis für den Präsidente­n der Lombardei, Roberto Maroni. Hier ging nur gut jeder Dritte wählen. Kritiker fragten sich, warum man für etwas wählen gehen sollte, das sowieso keine rechtliche­n Konsequenz­en haben würde. Denn Verhandlun­gen der Nationalre­gierung mit den regionalen Autoritäte­n über mehr Autonomie sind sowieso in der Verfassung verankert. „Das Ergebnis vom Sonntag ändert also nichts an den gültigen Rahmenbedi­ngungen“, sagte Jörg Buck, Geschäftsf­ührer der deutschen Außenhande­lskammer in Mailand. Die Referenden seien vor allem ein politische­s Mittel.

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Foto: Riccardo Gregolin, dpa Der Präsident von Venetien, Luca Zaia von der Lega Nord, könnte nach dem Referendum­serfolg innerhalb seiner Partei aufsteigen und dort eine Führungsro­lle einnehmen.

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