Gleicher Lohn für gleiche Arbeit
Wenn Beschäftigte in ein anderes EU-Land geschickt werden, um dort zu arbeiten, verdienen sie oft weniger als einheimische Kollegen. Weil viele deshalb Lohndumping befürchten, ändert die EU nun die Regeln
Brüssel Jeder EU-Bürger kann innerhalb der EU arbeiten, wo er will. Und viele machen das auch – sie werden etwa als Bauarbeiter oder Pflegekraft aus ihrem Heimatland in ein anderes Land entsandt. Doch diese Freizügigkeit schafft Probleme, weil Arbeitnehmer nicht in allen Ländern gleich viel verdienen. Und so sind die Entsandten mitunter billiger als einheimische Kräfte, was zu Lohndumping führen kann. Deshalb haben sich die Sozialminister der EU nun auf eine Änderung der sogenannten Entsende-Richtlinie geeinigt, wie am Montagabend bekannt wurde. Sie folgt dem Prinzip „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“.
Es gab schon eine Entsende-Richtlinie. Warum hat sie nicht funktioniert?
Diese Dienstleistungsrichtlinie ist die Grundlage dafür, dass Unternehmen ihre Produkte und Arbeiten in jedem EU-Land anbieten können. Ein Fensterbauer aus Düsseldorf darf sich also um Aufträge aus Frankreich oder Polen bewerben und die Fenster dort montieren. Die Entsende-Richtlinie sollte sicherstellen, dass ausländische und inländische Beschäftigte gleich entlohnt werden – allerdings betraf das nur den Mindestlohn im Gastland.
Wieso kommt es zu Lohndumping? Das liegt zum einen daran, dass der Lohn nicht die ganze Bezahlung darstellt. Oben drauf kommen noch die Kosten für Sozialversicherungen. Derzeit darf ein Arbeitnehmer für bis zu fünf Jahre im Ausland bleiben, der Arbeitgeber zahlt die Sozialversicherung aber im Heimatland. Weil die Sozialversicherungen in den Mitgliedsstaaten aber unterschiedlich teuer sind, entstehen Schieflagen. So kostete in Dänemark eine Arbeitsstunde 2016 etwa 42 Euro, in Bulgarien waren es 4,40 Euro. Deutschland liegt mit 33 Euro über dem EU-Durchschnitt. Arbeitnehmer aus Staaten mit niedrigen Kosten kommen deshalb in Staaten, in denen sonst hätte mehr bezahlt werden müssen.
Wie soll das künftig weitergehen? Entsendungen sollen künftig in der Regel nicht länger als zwölf Monate dauern, in Ausnahmen 18 Monate, wie aus Verhandlungskreisen bekannt wurde. Das Transportgewerbe bleibt zunächst von den neuen Regeln ausgenommen. In dieser Zeit darf der Arbeitnehmer bei seiner heimischen Sozialversicherung bleiben. Danach muss er in die Sozialversicherung des Landes wechseln, in dem er tätig ist.
Wird diese Gleichbehandlung von allen Mitgliedstaaten akzeptiert? Es gab Widerstand, und die Details des am Montagabend verkündeten Kompromisses sind noch nicht ganz klar. Tatsächlich wurde der Kompromiss nicht einstimmig verabschiedet, sondern nur per Mehrheitsbeschluss. Die westlichen Länder wie Deutschland, Frankreich oder die Niederlande wollen eine Befristung, weil sie befürchten, dass bei ihnen ganze Branchen nur noch mit Arbeitnehmern aus dem EUAusland besetzt werden. Die östlichen Mitgliedstaaten fordern keine Begrenzung. Sie pochen auf offene Arbeitsmärkte. Sie profitieren, wenn ihre Leute im Ausland arbeiten und Geld nach Hause bringen. Sie wollen deshalb, dass die anderen Länder alle Zugangshindernisse abbauen.
Was ist damit gemeint?
Ein Beispiel ist Frankreich: Präsident Emmanuel Macron hat sich für eine Reform der Entsende-Richtlinie ausgesprochen. Da er nicht auf die EU warten wollte, hat seine Regierung eine Abgabe eingeführt. Ab 1. Januar 2018 müssen Arbeitgeber, die ihre Beschäftigten nach Frankreich entsenden, pro Kopf 40 Euro zahlen. Solche Auflagen entfallen mit der neuen Richtlinie.
Betrifft das alle Arbeitnehmer aus dem EU-Ausland?
Nein. Die Richtlinie gilt für jene, die entsandt wurden. Wenn Beschäftigte aus eigenem Antrieb in ein anderes Land wechseln und dort leben, sind sie nicht betroffen. Dann unterliegen sie ohnehin der gesamten Arbeitsmarktund Sozialgesetzgebung des neuen Wohnortes.