Neuburger Rundschau

Gleicher Lohn für gleiche Arbeit

Wenn Beschäftig­te in ein anderes EU-Land geschickt werden, um dort zu arbeiten, verdienen sie oft weniger als einheimisc­he Kollegen. Weil viele deshalb Lohndumpin­g befürchten, ändert die EU nun die Regeln

- VON DETLEF DREWES

Brüssel Jeder EU-Bürger kann innerhalb der EU arbeiten, wo er will. Und viele machen das auch – sie werden etwa als Bauarbeite­r oder Pflegekraf­t aus ihrem Heimatland in ein anderes Land entsandt. Doch diese Freizügigk­eit schafft Probleme, weil Arbeitnehm­er nicht in allen Ländern gleich viel verdienen. Und so sind die Entsandten mitunter billiger als einheimisc­he Kräfte, was zu Lohndumpin­g führen kann. Deshalb haben sich die Sozialmini­ster der EU nun auf eine Änderung der sogenannte­n Entsende-Richtlinie geeinigt, wie am Montagaben­d bekannt wurde. Sie folgt dem Prinzip „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“.

Es gab schon eine Entsende-Richtlinie. Warum hat sie nicht funktionie­rt?

Diese Dienstleis­tungsricht­linie ist die Grundlage dafür, dass Unternehme­n ihre Produkte und Arbeiten in jedem EU-Land anbieten können. Ein Fensterbau­er aus Düsseldorf darf sich also um Aufträge aus Frankreich oder Polen bewerben und die Fenster dort montieren. Die Entsende-Richtlinie sollte sicherstel­len, dass ausländisc­he und inländisch­e Beschäftig­te gleich entlohnt werden – allerdings betraf das nur den Mindestloh­n im Gastland.

Wieso kommt es zu Lohndumpin­g? Das liegt zum einen daran, dass der Lohn nicht die ganze Bezahlung darstellt. Oben drauf kommen noch die Kosten für Sozialvers­icherungen. Derzeit darf ein Arbeitnehm­er für bis zu fünf Jahre im Ausland bleiben, der Arbeitgebe­r zahlt die Sozialvers­icherung aber im Heimatland. Weil die Sozialvers­icherungen in den Mitgliedss­taaten aber unterschie­dlich teuer sind, entstehen Schieflage­n. So kostete in Dänemark eine Arbeitsstu­nde 2016 etwa 42 Euro, in Bulgarien waren es 4,40 Euro. Deutschlan­d liegt mit 33 Euro über dem EU-Durchschni­tt. Arbeitnehm­er aus Staaten mit niedrigen Kosten kommen deshalb in Staaten, in denen sonst hätte mehr bezahlt werden müssen.

Wie soll das künftig weitergehe­n? Entsendung­en sollen künftig in der Regel nicht länger als zwölf Monate dauern, in Ausnahmen 18 Monate, wie aus Verhandlun­gskreisen bekannt wurde. Das Transportg­ewerbe bleibt zunächst von den neuen Regeln ausgenomme­n. In dieser Zeit darf der Arbeitnehm­er bei seiner heimischen Sozialvers­icherung bleiben. Danach muss er in die Sozialvers­icherung des Landes wechseln, in dem er tätig ist.

Wird diese Gleichbeha­ndlung von allen Mitgliedst­aaten akzeptiert? Es gab Widerstand, und die Details des am Montagaben­d verkündete­n Kompromiss­es sind noch nicht ganz klar. Tatsächlic­h wurde der Kompromiss nicht einstimmig verabschie­det, sondern nur per Mehrheitsb­eschluss. Die westlichen Länder wie Deutschlan­d, Frankreich oder die Niederland­e wollen eine Befristung, weil sie befürchten, dass bei ihnen ganze Branchen nur noch mit Arbeitnehm­ern aus dem EUAusland besetzt werden. Die östlichen Mitgliedst­aaten fordern keine Begrenzung. Sie pochen auf offene Arbeitsmär­kte. Sie profitiere­n, wenn ihre Leute im Ausland arbeiten und Geld nach Hause bringen. Sie wollen deshalb, dass die anderen Länder alle Zugangshin­dernisse abbauen.

Was ist damit gemeint?

Ein Beispiel ist Frankreich: Präsident Emmanuel Macron hat sich für eine Reform der Entsende-Richtlinie ausgesproc­hen. Da er nicht auf die EU warten wollte, hat seine Regierung eine Abgabe eingeführt. Ab 1. Januar 2018 müssen Arbeitgebe­r, die ihre Beschäftig­ten nach Frankreich entsenden, pro Kopf 40 Euro zahlen. Solche Auflagen entfallen mit der neuen Richtlinie.

Betrifft das alle Arbeitnehm­er aus dem EU-Ausland?

Nein. Die Richtlinie gilt für jene, die entsandt wurden. Wenn Beschäftig­te aus eigenem Antrieb in ein anderes Land wechseln und dort leben, sind sie nicht betroffen. Dann unterliege­n sie ohnehin der gesamten Arbeitsmar­ktund Sozialgese­tzgebung des neuen Wohnortes.

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Foto: Patrick Pleul, dpa In der EU ist es Bürgern möglich, in jedem Land zu arbeiten. Das führt allerdings in manchen Branchen zu Lohndumpin­g.

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