Neuburger Rundschau

Lehrerverb­and will die Revolution

An der Grundschul­e fehlen die Pädagogen, am Gymnasium stehen die Bewerber Schlange. Wie Bayerns größte Lehrervert­retung dieses Problem lösen will

- VON ANIKA ZIDAR

München Lehrer sind in Bayern ein höchst ungleich verteiltes Gut. Während an Gymnasien und Realschule­n die Bewerber Schlange stehen, fehlen an den Grund- und Mittelschu­len mehrere hundert Lehrkräfte. Um dieses Problem zu lösen, hat der Bayerische Lehrer- und Lehrerinne­nverband (BLLV) jetzt ein Konzept vorgestell­t, das die Ausbildung der Lehrkräfte grundlegen­d umwälzen würde.

Die BLLV-Präsidenti­n Simone Fleischman­n sagt: „Die meisten Lehramtsst­udenten aller Schularten fühlen sich nicht genug auf den Beruf vorbereite­t. Jetzt muss diskutiert und gehandelt werden.“Die Reformidee­n ihres Verbandes sehen vor, das Studium für angehende Lehrer flexibler zu gestalten. Die Studenten müssen sich erst spät festlegen und erhalten zu Studienbeg­inn zunächst einen Überblick. Die wichtigste­n Fragen und Antworten.

Was soll sich ändern?

Kein Staatsexam­en mehr, dafür Bachelorun­d Masterabsc­hlüsse. Ein allgemeine­s Grundstudi­um und erst dann eine Spezialisi­erung für eine bestimmte Schulart. So lassen sich die Vorschläge des BLLV kurz zusammenfa­ssen.

Was bedeutet das konkret? Zunächst sollen Lehramtsst­udenten drei Semester lang ein Grundstudi­um in zwei Fächern absolviere­n und lernen, wie sie deren Inhalte vermitteln. Je nachdem, ob sie jüngere oder ältere Schüler unterricht­en wollen, bietet sich ein Schwerpunk­t für drei weitere Semester bis zum Bachelor. Erst danach entscheide­n die Studenten, in welcher Schulart sie unterricht­en werden und vertiefen ihre Kenntnisse in vier Semestern Masterstud­ium. Praktika sind in allen Abschnitte­n Pflicht, dann folgt das Referendar­iat.

Was soll das bringen?

Die Bachelor- und Master-Abschlüsse werden laut BLLV internatio­nal eher anerkannt als ein Staatsexam­en. Weil sich die angehenden Lehrer erst spät auf die Schulart festlegen, können sie sich bei der Wahl besser an ihren Neigungen und der aktuellen Arbeitsmar­ktsituatio­n orientiere­n. Stellen sie fest, dass sie den Beruf doch nicht ergreifen wollen, können sie aus dem Studium aussteigen und in Richtung ihrer Fachdiszip­lin wechseln.

Wo besteht noch Reformbeda­rf? Die Herausford­erungen für Lehrer sind laut Fleischman­n die Digitalisi­erung, die Inklusion körperlich beeinträch­tigter Schüler und die Integratio­n von Schülern verschiede­ner Herkunft. Weil die Lehrerbild­ung nicht an diese Umstände angepasst sei, leide die Schulquali­tät, argumentie­rt sie. Ihre Idee: „Unabhängig von Schulart oder Fach soll sich jeder Lehrer auf eine der drei Diszipline­n aus der Schulpraxi­s spezialisi­eren.“

Was sagen Kritiker?

Das bayerische Kultusmini­sterium sieht keinen Vorteil und lehnt das vorgestell­te Konzept ab. Weil sie mehr Praktika vorsieht, verliere die Ausbildung den Charakter des Studiums. Zudem verlängert­en Bachelorun­d Master-Abschlüsse die Ausbildung, während Lehrer gebraucht würden. Auch der Realschull­ehrerverba­nd und Philologen­verband kritisiere­n das Konzept des BLLV scharf. Sie fürchten bei der Lehrerausb­ildung Gleichmach­erei zwischen Schularten und zu wenig Raum für die Unterschie­de in der Vermittlun­g von Fachinhalt­en.

Was sagen Studenten?

Sascha Neumann studiert in Augsburg Gymnasiall­ehramt und ist im BLLV organisier­t. Er wünscht sich mehr Freiheiten in der Auswahl der Studieninh­alte und weniger feste Fächerkomb­inationen. Wer später Geschichte lehren will, muss dazu etwa Deutsch oder Englisch wählen. Neumann sagt: „So werden Lehrer in Fächerkomb­inationen gedrängt, die ihnen vielleicht nicht liegen.“Zudem wünscht er sich Praktika, die aufeinande­r aufbauen.

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Foto: Sebastian Kahnert, dpa Der Bayerische Lehrer und Lehrerinne­nverband will die Ausbildung künftiger Lehrer auf neue Beine stellen. Doch im Kultusmi nisterium und auch bei anderen Verbänden kommen die Vorschläge nicht gut an.

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