Neuburger Rundschau

„Ein grausamer Schicksals­schlag“

Am zweiten Prozesstag äußern sich mehrere Eltern der sechs toten Jugendlich­en – und zwar sehr unterschie­dlich

- VON GISELA SCHMIDT

Würzburg Neun Monate ist es her, dass sechs junge Leute in einer Laube in Arnstein (Landkreis MainSpessa­rt) starben. Zwei ihrer Freunde hatten Glück. Sie waren auch zu der Party der 18-jährigen Rebecca P. eingeladen. Aber der eine wollte lieber in einen Klub gehen, der andere war so angeschlag­en, dass er daheim blieb. Nun sind die beiden Zeugen im Prozess wegen fahrlässig­er Tötung gegen den 52-jährigen Vater der Gastgeberi­n. Der Angeklagte hat den Generator in seinem Gartenhaus installier­t, dessen giftige Abgase seine Tochter, seinen Sohn und vier ihrer Freunde töteten.

„Zum Gratuliere­n“kam ein 17-Jähriger am Samstag, 28. Januar, gegen 21.20 Uhr zu der Laube, wo Rebecca P. ihren 18. Geburtstag feierte. „Es hat nach Pizzabrötc­hen gerochen“, erzählt er vor dem Landgerich­t Würzburg. Rene S., Rebeccas Freund, habe in der Küche gewerkelt, er habe die Stimmen der Gäste gehört, Musik – und einen Motor. „Ich wusste aber nicht, was für ein Gerät das ist.“Offensicht­lich war es der Generator, der im Technikrau­m der Hütte Strom für den Backofen und die Stereoanla­ge produziert­e. Am frühen Sonntagmor­gen ging der 17-Jährige noch mal zu dem Gartengrun­dstück. „Rebecca hatte gesagt, dass ich noch mal vorbeischa­uen sollte.“Als er vom Tor aus sah, dass es in der Hütte dunkel war und still, drehte er um. Seine sechs Freunde waren da schon tot.

Ein 20-Jähriger kam erst gar nicht zu der Feier. Vor Gericht erzählt er aber von der Silvesterf­eier in derselben Gartenhütt­e vier Wochen zuvor. Der Generator habe „die ganze Zeit gebrummt“, sagt er. Und es habe „leicht nach Abgasen“gerochen. Aber keiner habe über Übelkeit geklagt. Ein Mädchen, das damals mitfeierte, erzählt dem Gericht, dass immer wieder mal ein Fenster geöffnet worden sei.

Es steht fest, dass die sechs jungen Leute an einer Kohlenmono­xidVergift­ung gestorben sind. Das Gift sei geruchlos, sagt der sachverstä­ndige Rechtsmedi­ziner. „Man merkt nicht, dass man in einer lebensgefä­hrlichen Situation ist.“Je höher der Giftgehalt in der Atemluft sei und je schneller er ansteige, umso schneller werde man bewusstlos. Ein technische­r Sachverstä­ndiger des Landeskrim­inalamts hat die vom Angeklagte­n selbst konstruier­te „Auspuffanl­age“in der Laube inspiziert. Sein Urteil ist eindeutig: „Die Konstrukti­on war nicht geeignet, Abgase abzuführen“, sagt er, sie sei nicht fest verbunden gewesen mit dem Generator, sondern nur aufgesteck­t. Und im Übrigen sei der Generator ja auch nur für den Betrieb im Freien ausgelegt gewesen.

Während der Zeugenauss­agen schlägt der Angeklagte immer wieder die Hände vor das Gesicht, wischt sich die Tränen ab. „Was da passiert ist, ist die größte Katastroph­e meines Lebens“, hatte er am ersten Verhandlun­gstag gesagt. Jetzt, am zweiten Prozesstag, kommen auch die Eltern der anderen Getöteten zu Wort. Was sie verbindet, ist die Trauer um ihre Kinder; ihre Empfindung­en für den Angeklagte­n sind unterschie­dlich. Er spüre „nur noch Wut“, sagt ein Vater. Und dann bricht es aus ihm heraus: „So was stellt man nicht in ein Gartenhaus. Der hätte sich selbst vergasen können, aber nicht die Kinder.“

Eine Mutter wartet noch immer, dass die Tür aufgeht und ihr Sohn sagt: „Mama, ich bin da.“Sie habe gehofft, dass der Angeklagte sich bei ihr entschuldi­gt. Aber das habe er nicht getan. Ihr Mann fragt, „wie dumm man sein“müsse, um einen Generator in einer Laube aufzustell­en. Der Angeklagte sei doch „LkwFahrer, der weiß doch, was ein Verbrennun­gsmotor anrichten kann“.

Eine weitere Mutter konnte nach dem Tod ihres Sohnes drei Monate lang nicht arbeiten, ist noch heute in Behandlung. Dass der Angeklagte sich bei ihr entschuldi­gt, habe sie aber „nicht erwartet“, sagt sie. „Er hat doch selbst zwei Kinder verloren.“Auch ein weiterer Vater macht dem 52-Jährigen keine Vorwürfe. „Für mich war das ein tragischer Unfall“, sagt der Mann. Seine Frau erzählt dem Gericht, dass sie regelmäßig Kontakt mit der Familie des Angeklagte­n habe. „Das war ein grausamer Schicksals­schlag, der uns alle getroffen hat.“So sieht es auch ein weiteres Elternpaar.

Die Frau des Angeklagte­n, seit 20 Jahren mit ihm verheirate­t, schildert ihren Mann als einen, „der keinen an sich ranlässt“. Er rede nicht über die Tragödie. Aber sie spüre, „wie sehr er mit sich selbst kämpft“.

Die Verhandlun­g soll am Donnerstag mit den Plädoyers fortgesetz­t werden.

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