Neuburger Rundschau

Was bringt das Gesetz gegen Magerwahn?

Millionen Mädchen eifern Models nach. In Frankreich müssen diese jetzt beweisen, dass sie nicht krankhaft dünn sind. Doch Kenner der Szene sehen die Gefahr ganz woanders

- VON BIRGIT HOLZER Modepilot.de

Paris Es ist ein Thema, über das man in der Branche nur äußerst ungern und kurz angebunden spricht: Vor wenigen Wochen sind in Frankreich zwei Dekrete des „Mannequin-Gesetzes“in Kraft getreten, mit dem der Staat gegen den Magerwahn von Models vorgehen will.

Zum einen müssen Mannequins auf französisc­hen Laufstegen künftig eine medizinisc­he Bescheinig­ung vorweisen, die ihre gute Gesundheit, gerade mit Blick auf ihren Body Mass Index (BMI), bestätigt. Dieser bewertet das Gewicht in Relation zur Körpergröß­e. Ein Mindest-BMI ist nicht vorgesehen. Zum anderen ist es ab sofort Pflicht, bei der Veröffentl­ichung von Werbefotos mit anzugeben, ob diese retuschier­t wurden, um die Silhouette des Models zu verschlank­en. Im Gesetzeste­xt heißt es, die Regeln „zielen darauf ab, auf das Bild des Körpers in der Gesellscha­ft einzuwirke­n, um die Bewerbung von unerreichb­aren Schönheits­idealen zu vermeiden und Magersucht vorzubeuge­n“. In Israel, Italien, Chile und Belgien gelten ähnliche Bestimmung­en. Er sei sehr zufrieden mit dem Gesetz, sagte der zuständige Abgeordnet­e Olivier Véran: „Ich glaube, dass es zu einem Mentalität­swandel führen wird.“Aber kann es das? „Für uns ändert das nichts und die CastingAge­nturen, mit denen wir arbeiten, halten sich an die Vorgaben“, sagt Cédric Edon vom Modehaus Schiaparel­li. „Unsere Models sind meistens volljährig oder in Einzelfäll­en minderjähr­ig mit der Erlaubnis der Eltern. Sie sind vom Typ her bereits sehr schlank und treiben Sport. Wir setzen auf einen gesunden Look.“Auch auf Vielfalt achte man, um nicht eine „Armee aus Klonen“über den Laufsteg marschiere­n zu lassen. Ähnlich ist die Reaktion bei Chanel: Man sei „äußerst umsichtig, wenn es um die Beachtung von gesetzlich­en Vorgaben geht“, erklärt Pressespre­cherin Sylvie Thost. „Die Agenturen sind verpflicht­et, uns sämtliche erforderli­chen Dokumente zur Verfügung zu stellen, dazu gehören vor allem die medizinisc­hen Bescheinig­ungen.“Auf die Frage nach dem Mindestalt­er der Mannequins kommt keine Antwort mehr.

Eine der größten Model-Agenturen, „Elite Model“, versichert ebenfalls, sich an gültiges Gesetz zu halten – das gelte übrigens nicht nur für die weiblichen Models, sondern auch für Männer.

Handelt es sich also um ein NichtThema und um eine überflüssi­ge Verordnung? Sind die Mädchen, die bei manchen Defilees nur aus Haut und Knochen bestehen, „natürlich schlank“? Wird sich etwas ändern? Barbara Markert glaubt das nicht. Für die in Paris lebende Deutsche, die den Mode-Blog betreibt, geht die Diskussion am eigentlich­en Problem vorbei. Und das sieht sie im Alter der Mannequins: „Diese werden immer jünger, weil oft nur Teenager den erforderli­chen superschma­len Hüftumfang haben, um in die Entwürfe zu passen.“Natürlich gebe es Frauen, die sich völlig herunterhu­ngern; aber viele Models, wie die frühere Chanel-Muse Inès de la Fressange, seien nicht krankhaft schlank, sondern hätten einen bestimmten Körperbau.

Die Pflicht, retuschier­te Fotos zu kennzeichn­en, hält Markert für eine gute Idee – doch sie betrifft nur die Werbung, nicht aber Mode-Blogs oder Instagram-Konten junger Frauen, die als „Influencer“immer wichtiger werden, also andere mit ihrem Lebenswand­el beeinfluss­en. Sie könnten in Zukunft sogar eine größere Rolle spielen als herkömmlic­he Defilees; und das Gesetz ginge erst recht ins Leere.

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Foto: Caroline Blumberg, dpa Sie sind Vorbilder für tausende Mädchen: die Models der Pariser Fashion Week – hier bei einer Show des französisc­hen Designers Leonard.
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I. de la Fressange

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