Führung für die Sinne
„Fürstenmacht und wahrer Glaube“zum Fühlen, Hören und Riechen
Neuburg Schon einige hundert Besuchergruppen haben die fleißigen Führer seit Juli durch die Ausstellung „Fürstenmacht und wahrer Glaube“im Neuburger Schloss geleitet. Dennoch gab es am vergangenen Samstag noch einmal eine kleine Premiere: Für eine Gruppe von ungefähr 50 Personen gestalteten Kaye Sprenzel und Christa Söllner eine „Führung für alle Sinne“. Die evangelische und die katholische Blindenseelsorge waren zu einem ökumenischen Ausflug in die Reformationsausstellung gekommen.
Da so ein Museumsbesuch für Blinde- und Sehbehinderte von Haus aus etwas komplizierter ist, waren die Besucher auf die Unterstützung der Ausstellungsverantwortlichen angewiesen. An so vielen Stationen wie möglich versuchten sie, den Besuchern Dinge zum Fühlen, Hören und Riechen zu reichen.
Pfarrer Peter Kocher von der evangelischen Blindenseelsorge und Schwester Mareille Hartl vom katholischen Pendant organisieren regelmäßig gemeinsame Projekte und Ausflüge, die Ausstellung in Neuburg bot sich hier thematisch an. „Pfarrer Kocher ist auf uns zugekommen und wir haben überlegt, welche Elemente für so eine Führung geeignet sind“, erklärt Michael Teichmann, Leiter des Stadtmuseums. „Und uns ist da durchaus einiges eingefallen.“
Schon gleich zu Beginn sind die Besucher aus dem Raum München und ganz Bayern von den prächtigen Wandteppichen und Gobelins begeistert, die dauerhaft im Schlossmuseum zu bestaunen sind. Sprenzel beschreibt die Motive und Ausarbeitung eindrucksvoll, sodass jeder sich selbst ein Bild davon machen kann. Auch an weiteren Stationen, an denen es nichts zu betasten oder anderweitig Erfahrbares gibt, hilft die eindrückliche Ausstellungserzählung den Gästen und eröffnet auch für Begleitpersonen einen völlig neuen Blickwinkel.
Im Amalienzimmer bietet ein großer, zweifarbiger Tisch viele Charakteristika der beiden Konfessionen. Hinter den unterschiedlich kolorierten Klappen finden sich jeweils Dinge, die dem katholischen oder dem evangelischen Glauben nahe stehen. Neben unterschiedlich klingenden Altarschellen, Rosenkränzen und Luthers Gesangbuch findet sich beispielweise auch Weihrauch, von dem Teichmann in dem kleinen Raum eine Portion entfacht und dessen Geruch bald deutlich von allen wahrgenommen wird. Sprenzel lässt eine Weste durch die Reihen gehen, die extra für die Ausstellung angefertigt wurde. Die Besucher lachen über das überdimensionierte Kleidungsstück, das die unglaublichen Körpermaße von Neuburgs liebstem Fürsten Ottheinrich zum Greifen nah veranschaulicht.
Auch von kleineren Ausstellungsgegenständen und einem Herzstück der Ausstellung, dem Reichsapfel aus der Münchner Residenz, haben die Führer Repliken im Gepäck, die die Runde machen. Und nicht nur die Ausstellung selbst ist für die Blinden- und Sehbehinderten eine echte Erfahrung. Viele von ihnen, die noch nie in Neuburg waren, staunen auch über die Räumlichkeiten der Schlosskapelle, des Fürstengangs und des Schlosses selbst.
Kaye Sprenzel zieht wie die Besucher ein positives Fazit dieser Premiere: Mit ein bisschen mehr Zeit seien sie genauso gut durch die Ausstellung gekommen wie andere Leute auch. Man müsse einfach sagen: „Das probiere ich!“