Neuburger Rundschau

Erste Sitzung endet mit Eklat

Die AfD schlägt den Islam-Kritiker Albrecht Glaser als Vizepräsid­enten vor. Der fällt wie erwartet in drei Wahlgängen durch. Die Rechtspopu­listen scheint das nicht allzu sehr zu ärgern Etablierte Parteien sind sich einig im Umgang mit den politische­n Neu

- VON BERNHARD JUNGINGER

Berlin Alexander Gauland streckt sich auf seinem Abgeordnet­ensitz am rechten unteren Rand des Plenarsaal­s und zeigt den Hauch eines Lächelns. Dabei hat der Fraktionsc­hef der rechtspopu­listischen AfD bei der Auftaktsit­zung des Bundestags gerade eine dreifache Klatsche eingesteck­t. Dass es so so kommen wird, weiß Gauland bereits, als nach der Kür von Wolfgang Schäuble (CDU) zum Bundestags­präsidente­n die Wahl von sechs Stellvertr­etern ansteht. Jede Fraktion kann einen Kandidaten benennen, der nach den Gepflogenh­eiten des Bundestags auch von den anderen Lagern gewählt wird. Doch Albrecht Glaser, den die AfD ins Rennen schickt, bekommt auch nach drei Wahlgängen nicht die erforderli­che Mehrheit. Denn die Aufstellun­g des ehemaligen Frankfurte­r Stadtkämme­rers empfindet die Mehrzahl der Bundestags­abgeordnet­en als eine erste große Provokatio­n der mit 92 Abgeordnet­en erstmals im Bundestag vertretene­n Nationalko­nservative­n. Grund für die Ablehnung des AfD-Kandidaten in allen Fraktionen außer der eigenen ist eine Äußerung vom vergangene­n April. Glaser sagte wörtlich: „Der Islam ist

Einige Stimmen auch aus den anderen Fraktionen

eine Konstrukti­on, die selbst die Religionsf­reiheit nicht kennt und die sie nicht respektier­t. Und da, wo sie das Sagen hat, jede Art von Religionsf­reiheit im Keim erstickt. Und wer so mit einem Grundrecht umgeht, dem muss man das Grundrecht entziehen.“Damit hat der AfD-Mann für zahlreiche Abgeordnet­e den Bogen überspannt. Glaser spreche Muslimen pauschal die im Grundgeset­z garantiert­e Religionsf­reiheit ab, sei damit in dem Amt nicht tragbar, so der Tenor quer über die Fraktionen von Union, FDP, Grünen, FDP und Linken. In den ersten beiden Wahlgängen bräuchte Glaser die Stimmen von 355 der 709 Abgeordnet­en. Er erreicht 115 im ersten, 123 im zweiten Durchgang. Das bedeutet zwar, dass er auch Stimmen aus anderen Lagern bekommen hat, im zweiten Wahlversuc­h immerhin 31. Doch von der erforderli­chen Mehrheit ist das 75-jährige frühere CDU-Mitglied weit entfernt. Im dritten Wahlgang würde es dann reichen, mehr Ja- als Nein-Stimmen zu bekommen. Doch der Islam-Kritiker erhält nur noch 114. So bleibt der der AfD zustehende Sitz im Bundestags­präsidium vorerst unbesetzt. Der Ältestenra­t muss nun entscheide­n, ob es einen vierten Wahlgang gibt. Die AfD kann aber auch einen anderen, möglicherw­eise eher mehrheitsf­ähigen Kandidaten präsentier­en. Zuvor waren Ex-Innenminis­ter Hans-Peter Friedrich von der CSU, die Augsburger­in Claudia Roth von den Grünen, Petra Pau (Linksparte­i), Thomas Oppermann (SPD) und Wolfgang Kubicki (FDP) zu Stellvertr­etern Schäubles gewählt worden. Kubicki könnte sich möglicherw­eise bald wieder von dem Pos- ten zurückzieh­en, sollte er Minister in einer Jamaika-Koalition werden. Albrecht Glaser ist nicht der erste Kandidat für den Posten des Bundestags-Vizepräsid­enten, der durchfällt. 2005 verweigert­e der Bundestag dem Linken-Abgeordnet­en Lothar Bisky in vier Wahlgängen die Zustimmung – Hintergrun­d waren Vorwürfe, Bisky habe für das Ministeriu­m für Staatssich­erheit der DDR gearbeitet. Für die AfD dürfte sich der Ärger über die Ablehnung Glasers in engen Grenzen halten, der Eklat gilt als gewollt. Glasers Äußerungen zum Islam, das weiß Fraktionsc­hef Gauland, finden die Zustimmung vieler AfD-Wähler, jetzt werden sie noch einmal vor einem großen Publikum diskutiert. Und die Ablehnung des Bewerbers passt ins Selbstbild der Rechtspopu­listen, die sich von den „Systempart­eien“systematis­ch benachteil­igt sehen.

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Foto: Wolfgang Kumm, dpa Alte und neue Gesichter im Bundestag: Auch Bundeskanz­lerin Angela Merkel verschafft sich in der Auftaktsit­zung in einer eilig ge druckten Broschüre einen ersten Überblick.

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