Wie war das mit Clara Zetkin?
Ein Faktencheck
Berlin Der AfD-Bundestagsabgeordnete Bernd Baumann hat im Bundestag behauptet, die Neubestimmung des Alterspräsidenten stehe in der Tradition des Nationalsozialisten Hermann Göring. Der Bundestag hatte kurz vor der Wahl beschlossen, den Alterspräsidenten nicht mehr nach Lebens-, sondern nach Dienstalter zu bestimmen. ● Aussage: „Seit 1848 ist in Deutschland Tradition, dass die konstituierende Sitzung vom ältesten Mitglied der Versammlung natürlich eröffnet wird. Eine Tradition von der Frankfurter Paulskirche bis Gustav Stresemann, von Adenauer über Brandt bis Kohl, ja bis zu den ersten Regierungen Merkel. Alle Reichstage, alle Bundestage konnten dem Argument Dienstalter nichts abgewinnen. Ist ja auch klar. In 150 Jahren Parlamentsgeschichte blieb die Regel des Alterspräsidenten unangetastet. Unangetastet? Es gab eine Ausnahme: 1933 hat Hermann Göring die Regel gebrochen, weil er politische Gegner ausgrenzen wollte, damals Clara Zetkin.“● Bewertung: Teilweise richtig, teilweise falsch. ● Fakten: Die KPD-Abgeordnete Clara Zetkin (Jahrgang 1857) war im März 1933 nicht ältestes Mitglied des Reichstages. Sie wäre deshalb auch nicht Alterspräsidentin geworden, wie es Baumann nahelegt. Zetkin hatte im August 1932 den Reichstag als Alterspräsidentin eröffnet. Sie nutzte dies für eine Rede. Bei den folgenden Wahlen (November 1932 und März 1933) stellte die NSDAP den älteren Karl Litzmann (Jahrgang 1850) auf. Nach Ansicht von Historikern wollte sie damit verhindern, dass Zetkin eine weitere Rede hält. Reichstagspräsident Hermann Göring (NSDAP) schaffte im März 1933 das Amt des Alterspräsidenten ab. Er verhinderte also, dass ein Mitglied seiner eigenen Partei Alterspräsident wird. Das Lebensalter als Kriterium für das Amt des Alterspräsidenten hat in der Tat eine lange Tradition. Nicht immer wurde jedoch das älteste Mitglied des Parlaments zum Alterspräsidenten: Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) verzichtete mehrfach auf diese Würde und ließ andere eine Rede halten.