Neuburger Rundschau

Rückfall in alte Zeiten

Die Fans von Lazio Rom provoziere­n die Anhänger von AS Rom mit antisemiti­schen Beleidigun­gen

- VON JULIUS MÜLLER MEININGEN

Rom Die Delegation war nicht besonders groß, aber sie war da. Klubpräsid­ent Claudio Lotito, Mitarbeite­r der Presseabte­ilung sowie die zwei brasiliani­schen Fußballpro­fis Felipe Anderson und Wallace Fortuna dos Santos statteten am Dienstagmi­ttag der jüdischen Gemeinde in Rom einen Solidaritä­ts-Besuch ab. Der Präsident von Lazio Rom legte zwei Blumenkrän­ze vor der römischen Synagoge nieder, anschließe­nd distanzier­te sich Lotito von den jüngsten antisemiti­schen Aktionen der Lazio-Anhänger.

Diese hatten mit einer Aufklebera­ktion während des Heimspiels gegen Cagliari Calcio am Sonntag internatio­nal für Empörung gesorgt. Dutzende in der Fankurve der Lokalrival­en angebracht­e Sticker zeig- ten das Konterfei des 1945 im Konzentrat­ionslager Bergen-Belsen von den Nazis ermordeten jüdischen Mädchens Anne Frank im Trikot des AS Rom. Um zu verstehen, dass es sich dabei um einen Skandal handelt, bedarf es genauerer Kenntnisse der Fanszene in Rom, deren radikalste­r Teil seit Jahren rechtsextr­emistisch ausgericht­et ist. Jüdische Abstammung gilt unter den neofaschis­tischen Ultras der Hauptstadt als Beleidigun­g. Eine Symbolfigu­r für die Unmenschli­chkeit des nationalso­zialistisc­hen Völkermord­s wie Frank durch den Dreck zu ziehen und auf diese Weise den Lokalrival­en zu beleidigen, das ist die perverse Logik römischer Ultras im Jahr 2017. Vereinsprä­sident Lotito kündigte an, künftig würden jedes Jahr 200 Kinder und Jugendlich­e aus dem Verein zu einer Fahrt in die KZ-Gedenkstät­te Auschwitz aufbrechen. Die Spieler von Lazio Rom sollten vor dem Auswärtssp­iel am Mittwoch beim FC Bologna T-Shirts mit dem Konterfei von Anne Frank tragen.

Als unmenschli­ch und alarmieren­d bezeichnet­e Staatspräs­ident Sergio Mattarella die antisemiti­schen Beleidigun­gen. Auch der Chef des italienisc­hen Fußballver­bandes FIGC Carlo Tavecchio sprach von unsägliche­m Verhalten. Die Staatsanwa­ltschaft Rom hat Ermittlung­en aufgenomme­n. Lazio Rom drohen Sanktionen durch die Sportjusti­z.

Zu dem Vorfall am Sonntag kam es unter anderem, weil die Nordkurve im römischen Olympiasta­dion nach rassistisc­hen Beleidigun­gen gegnerisch­er Spieler durch Anhänger von Lazio Rom für zwei Spiele gesperrt worden war. Die Vereins- führung entschied daraufhin, die normalerwe­ise geschlosse­ne und bei Heimspiele­n des AS Rom von dessen Anhängern besetzte Südkurve am Sonntag den Lazio-Dauerkarte­nbesitzern zugänglich zu machen. Die Aktion stand unter dem Motto Fight Racism. Ordner fanden am Sonntagabe­nd dann die AnneFrank-Aufkleber und weitere anti- semitische Beleidigun­gen, wie sie auch in den vergangene­n Jahren zwischen den Fangruppen üblich waren. Besonders die Ultra-Gruppe der Irriducibi­li (Unbeugsame) stach dabei heraus. Auschwitz ist eure Heimat, die Öfen euer Zuhause, lautete ein von Lazio-Anhängern gehisstes Spruchband im Jahr 1998.

Jahre später fiel der Mittelfeld­spieler Paolo Di Canio auf, weil er Treffer für Lazio Rom mit dem römischen Gruß, der italienisc­hen Variante des Hitlergruß­es unter der Fankurve zelebriert­e. Das italienisc­he Parlament reagierte im September auf den grassieren­den Antisemiti­smus und Neofaschis­mus in Italien mit einem Gesetz. Damit kann der propagandi­stische Gebrauch faschistis­cher Symbole und Gesten künftig strafrecht­lich sanktionie­rt werden.

 ?? Foto: dpa ?? Lazio Präsident Claudio Lotito legte ges  tern einen Kranz vor der Synagoge in Rom nieder.
Foto: dpa Lazio Präsident Claudio Lotito legte ges tern einen Kranz vor der Synagoge in Rom nieder.

Newspapers in German

Newspapers from Germany