Neuburger Rundschau

Vom Landwirt zum Paradiesgä­rtner

Johann Unger war als „Ölscheich von Adelshause­n“im Landkreis bekannt wie ein bunter Hund. Heute wird er 90 – und erzählt unter anderem davon, wie er als junger Soldat im Zweiten Weltkrieg türmte und in Ägypten landete

- VON CLAUDIA STEGMANN

Karlskron Adelshause­n Für Johann Unger liegt das Paradies am Ortsrand von Adelshause­n, gerade mal 500 Meter von seinem Haus entfernt. Dort hat er sich ein Refugium aufgebaut, das seinesglei­chen sucht. In seinem Garten gibt es nicht nur Gemüse, Beeren und Blumen, sondern auch zwei Fischteich­e mit Forellen und Karpfen und eine Hütte mit einem Kanapee für ein Mittagssch­läfchen. Und es gibt Bäume, viele Bäume. So wurde aus dem einstigen Schreberga­rten quasi eine Waldeslust, der Johann Unger und seine Frau Adelheid täglich einen Besuch abstatten. „Das ist keine Arbeit, das ist eine Beschäftig­ung!“, sagt er über sein Hobby, das er seit 25 Jahren mit unverminde­rter Leidenscha­ft pflegt. Und es hält ihn fit, denn dem Adelshause­ner ist sein Alter in keinster Weise anzumerken. Heute wird er 90 Jahre alt.

Seine Kindheit verbindet der Unger Hans vor allem mit einem: mit viel und mit schwerer Arbeit. Er war der älteste Sohn und musste deshalb auf dem elterliche­n Hof in Adelshause­n mit anpacken. Maschinen gab es nicht, alles musste mit der Hand gemacht werden. „Es war eine schwere Jugend“, erinnert er sich.

Im Vergleich dazu war die Zeit, als er zur Infanterie­ausbildung geschickt wurde, ein Zuckerschl­ecken. „Da war alle Tage Sonntag.“Körperlich schwer arbeiten musste er zwar nicht mehr, doch als er 1944 nach Italien geschickt wurde, belastete ihn etwas anderes: Der Krieg war verloren, das erkannten selbst so unerfahren­e Rekruten wie Johann Unger. Und in dieser ausweglose­n Situation hatte er erst recht keine Lust, sich von Partisanen niederschi­eßen zu lassen. Also türmte er zusammen mit einem Freund, bevor er von den Engländern aufgegriff­en und nach Ägypten gebracht wurde.

Obwohl er Kriegsgefa­ngener war, fasziniert­e ihn die orientalis­che Welt. Vom Arbeitslag­er aus hatte er „einen Blick auf die Pyramiden wie von Adelshause­n aufs Ingolstädt­er Münster“. Dreieinhal­b Jahre war er in Ägypten und hat in dieser Zeit „ein Haufen Zeug gemacht“: Unter anderem schichtete er in einer Pas- tetenfabri­k Teig in die Formen, wofür ihm aber das rechte Geschick fehlte und er deshalb den Brotofen bedienen durfte. „Das war die beste Zeit in der Gefangensc­haft“, sagt er, denn während das Brot backte, hatte er Pause.

Als er 1948 mit dem letzten Tross nach Hause kam, war nichts mehr wie zuvor. „Ich hab mich nicht mehr wohlgefühl­t, es war mir alles zu eng.“Weil die Übernahme des elterliche­n Hofes wenig attraktiv war, machte er sich auf die Suche nach einer passenden Frau. Und die fand er in Adelheid, die er schon von der Schule kannte. Deren Eltern hatten nicht nur eine kleine Landwirtsc­haft, sondern auch ein Lebensmitt­elschäft im Ort – damit war die Tochter die perfekte Partie. 1952 wurde schließlic­h geheiratet.

Fast 20 Jahre verdiente Johann Unger mit dem Hof und mit dem Laden sein Geld, bis er Anfang der 1970er Jahre in der Zeitung eine Annonce las: „Esso sucht Vertreter“. Also sattelte er um – vom Traktor auf einen Hanomag-Kastenwage­n. Mit dem fuhr er fortan durch die Gegend: von Ingolstadt bis Burgheim und von Neuburg bis Schrobenha­usen. Bis zu 300 Kilometer fuhr er jeden Tag, um seinen Kun- den Motoren-, Hydraulik oder Industrieö­le zu verkaufen und auszuliefe­rn. Dieser Job brachte ihm den Spitznamen „Ölscheich von Adelshause­n“ein. In seinem Zuständigk­eitsbereic­h kannte Hans Unger jede Dorfstraße, und tausende Kunden kannte Hans Unger. „Ich war bekannt wie ein bunter Hund“, sagt er lachend und erzählt von Bekanntsch­aften, die weit über das Geschäftli­che hinausging­en. „Geh’ Ölscheich, hast scho g’essen? Hock di her!“, hieß es immer wieder.

Die Arbeit forderte aber auch ihren Tribut: Vier Leistenbrü­che und zwei kaputte Knie sind das Ergebnis, wenn man über Jahre hinweg bis zu 180 Kilo schwere Fässer herumwucht­et. Deshalb sagte Johann Unger mit 63 Jahren „Adieu“und ging in Rente. Und weil er „irgendwie dann draufgekom­men“ist, dass garteln etwas Schönes ist, begann er Stück für Stück, sich sein Paradies zu bauen. Sauwohl fühlt er sich da, weshalb er noch ganz viel Zeit dort verbringen möchte. Denn im Himmel kann es kaum schöner sein.

 ?? Foto: Claudia Stegmann ?? In seinem Garten blüht Johann Unger auf. Vor über 25 Jahren hat er ihn angelegt und seitdem immer weiter ausgebaut.
Foto: Claudia Stegmann In seinem Garten blüht Johann Unger auf. Vor über 25 Jahren hat er ihn angelegt und seitdem immer weiter ausgebaut.

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