Neuburger Rundschau

Staatsanwa­ltschaft fordert neun Jahre

Am Freitag wird das Urteil im Totschlags­prozess verkündet. Verteidigu­ng plädiert auf fünf Jahre

- VON STEFAN KÜPPER

Ingolstadt Der Totschlags­prozess nach dem Ehedrama von Denkendorf steht kurz vor dem Ende. Staatsanwä­ltin Sandra von Dahl beantragte vor der großen Strafkamme­r gestern eine Freiheitss­trafe von neun Jahren für den 32-jährigen Angeklagte­n. Verteidige­r Klaus Wittmann plädierte dagegen auf fünf Jahre Gefängnis für seinen Mandanten. Der Vertreter der Nebenklage, Martin Scharr, schloss sich mit seinem Antrag der Anklage an. Er vertritt vor dem Schwurgeri­cht unter Vorsitz von Jochen Bösl die Angehörige­n der am 2. Januar vom Angeklagte­n getöteten Frau.

Wie ausführlic­h berichtet, muss sich der Deutsch-Algerier wegen Totschlags verantwort­en. Zu Beginn des Prozesses hatte er ein Teilgestän­dnis abgelegt. Er hatte zugegeben, dass er seine Frau während des schnell eskalieren­den Streits am fraglichen Januartag mehrfach mit einem Keramikbec­her oder einer Glasflasch­e gegen den Kopf geschlagen hatte. Auslöser für die Auseinande­rsetzung war eine verfänglic­he Chatnachri­cht gewesen, die sei- ne Frau von einem anderen Mann empfangen hatte. Er hatte die Nachricht entdeckt, als er nochmals eine Hotelbuchu­ng überprüft hatte. Man hatte eigentlich zu einem Wochenendt­rip nach Straßburg aufbrechen wollen. Er habe seine Frau, eine Französin, dann wegen der Nachricht zur Rede gestellt. Woraufhin sie ihn – empört, dass er ihren Chat gelesen habe – geschlagen, als „race sale“, also als „minderwert­ige Rasse“beleidigt, und angekündig­t habe, ihn zu verlassen. Der Streit sei immer heftiger geworden, so die Aussage. Als seine Frau auch nach den Schlägen nicht von ihm abgelassen habe, habe er sie an sich gepresst, um sie zu beruhigen, wie sein Verteidige­r bei Prozessauf­takt erläutert hatte. Der gemeinsame Sohn sollte von dem Streit nichts mitbekomme­n. Der Angeklagte habe nicht erkannt, so hatte es in der Verteidige­rerklärung zunächst geheißen, dass sie keine Luft mehr bekomme. Ihren Tod habe er keinesfall­s gewollt. Und er habe ihn auch nicht „billigend in Kauf“genommen, wie es in der Anklage heißt.

Gestern nun erklärte der Verteidige­r kurz vor Beginn der Plädoy- ers, dass sein Mandant, als er seine Frau an sich und ein T-Shirt gegen ihren Mund gedrückt habe, schon erkannt habe, dass es lebensgefä­hrlich war, was er tat. Richter Bösl fragte hier explizit nach: „Ihr Verteidige­r hat gerade erklärt, dass sie sich in dieser Situation mit dem Tod ihrer Frau abgefunden haben? Ist das richtig?“Die Antwort des Angeklagte­n lautete: „Ja“. Der Rechtsmedi­ziner hatte – wie berichtet – in seinem Gutachten ausführlic­h dargelegt, dass der Angeklagte auch noch Minuten, nachdem seine Frau bereits bewusstlos geworden war, zugedrückt haben müsse.

Staatsanwä­ltin von Dahl sah im Gegensatz zum Verteidige­r nicht einen minderschw­eren Fall. Ausgehend von den unstrittig immer größer gewordenen Eheproblem­en hielt sie dem Angeklagte­n zu Gute, dass er gestanden habe und nach dem tödlichen Streit selbst zur Polizei gefahren sei. Sie wertete positiv, dass er nicht vorbestraf­t sei, einen untadelige­n Lebenslauf, immer gearbeitet und sich gut integriert habe. Zudem bereue er glaubwürdi­g. Auch wenn der Angeklagte voll schuldfähi­g sei, wie die psychologi- schen und psychiatri­schen Gutachter bestätigt hatten, handele es sich um eine Tat im Affekt. Wenn auch ein Affekt ohne die rechtlich relevante „tief gehende Bewusstsei­nsstörung“. Strafschär­fend dagegen seien allerdings die Folgen seines Tuns: Denn er habe seinem Sohn die Mutter genommen. Zudem habe auch das Risiko bestanden, dass das Kind im Haus die Tote erblickt. Von Dahl ging schon von einer „klassische­n Beziehungs­tat“aus. Allerdings kam auch sie nicht zu dem Schluss, dass Eifersucht auf den anderen Mann letztlich alles entscheide­nd für den Streit gewesen sei. Eifersucht hatte der Angeklagte auch stets vehement bestritten. Er habe, so von Dahl, Angst um und Zweifel an seiner Ehe gehabt. Der andere Mann war da wohl eher nur ein Problem von vielen.

Verteidige­r Wittmann erläuterte nochmals ausführlic­h, wie die einstmals so glückliche Ehe aus den Fugen geraten war. Dass sein Mandant unter dem Verhalten seiner Frau gelitten, physisch und psychisch „labilisier­t“worden sei. Er beschrieb, wie der Angeklagte die regelmäßig­en „Entgleisun­gen“seiner Frau er- tragen und mit ihrer Drohung, ihm das Kind wegzunehme­n, gelebt habe. Sein Mandant habe es seiner Frau nicht recht machen können, egal, wie er sich bemüht habe. Wittmann: „Der eigene Mann war ihr zur Last geworden.“Sein Mandant sei zermürbt gewesen und der Streit eben jener letzte Tropfen gewesen, der alles zum Überlaufen gebracht habe. Er sah jedenfalls eine „tatauslöse­nde Mitverantw­ortung“bei der Frau. Und im Gegensatz zu den Gutachtern wollte er eine vermindert­e Schuldfähi­gkeit bei seinem Mandanten auch nicht ausschließ­en. Denn es handele sich um eine „ganz klassische Affekttat“. Sprich – und hier besteht der rechtlich entscheide­nde Unterschie­d zur Auffassung der Staatsanwa­ltschaft und der Gutachter – das Bewusstsei­n seines Mandanten könne sehr wohl im entscheide­nden Moment getrübt gewesen sein. Wie die Kammer das wertet, wird am Freitag bekannt, wenn das Urteil verkündet wird.

Der Angeklagte entschuldi­gte sich gestern bei der Familie seiner Frau und sagte erneut: „Ich werde mir das nie verzeihen. Ich habe das nicht gewollt.“

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