Staatsanwaltschaft fordert neun Jahre
Am Freitag wird das Urteil im Totschlagsprozess verkündet. Verteidigung plädiert auf fünf Jahre
Ingolstadt Der Totschlagsprozess nach dem Ehedrama von Denkendorf steht kurz vor dem Ende. Staatsanwältin Sandra von Dahl beantragte vor der großen Strafkammer gestern eine Freiheitsstrafe von neun Jahren für den 32-jährigen Angeklagten. Verteidiger Klaus Wittmann plädierte dagegen auf fünf Jahre Gefängnis für seinen Mandanten. Der Vertreter der Nebenklage, Martin Scharr, schloss sich mit seinem Antrag der Anklage an. Er vertritt vor dem Schwurgericht unter Vorsitz von Jochen Bösl die Angehörigen der am 2. Januar vom Angeklagten getöteten Frau.
Wie ausführlich berichtet, muss sich der Deutsch-Algerier wegen Totschlags verantworten. Zu Beginn des Prozesses hatte er ein Teilgeständnis abgelegt. Er hatte zugegeben, dass er seine Frau während des schnell eskalierenden Streits am fraglichen Januartag mehrfach mit einem Keramikbecher oder einer Glasflasche gegen den Kopf geschlagen hatte. Auslöser für die Auseinandersetzung war eine verfängliche Chatnachricht gewesen, die sei- ne Frau von einem anderen Mann empfangen hatte. Er hatte die Nachricht entdeckt, als er nochmals eine Hotelbuchung überprüft hatte. Man hatte eigentlich zu einem Wochenendtrip nach Straßburg aufbrechen wollen. Er habe seine Frau, eine Französin, dann wegen der Nachricht zur Rede gestellt. Woraufhin sie ihn – empört, dass er ihren Chat gelesen habe – geschlagen, als „race sale“, also als „minderwertige Rasse“beleidigt, und angekündigt habe, ihn zu verlassen. Der Streit sei immer heftiger geworden, so die Aussage. Als seine Frau auch nach den Schlägen nicht von ihm abgelassen habe, habe er sie an sich gepresst, um sie zu beruhigen, wie sein Verteidiger bei Prozessauftakt erläutert hatte. Der gemeinsame Sohn sollte von dem Streit nichts mitbekommen. Der Angeklagte habe nicht erkannt, so hatte es in der Verteidigererklärung zunächst geheißen, dass sie keine Luft mehr bekomme. Ihren Tod habe er keinesfalls gewollt. Und er habe ihn auch nicht „billigend in Kauf“genommen, wie es in der Anklage heißt.
Gestern nun erklärte der Verteidiger kurz vor Beginn der Plädoy- ers, dass sein Mandant, als er seine Frau an sich und ein T-Shirt gegen ihren Mund gedrückt habe, schon erkannt habe, dass es lebensgefährlich war, was er tat. Richter Bösl fragte hier explizit nach: „Ihr Verteidiger hat gerade erklärt, dass sie sich in dieser Situation mit dem Tod ihrer Frau abgefunden haben? Ist das richtig?“Die Antwort des Angeklagten lautete: „Ja“. Der Rechtsmediziner hatte – wie berichtet – in seinem Gutachten ausführlich dargelegt, dass der Angeklagte auch noch Minuten, nachdem seine Frau bereits bewusstlos geworden war, zugedrückt haben müsse.
Staatsanwältin von Dahl sah im Gegensatz zum Verteidiger nicht einen minderschweren Fall. Ausgehend von den unstrittig immer größer gewordenen Eheproblemen hielt sie dem Angeklagten zu Gute, dass er gestanden habe und nach dem tödlichen Streit selbst zur Polizei gefahren sei. Sie wertete positiv, dass er nicht vorbestraft sei, einen untadeligen Lebenslauf, immer gearbeitet und sich gut integriert habe. Zudem bereue er glaubwürdig. Auch wenn der Angeklagte voll schuldfähig sei, wie die psychologi- schen und psychiatrischen Gutachter bestätigt hatten, handele es sich um eine Tat im Affekt. Wenn auch ein Affekt ohne die rechtlich relevante „tief gehende Bewusstseinsstörung“. Strafschärfend dagegen seien allerdings die Folgen seines Tuns: Denn er habe seinem Sohn die Mutter genommen. Zudem habe auch das Risiko bestanden, dass das Kind im Haus die Tote erblickt. Von Dahl ging schon von einer „klassischen Beziehungstat“aus. Allerdings kam auch sie nicht zu dem Schluss, dass Eifersucht auf den anderen Mann letztlich alles entscheidend für den Streit gewesen sei. Eifersucht hatte der Angeklagte auch stets vehement bestritten. Er habe, so von Dahl, Angst um und Zweifel an seiner Ehe gehabt. Der andere Mann war da wohl eher nur ein Problem von vielen.
Verteidiger Wittmann erläuterte nochmals ausführlich, wie die einstmals so glückliche Ehe aus den Fugen geraten war. Dass sein Mandant unter dem Verhalten seiner Frau gelitten, physisch und psychisch „labilisiert“worden sei. Er beschrieb, wie der Angeklagte die regelmäßigen „Entgleisungen“seiner Frau er- tragen und mit ihrer Drohung, ihm das Kind wegzunehmen, gelebt habe. Sein Mandant habe es seiner Frau nicht recht machen können, egal, wie er sich bemüht habe. Wittmann: „Der eigene Mann war ihr zur Last geworden.“Sein Mandant sei zermürbt gewesen und der Streit eben jener letzte Tropfen gewesen, der alles zum Überlaufen gebracht habe. Er sah jedenfalls eine „tatauslösende Mitverantwortung“bei der Frau. Und im Gegensatz zu den Gutachtern wollte er eine verminderte Schuldfähigkeit bei seinem Mandanten auch nicht ausschließen. Denn es handele sich um eine „ganz klassische Affekttat“. Sprich – und hier besteht der rechtlich entscheidende Unterschied zur Auffassung der Staatsanwaltschaft und der Gutachter – das Bewusstsein seines Mandanten könne sehr wohl im entscheidenden Moment getrübt gewesen sein. Wie die Kammer das wertet, wird am Freitag bekannt, wenn das Urteil verkündet wird.
Der Angeklagte entschuldigte sich gestern bei der Familie seiner Frau und sagte erneut: „Ich werde mir das nie verzeihen. Ich habe das nicht gewollt.“