Wem ein Finanzminister vertraut
Theo Waigel sprach in Eichstätt über politische Rivalitäten und Freundschaften
Eichstätt Er gilt als einer der Väter des Euro, war lange Finanzminister und kennt den Politikbetrieb wie ihn wohl nur wenige kennen. Am Montagabend hat Theo Waigel mit einem Vortrag zum Thema Vertrauen in Politik und Wirtschaft die Ringvorlesung „K’Universale“an der Universität in Eichstätt eröffnet. Gleich zu Beginn machte er deutlich, wie wichtig Vertrauen für ein respektvolles Miteinander sei: „Jeder Mensch benötigt Vertrauen. In sich, in andere und in die Welt.“Doch gerade in der Politik sei ein großer Vertrauensentzug festzustellen. Waigel zitierte eine Studie, die das Ansehen von Berufen in Deutschland ermittelt. Während Feuerwehrmänner, Piloten und Ärzte eine hohe Wertschätzung genießen, gaben nur sechs Prozent der Befragten an, dass sie Politiker schätzen. Es gebe ein „politisches Unbehagen“, sagte Waigel. Dieses Unbehagen sei durch den „zeitweili- gen Kontrollverlust“während der Flüchtlingskrise im Jahr 2015 entstanden. Waigel, der als prominenter Unterstützer der Bundeskanzlerin gilt, kritisierte in Eichstätt den Merkel-Satz „Wir schaffen das“. Er hätte sich von Angela Merkel eine Ergänzung des Satzes gewünscht: „Wie schaffen wir das? Und wie viel schaffen wir?“
Der 78-Jährige spannte einen weiten Bogen von der deutschen Wiedervereinigung, die ohne das Vertrauen zu den damaligen Staatschefs der USA und der Sowjetunion nicht möglich gewesen sei, über die Entwicklung einer gemeinsamen europäischen Währungsunion bis zur Mitgliedschaft in der NATO. Grundlage dieser Entwicklungen und Institutionen sei immer politisches Vertrauen gewesen. „Grundvertrauen hat die Wiedervereinigung und die glücklichen 90er Jahre in Deutschland ermöglicht“, erklärte Waigel, der zwischen 1989 und 1998 für die Bundesfinanzen zuständig war.
Dass in der Politik, gerade zwischen Parteien, oft Misstrauen herrscht, erlebte der ehemalige CSU-Chef in nächster Nähe. Waigel schilderte die Rivalität zwischen dem damaligen bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß und Bundeskanzler Helmut Kohl. Deren Verhältnis sei „nicht einfach“gewesen, „mitunter problematisch“. Trotzdem habe Waigel zu beiden Vertrauen gehabt. Über Kohl sagte der 78-Jährige: „Er hat mein Vertrauen nie enttäuscht.“Ohnehin scheint Theo Waigel seinen Weggefährten, Mitarbeitern und selbst politischen Gegnern oft Vertrauen entgegengebracht zu haben. So berichtete er von einem Mitarbeiter in seinem Finanzministerium, „ein fähiger Mann“, der seine Aufgaben „glänzend“gemacht habe. Dieser Mann war in der SPD und hieß: Thilo Sarrazin. Heute ist Sarrazin vor allem für fragwürdige Thesen zur Einwanderung bekannt, die Waigel nicht weiter kommentierte. Auch mit SPD-Altkanzler Helmut Schmidt pflegte Waigel engen Kontakt. Aus einem Brief, den ihm Schmidt kurz vor seinem Tod geschrieben hatte, zitierte Waigel: „Ich freue mich, mit Ihnen einen Freund in Bayern zu haben.“
Für Lacher im Hörsaal sorgte der Schwabe mit einem Hinweis auf sein Markenzeichen, als er augenzwinkernd eine Studie zitierte, der zufolge braune Augen vertrauenswürdiger wirkten als blaue.
Ob Vertrauen auch was mit Augenbrauen zu tun habe, wisse er nicht, so Waigel, aber: „Die bleiben wie sie sind!“