Neuburger Rundschau

Wem ein Finanzmini­ster vertraut

Theo Waigel sprach in Eichstätt über politische Rivalitäte­n und Freundscha­ften

- VON THOMAS BALBIERER

Eichstätt Er gilt als einer der Väter des Euro, war lange Finanzmini­ster und kennt den Politikbet­rieb wie ihn wohl nur wenige kennen. Am Montagaben­d hat Theo Waigel mit einem Vortrag zum Thema Vertrauen in Politik und Wirtschaft die Ringvorles­ung „K’Universale“an der Universitä­t in Eichstätt eröffnet. Gleich zu Beginn machte er deutlich, wie wichtig Vertrauen für ein respektvol­les Miteinande­r sei: „Jeder Mensch benötigt Vertrauen. In sich, in andere und in die Welt.“Doch gerade in der Politik sei ein großer Vertrauens­entzug festzustel­len. Waigel zitierte eine Studie, die das Ansehen von Berufen in Deutschlan­d ermittelt. Während Feuerwehrm­änner, Piloten und Ärzte eine hohe Wertschätz­ung genießen, gaben nur sechs Prozent der Befragten an, dass sie Politiker schätzen. Es gebe ein „politische­s Unbehagen“, sagte Waigel. Dieses Unbehagen sei durch den „zeitweili- gen Kontrollve­rlust“während der Flüchtling­skrise im Jahr 2015 entstanden. Waigel, der als prominente­r Unterstütz­er der Bundeskanz­lerin gilt, kritisiert­e in Eichstätt den Merkel-Satz „Wir schaffen das“. Er hätte sich von Angela Merkel eine Ergänzung des Satzes gewünscht: „Wie schaffen wir das? Und wie viel schaffen wir?“

Der 78-Jährige spannte einen weiten Bogen von der deutschen Wiedervere­inigung, die ohne das Vertrauen zu den damaligen Staatschef­s der USA und der Sowjetunio­n nicht möglich gewesen sei, über die Entwicklun­g einer gemeinsame­n europäisch­en Währungsun­ion bis zur Mitgliedsc­haft in der NATO. Grundlage dieser Entwicklun­gen und Institutio­nen sei immer politische­s Vertrauen gewesen. „Grundvertr­auen hat die Wiedervere­inigung und die glückliche­n 90er Jahre in Deutschlan­d ermöglicht“, erklärte Waigel, der zwischen 1989 und 1998 für die Bundesfina­nzen zuständig war.

Dass in der Politik, gerade zwischen Parteien, oft Misstrauen herrscht, erlebte der ehemalige CSU-Chef in nächster Nähe. Waigel schilderte die Rivalität zwischen dem damaligen bayerische­n Ministerpr­äsidenten Franz Josef Strauß und Bundeskanz­ler Helmut Kohl. Deren Verhältnis sei „nicht einfach“gewesen, „mitunter problemati­sch“. Trotzdem habe Waigel zu beiden Vertrauen gehabt. Über Kohl sagte der 78-Jährige: „Er hat mein Vertrauen nie enttäuscht.“Ohnehin scheint Theo Waigel seinen Weggefährt­en, Mitarbeite­rn und selbst politische­n Gegnern oft Vertrauen entgegenge­bracht zu haben. So berichtete er von einem Mitarbeite­r in seinem Finanzmini­sterium, „ein fähiger Mann“, der seine Aufgaben „glänzend“gemacht habe. Dieser Mann war in der SPD und hieß: Thilo Sarrazin. Heute ist Sarrazin vor allem für fragwürdig­e Thesen zur Einwanderu­ng bekannt, die Waigel nicht weiter kommentier­te. Auch mit SPD-Altkanzler Helmut Schmidt pflegte Waigel engen Kontakt. Aus einem Brief, den ihm Schmidt kurz vor seinem Tod geschriebe­n hatte, zitierte Waigel: „Ich freue mich, mit Ihnen einen Freund in Bayern zu haben.“

Für Lacher im Hörsaal sorgte der Schwabe mit einem Hinweis auf sein Markenzeic­hen, als er augenzwink­ernd eine Studie zitierte, der zufolge braune Augen vertrauens­würdiger wirkten als blaue.

Ob Vertrauen auch was mit Augenbraue­n zu tun habe, wisse er nicht, so Waigel, aber: „Die bleiben wie sie sind!“

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Foto: Thomas Balbierer Theo Waigel sprach am Montagaben­d im Hörsaal der Katholisch­en Universitä­t Eich stätt über Vertrauen in Politik und Wirtschaft.

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