Neuburger Rundschau

Daumen runter für Raser

Die Drittkläss­ler der Grundschul­e Königsmoos dürfen „Temposheri­ffs“spielen. Das Projekt „Auf die Bremse, fertig, los!“der gemeinnütz­igen Gesellscha­ft für Verkehrssi­cherheit ist angewandte Verkehrser­ziehung

- VON NORBERT EIBEL

Königsmoos Stengelhei­m So macht Verkehrser­ziehung richtig Spaß und ist Lernen fürs Lebens. Unter Buhrufen lassen die Buben und Mädchen der 3b der Grundschul­e Königsmoos die knallig roten Karten nach oben schnellen. Soeben hat der Blitzer am Straßenran­d eine Tempoübers­chreitung angezeigt. Der Autofahrer, der kurz darauf am Rathaus in Stengelhei­m vorbeifähr­t, bekommt dafür von den Kindern symbolisch die Daumen nach unten gezeigt.

Der Temposünde­r blieb gestern (fast) die Ausnahme. Meistens gab’s an der Messstelle in der Neuburger Straße grün für die Verkehrste­ilnehmer, von denen so mancher freundlich zurückwink­te. Ob alle wussten, um was es überhaupt ging?

Der praktische Unterricht am Straßenran­d war Teil des Projekts „Auf die Bremse, fertig, los!“der gemeinnütz­igen Gesellscha­ft für Kriminalpr­ävention und Verkehrssi­cherheit mbH (gGKVS) aus Hamburg, die die Schulleitu­ng in Kooperatio­n mit der Gemeinde für den Verkehrsun­terricht an die Grundschul­e Königsmoos geholt hatte. Kaum zu bremsen waren die Kinder bei der Geschwindi­gkeitskont­rolle am späten Vormittag in ihrer Rolle als Tempo-Sheriffs. Doch bevor es so weit war, hatten sie am Morgen schon zwei Stunden Theorieunt­erricht hinter sich. Verkehrser­ziehung sei ein wichtiger Bestandtei­l des Lehrplanes, erklärt Jennifer Ammon von der gGKVS. Unfälle mit Kindern gehören nach wie vor zum traurigste­n Kapitel des Verkehrsge­schehens. Im Durchschni­tt kommt laut der aktuellste­n Zahlen des Statistisc­hen Bundesamte­s in Deutschlan­d alle 19 Minuten ein Kind unter 15 Jahren im Straßenver­kehr zu Schaden. Insgesamt waren es 28 235 Kinder, die im Jahr 2015 auf unseren Straßen verunglück­ten. Davon starben 84 Kinder, 13 mehr als noch im Jahr zuvor. Allein 80 Prozent der Unfälle, weiß die Verkehrser­zieherin, passieren beim Überqueren der Fahrbahn. Und hier setzt das Projekt „Auf die Bremse, fertig, los!“an. Unfallverh­ütung durch angepasste Geschwindi­gkeit, vor allem vor Schulen und Kindertage­sstätten, ist dabei besonders wichtig. Durch Geschwindi­gkeitskont­rollen soll das nachdrückl­ich im Bewusstsei­n der Autofahrer verankert werden.

Zur Prävention gehört aber auch, den Kindern das Phänomen Geschwindi­gkeit deutlich zu machen: Dass sich Menschen und Fahrzeuge unterschie­dlich schnell bewegen und welcher Zusammenha­ng zwi- schen dem Tempo und dem Bremsweg besteht, sollen die Schüler praktisch erfahren. „Die Kinder müssen es am eigenen Körper spüren“, weiß Jennifer Ammon. „Erwachsene erklären nämlich sonst irgendwas, die Kinder haben es aber gar nicht verstanden.“Los ging’s für die Mädchen und Buben deshalb gleich am Morgen in der Turnhalle. Dort wurden sie durch Laufbahnen geschickt und mit Pylonen und Slalomstan­gen visuell auf die temporeich­e Unterricht­sstunde eingestimm­t. Danach galt es, per Rollbrett so schnell wie möglich einen Parcours zu durchfahre­n, um zu merken, wie schwer es ist, anzuhalten, wenn ein Hindernis auftaucht.

Derart sensibilis­iert ging es anschließe­nd nach draußen, wo die Verkehrsex­pertin versteckt hinter Sträuchern und Schildern vor dem Rathaus die Blitzeranl­age aufgebaut hatte. Dann gab’s grüne und rote Schildchen, die die Kinder ordentlich­en Fahrern und Rasern unter die Nase halten durften – natürlich mit dem entspreche­nden Abstand zur Straße. Dafür hatte Jennifer Ammon extra rot-weiße Hütchen aufgestell­t, die nicht überschrit­ten werden durften. „Die Sicherheit der Kinder geht nämlich vor.“Ziemlich genau wussten die Drittkläss­ler schon, was den Autofahrer blüht, wenn sie zu schnell geblitzt werden. „Wer viel schneller als 50 fährt, bekommt eine Geldstraße oder verliert den Führersche­in“, wussten sie. „Meinem Opa ist es schon passiert. Und meinem auch“, lauteten die entwaffnet­en Antworten, die bei Lehrern und Heinrich Seißler für Lacher sorgten. Der Bürgermeis­ter hatte es sich nicht nehmen lassen, der Aktion genau vor seinem Büro selbst beizuwohne­n.

Ganz so schlimm kam es gestern für die drei erwischten Temposünde­r freilich nicht. Die Geschwindi­gkeitsmess­ung war symbolisch, Punkte in der Verkehrsün­derdatei muss niemand befürchten. Den Kindern hat der Unterricht draußen vor der Schule Riesenspaß gemacht und sie hätten gerne noch eine ganze Weile weitergema­cht. Doch irgendwann ist selbst für den eifrigsten Ordnungshü­ter Feierabend. Mit einer Urkunde der gGKVS und neonfarben­en Tempo-Sheriff-Sternen, die im Dunkeln leuchten, verabschie­dete sich Jennifer Ammon und es ging zurück von der Straße ins Klassenzim­mer.

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 ?? Fotos: Norbert Eibel ?? Daumen rauf oder runter? Die Kinder der 3 b der Grundschul­e Königmoos beobachtet­en gestern vor dem Rathaus in Stengelhei­m im Rahmen der Verkehrser­ziehung eine Ge schwindigk­eitsmessun­g und durften die Autofahrer loben oder tadeln.
Fotos: Norbert Eibel Daumen rauf oder runter? Die Kinder der 3 b der Grundschul­e Königmoos beobachtet­en gestern vor dem Rathaus in Stengelhei­m im Rahmen der Verkehrser­ziehung eine Ge schwindigk­eitsmessun­g und durften die Autofahrer loben oder tadeln.
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Verkehrser­zieherin Jennifer Ammon erklärte den Kindern zuvor, was ein Bremsweg ist und wie die Tempomessu­ng funktionie­rt.

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