Daumen runter für Raser
Die Drittklässler der Grundschule Königsmoos dürfen „Temposheriffs“spielen. Das Projekt „Auf die Bremse, fertig, los!“der gemeinnützigen Gesellschaft für Verkehrssicherheit ist angewandte Verkehrserziehung
Königsmoos Stengelheim So macht Verkehrserziehung richtig Spaß und ist Lernen fürs Lebens. Unter Buhrufen lassen die Buben und Mädchen der 3b der Grundschule Königsmoos die knallig roten Karten nach oben schnellen. Soeben hat der Blitzer am Straßenrand eine Tempoüberschreitung angezeigt. Der Autofahrer, der kurz darauf am Rathaus in Stengelheim vorbeifährt, bekommt dafür von den Kindern symbolisch die Daumen nach unten gezeigt.
Der Temposünder blieb gestern (fast) die Ausnahme. Meistens gab’s an der Messstelle in der Neuburger Straße grün für die Verkehrsteilnehmer, von denen so mancher freundlich zurückwinkte. Ob alle wussten, um was es überhaupt ging?
Der praktische Unterricht am Straßenrand war Teil des Projekts „Auf die Bremse, fertig, los!“der gemeinnützigen Gesellschaft für Kriminalprävention und Verkehrssicherheit mbH (gGKVS) aus Hamburg, die die Schulleitung in Kooperation mit der Gemeinde für den Verkehrsunterricht an die Grundschule Königsmoos geholt hatte. Kaum zu bremsen waren die Kinder bei der Geschwindigkeitskontrolle am späten Vormittag in ihrer Rolle als Tempo-Sheriffs. Doch bevor es so weit war, hatten sie am Morgen schon zwei Stunden Theorieunterricht hinter sich. Verkehrserziehung sei ein wichtiger Bestandteil des Lehrplanes, erklärt Jennifer Ammon von der gGKVS. Unfälle mit Kindern gehören nach wie vor zum traurigsten Kapitel des Verkehrsgeschehens. Im Durchschnitt kommt laut der aktuellsten Zahlen des Statistischen Bundesamtes in Deutschland alle 19 Minuten ein Kind unter 15 Jahren im Straßenverkehr zu Schaden. Insgesamt waren es 28 235 Kinder, die im Jahr 2015 auf unseren Straßen verunglückten. Davon starben 84 Kinder, 13 mehr als noch im Jahr zuvor. Allein 80 Prozent der Unfälle, weiß die Verkehrserzieherin, passieren beim Überqueren der Fahrbahn. Und hier setzt das Projekt „Auf die Bremse, fertig, los!“an. Unfallverhütung durch angepasste Geschwindigkeit, vor allem vor Schulen und Kindertagesstätten, ist dabei besonders wichtig. Durch Geschwindigkeitskontrollen soll das nachdrücklich im Bewusstsein der Autofahrer verankert werden.
Zur Prävention gehört aber auch, den Kindern das Phänomen Geschwindigkeit deutlich zu machen: Dass sich Menschen und Fahrzeuge unterschiedlich schnell bewegen und welcher Zusammenhang zwi- schen dem Tempo und dem Bremsweg besteht, sollen die Schüler praktisch erfahren. „Die Kinder müssen es am eigenen Körper spüren“, weiß Jennifer Ammon. „Erwachsene erklären nämlich sonst irgendwas, die Kinder haben es aber gar nicht verstanden.“Los ging’s für die Mädchen und Buben deshalb gleich am Morgen in der Turnhalle. Dort wurden sie durch Laufbahnen geschickt und mit Pylonen und Slalomstangen visuell auf die temporeiche Unterrichtsstunde eingestimmt. Danach galt es, per Rollbrett so schnell wie möglich einen Parcours zu durchfahren, um zu merken, wie schwer es ist, anzuhalten, wenn ein Hindernis auftaucht.
Derart sensibilisiert ging es anschließend nach draußen, wo die Verkehrsexpertin versteckt hinter Sträuchern und Schildern vor dem Rathaus die Blitzeranlage aufgebaut hatte. Dann gab’s grüne und rote Schildchen, die die Kinder ordentlichen Fahrern und Rasern unter die Nase halten durften – natürlich mit dem entsprechenden Abstand zur Straße. Dafür hatte Jennifer Ammon extra rot-weiße Hütchen aufgestellt, die nicht überschritten werden durften. „Die Sicherheit der Kinder geht nämlich vor.“Ziemlich genau wussten die Drittklässler schon, was den Autofahrer blüht, wenn sie zu schnell geblitzt werden. „Wer viel schneller als 50 fährt, bekommt eine Geldstraße oder verliert den Führerschein“, wussten sie. „Meinem Opa ist es schon passiert. Und meinem auch“, lauteten die entwaffneten Antworten, die bei Lehrern und Heinrich Seißler für Lacher sorgten. Der Bürgermeister hatte es sich nicht nehmen lassen, der Aktion genau vor seinem Büro selbst beizuwohnen.
Ganz so schlimm kam es gestern für die drei erwischten Temposünder freilich nicht. Die Geschwindigkeitsmessung war symbolisch, Punkte in der Verkehrsünderdatei muss niemand befürchten. Den Kindern hat der Unterricht draußen vor der Schule Riesenspaß gemacht und sie hätten gerne noch eine ganze Weile weitergemacht. Doch irgendwann ist selbst für den eifrigsten Ordnungshüter Feierabend. Mit einer Urkunde der gGKVS und neonfarbenen Tempo-Sheriff-Sternen, die im Dunkeln leuchten, verabschiedete sich Jennifer Ammon und es ging zurück von der Straße ins Klassenzimmer.