Windkraft: Ober sticht den Unter
Was hatte es bereits im Vorfeld der 10-H-Regel für hitzige Debatten gegeben, wenn es um den Abstand von Windrädern zu Siedlungen gegangen war. Nun gibt es seit November 2014 das Gesetz in Bayern – doch die Diskussionen ebben nicht ab. Die Fortschreibung des Regionalplans bot eine willkommene Plattform, die Argumente wieder auf den Tisch zu bringen. Auf der einen Seite stehen die Verfechter der Energiewende, die durch die Abstandsregel den Ausbau der Windkraft im Freistaat als praktisch beendet ansehen. Unterstützung erhalten sie von den Naturschützern, die die Rotoren nicht in den „hintersten Ecken“der Region sehen wollen – schließlich sind dort, gerade wegen der abgeschotteten Lage, einige bedrohte Arten zu Hause. Investoren wollen naturgemäß weitere Flächen, auf denen sie bauen können.
Auf der Gegenseite stehen Bürger, die betroffen sind oder befürchten, es zu werden. Sie beharren auf einem möglichst großen Abstand zu ihren Häusern. Sie haben Angst vor Lärm, Schattenwurf oder Infraschall. Und auch die Kommunen haben sich mit der aktuellen Regel weitgehend „abgefunden“, ausreichend oft haben sich die Gremien vor Ort jedenfalls damit beschäftigen müssen. Den Abstand wieder zu ändern, würde nur neue Schärfe in das Thema bringen und die Diskussion praktisch von neu starten. Daher ist die Entscheidung der Mehrheit im Planungsverband, nicht auf 1500 Meter zu gehen, nachvollziehbar und richtig.
Die Sache ist auch so kompliziert genug. Schließlich muss der Windkraft „substanzieller Raum“(was genau auch immer das konkret heißen mag) zur Verfügung gestellt werden, gleichzeitig aber gelten artenschutzrechtliche Gesetze und eben 10 H. Letzteres ist ein Landesgesetz, steht also über dem Regionalplan – Ober sticht Unter. Wenn eine Reduzierung auf 1500 Meter beschlossen worden wäre, hätten die Anlagen ja nur 150 Meter hoch sein dürfen. Aber erst ab 200 Metern gelten Windräder nach aktuellem Stand als wirtschaftlich rentabel. Unter diesen Voraussetzungen wäre eh kein neues Windrad in der Region gebaut worden.