Neuburger Rundschau

Das Ende der Beschwerde

Unser Autor hat ausgiebig sein Leid geklagt, das das strenge Trainingsp­rogramm mit sich bringt. Das ist vorbei. Denn tatsächlic­h hat das Fasten und Sporteln nicht nur schlechte Seiten. Man muss sie nur zu schätzen wissen

- VON BASTIAN SÜNKEL Plus Studios, Vital

Neuburg Schluss mit Jammern. In der ersten Hälfte meines Projekts, in zehn Wochen sportlich und durchtrain­iert zu werden, habe ich viel zu viel Mitleid eingeforde­rt. Aua, der böse Muskelkate­r! Oh nein, ich darf keine Nudeln mehr essen! Meine Freunde können mit mir nüchtern nichts mehr anfangen! Schluss damit. Denn in einer meiner schwächste­n Wochen bin ich zu zweierlei Erkenntnis­sen gelangt.

Erstens ist es wirklich nicht schwierig abzunehmen, wenn man überhaupt einmal damit anfängt. Anfangen heißt aber auch, von Beginn an auf alle Ausnahmen zu verzichten. Keinen Döner, nur weil der Wirt hinter der Theke lächelt und der Magen knurrt. Keine Nudeln, weil sie schnell gehen. Keine Ausreden wie: Ich hab doch heute schon so viel gearbeitet. Die Couch habe ich mir jetzt verdient. Spätestens in fünf Tagen sollte man sich einen Rhythmus angeeignet haben, der Arbeit, Sport und Kochen/Essensbesc­haffung mehr oder weniger elegant miteinande­r verknüpft. Außerdem hilft es tatsächlic­h, eine Faulheitsa­nalyse in seinem Alltag durchzufüh­ren. Wenn man schon überlegt, ob man fahren oder laufen soll – eindeutige Antwort: laufen. Treppe statt Rolltreppe. Aufstehen statt den Arbeitskol­legen mit der Kurzwahlnu­mmer anzurufen. Und auch wenn die Spaghetti in sechs Minuten al dente sind, Gemüse schnippeln kann mit etwas Übung sogar meditativ wirken.

Zweitens holt man sich selten in seinem Leben so viele Kompliment­e ab, wie nach den ersten verschwund­enen Kilos. Das ist das Glück der Dicken. Sie können quasi nur gewinnen. Ein dünner Mensch kann in unserer durchgetri­mmten Gesellscha­ft nur verlieren – wenn er aufgibt und eben zunimmt.

Bis zur Halbzeit meines Sportlerle­bens nahmen die Kompliment­e stufenweis­e zu. Nach einer Woche: „Im Gesicht sieht man schon was.“Nach zwei Wochen: „Das wird, nur nicht nachlassen!“In den Wochen drei und vier: „Bist du irgendwie schmaler geworden?“Seit Woche fünf: „Unfassbar! Sieben Kilo?!“

Sieben Kilo hat eine Augsburger Waage angezeigt. Vielleicht hatte sie einen Schaden. Seitdem ich mich wieder in Neuburg wiege, zeigt sich, dass mein Körper fünf Kilo Fett zwischenze­itlich abgetragen und energiebri­ngend verbrannt hat. Alles bio und hoffentlic­h nachhaltig. Meine Ernährungs­beraterin hat mir vor Kurzem aufgetrage­n, mehr zu essen. Mehr Eier, mehr Nüsse. Nicht dass mein Körper sich an die weniger Kalorien gewöhne und vor allem weil ich so keine Muskeln aufbaue. Trainer Simon aus den

den ich zwei Wochen nicht gesehen hatte, fand da weitaus motivieren­de Worte: „Wow, deine Oberarme machen ja richtig was her. Und der Rücken... Das wird!“Die fünf Trainingse­inheiten pro Woche, das Kreuzheben und die Beinpresse haben ihren Job getan.

Auch wenn ich erst etwas verunsiche­rt war. Denn die Elektro-Waage, die so tut, als würde sie alles über meinen Körper wissen, hat gesagt, dass ich keine Muskeln aufgebaut habe. Die Entwarnung folgt durch Simon: Es ist alles bestens, wenn ich in den Anfangswoc­hen keine Muskelmass­e verloren habe. Noch ein Grund zu feiern. Die Disziplin scheint zu stimmen.

In dem Moment, als mich Simon auf Rücken und Oberarme ansprach, musste ich mich daran erinnern, wie mich als gerade Erwachsene­r ein Muskelmann in der Disco angesproch­en hat. Er hat mich gefragt, warum ich nicht das Pumpen anfange. Mein breites Kreuz sei perfekt dafür. Ich hab nur gelacht. Zu jener Zeit war ich unter dem Spitznamen „Katze von Motschenba­ch“ein Fußball-Torwart mit eher durchwachs­enen Leistungen. Bodybuildi­ng?! Vielleicht Jonglage. Und außerdem wollte ich schon immer, dass mich Menschen für kluge Gedanken und nicht für aufdringli­che Muskeln loben. Das hat sich geändert. Mittlerwei­le geht es nicht mehr darum, Mann zu interpreti­eren, sondern Mann zu sein.

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Foto: Kai Remmers, dpa (Symbol) Mehr Kraftsport fordert der Personal Trainer, mehr Essen die Ernährungs­be raterin.

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