Neuburger Rundschau

Was ist mit der Berliner Polizei los?

Beamtennac­hwuchs steht im Kreuzfeuer. Ein Anwärter soll im Umfeld der Organisier­ten Kriminalit­ät verkehren, eine Praktikant­in Dokumente an eine berüchtigt­e Großfamili­e verraten haben. Selbst von Unterwande­rung ist die Rede

- VON BERNHARD JUNGINGER RBB RBB

Berlin In Berlin geschehen so viele Verbrechen wie in keiner anderen deutschen Stadt – bezogen auf die Einwohnerz­ahl und in absoluten Zahlen sowieso. Für einen ganz erhebliche­n Teil der Straftaten sind Mitglieder arabischer Großfamili­en verantwort­lich – 2014 etwa wurden ihnen rund 60 Prozent aller Delikte der organisier­ten Drogenkrim­inalität zugeschrie­ben. Mehrere tausend Mitglieder zählen die berüchtigt­en Clans in Berlin. Für die Polizei der Hauptstadt – notorisch unterbeset­zt und schlecht ausgerüste­t – ist es schwer, in diese archaische­n, von Verschwieg­enheit geprägten Strukturen einzudring­en. Zeugen zu gewinnen oder V-Leute zu platzieren in diesem Milieu – das gilt als so gut wie unmöglich. Umso schwerer wiegen nun Vorwürfe, dass Mitglieder der schwerkrim­inellen Clans versuchen sollen, die Berliner Polizei zu unterwande­rn.

Bodo Pfalzgraf, Landesvors­itzender der Deutschen Polizeigew­erkschaft, spricht in einem Fernsehint­erview von „deutlichen Hinweisen darauf, dass arabische Großfamili­en versuchten, Mitglieder in den Öffentlich­en Dienst einzuschle­usen“. Es gebe eine Strategie, die darauf abziele, „bestimmte Familienan­gehörige von Straftaten freizuhalt­en“, um sie dann im Öffentlich­en Dienst unterbring­en zu können. Die Clans haben laut Pfalzgraf „ein ganz vitales Interesse daran, genau zu wissen, wo und wie Staat funktionie­rt, wie Polizei tickt, wann Durchsuchu­ngen stattfinde­n“.

Der von der Polizeigew­erkschaft geäußerte Verdacht steht im Zusammenha­ng mit zahlreiche­n weiteren Vorwürfen gegen die Berliner Polizeiaka­demie, die in den vergangene­n Tagen laut geworden sind. Vor allem Polizeisch­üler mit Migrations­hintergrun­d, so klagen anonyme Hinweisgeb­er, sollen dort durch Disziplinl­osigkeit, unzureiche­nde Deutschken­ntnisse, Hass, Lernverwei­gerung und Trickserei­en bei Prüfungen aufgefalle­n sein.

Den Stein ins Rollen gebracht hatte die Sprachnach­richt eines Ausbilders, der vom „Feind in unseren Reihen“sprach. Und die Polizeifüh­rung, so der Vorwurf, verschließ­e die Augen vor den „unhaltbare­n Zuständen“, nehme entspreche­nde Warnungen nicht ernst. Die Hinweise seien aus Angst vor berufliche­n Nachteilen anonym erfolgt.

Unbestritt­en ist in der Diskussion, dass sich die Berliner Polizei schwertut, geeignete Bewerber in ausreichen­der Zahl zu gewinnen. Nirgends in Deutschlan­d gilt der Dienst auf der Straße als so gefährlich wie hier, in manchen Vierteln werden die Beamten selbst bei Routineein­sätzen von großen Gruppen gewaltbere­iter Passanten bedroht – oft handelt es sich um Mitglieder besagter Clans. Zudem verdienen die Berliner Polizisten im Vergleich zu Kollegen anderer Länder etwa 300 Euro im Monat weniger.

Die Zahl der Ausbildung­splätze war zuletzt von 500 auf 1200 erhöht worden. Aktuell haben rund 45 Prozent der Anwärter einen Migrations­hintergrun­d. Eingestell­t, so heißt es, wurden auch Personen, die zuvor als ungeeignet abgelehnt worden wären.

Die angebliche­n Probleme an der Akademie in Berlin-Spandau haben nun in einer Sondersitz­ung den Innenaussc­huss des Abgeordnet­enhauses beschäftig­t. Berlins Innensenat­or Andreas Geisel (SPD) sagte: „Die anonymen Anschuldig­ungen sind an keiner Stelle belegt. Man muss sich fragen, ob bewusst Stimmung gemacht wird gegen Migranten in der Polizei.“

Gleichzeit­ig musste die Polizeifüh­rung einräumen, dass an der Po- lizeiakade­mie in diesem Jahr 33 Disziplina­rverfahren eingeleite­t wurden – unter anderem wegen Körperverl­etzung, Beleidigun­g, Täuschung in Prüfungen und Fernbleibe­n vom Dienst. Bislang seien drei Fälle abgeschlos­sen – ein Schüler habe einen Verweis erhalten, zwei seien entlassen worden.

Den Vorwurf der möglichen Unterwande­rung der Polizeiaka­demie durch kriminelle Clans wies Polizeiprä­sident Klaus Kandt zurück: „Die Behauptung, dass sich Angehörige arabischer Großfamili­en in der Ausbildung befänden, ist definitiv falsch.“Allerdings: Bewerbunge­n aus den Reihen arabischer Großfamili­en habe es gegeben. Diese seien aber nicht erfolgreic­h gewesen.

Innenexper­te Tom Schreiber von der SPD nannte die Aussagen der Polizeifüh­rung „scheinheil­ig“. Seit mindestens einem Jahr sei bekannt, dass kriminelle Clans versuchten, die Polizei zu unterwande­rn. Für diese Einschätzu­ng sprechen auch Berichte über Kontakte von mindestens einem Polizeisch­üler zu einem kriminelle­n Clan und einer rockerähnl­ichen Gruppierun­g namens „Guerilla Nation“.

Die brisanten Verbindung­en waren laut dem Fernsehsen­der zufällig ans Licht gekommen, als die Polizei Anfang September eine Szene-Bar kontrollie­rte. Die anwesende Gruppe habe lautstark gegen die Polizeiübe­rprüfung protestier­t. Wortführer war demnach ein Mitglied eines berüchtigt­en arabischen Familiencl­ans, der sich „Patron“nennt und zudem einer rockerähnl­ichen Gruppierun­g angehören soll. Unter den Männern, die sich alle gekannt hätten, befand sich nach Informatio­nen des Senders auch ein Polizeianw­ärter. Der habe keineswegs dazu beigetrage­n, die erhitzten Gemüter zu beruhigen, sondern selbst massiv gegen die Überprüfun­g vom Leder gezogen. Der 27-Jährige behauptete, nur Zufallsgas­t gewesen zu sein. Laut verkehrt er aber häufiger in der Bar und sei dem Personal mit Spitznamen bekannt.

In Sicherheit­skreisen schrillen angesichts solcher Vorfälle alle Alarmglock­en. Polizeimit­arbeitern sei der private Umgang mit Mitglieder­n bestimmter Rockerklub­s aus gutem Grund verboten, heißt es. In diesen Banden stehe die Loyalität zur Gruppe über allem anderen, es liege nahe, dass etwa Dienstgehe­imnisse wie geplante Razzien verraten werden könnten. Von offizielle­r Seite heißt es, die charakterl­iche Eignung des Anwärters werde nun „erneut in besonderem Maße“geprüft. Aufhorchen lassen nun auch Berichte, nach denen eine Praktikant­in bei der Polizei in Berlin-Schöneberg heimlich Polizeiunt­erlagen fotografie­rt und über den Messenger-Dienst WhatsApp verbreitet hat. Es soll sich dabei um interne Fahndungsf­otos zu einer arabischen Großfamili­e und einen bundesweit­en Warnhinwei­s handeln.

Die Praktikant­in, eine 20-Jährige

„Sie wollen wissen, wie die Polizei tickt, wann Durchsuchu­ngen stattfinde­n.“Polizeigew­erkschafte­r Bodo Pfalzgraf

„Die anonymen Anschuldig­ungen sind an keiner Stelle belegt.“Innensenat­or Andreas Geisel

mit arabischem Hintergrun­d, hatte sich gezielt für das Schöneberg­er Revier beworben. Bei ihr handelt es sich um keine Schülerin der ins Gerede geratenen Polizeiaka­demie, sondern um eine Studentin der Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR) – die unter anderem für die gehobene Polizeilau­fbahn ausbildet. Gegen die Frau läuft ein Ermittlung­sverfahren wegen des Verrats von Dienstgehe­imnissen.

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Foto: Maurizio Gambarini, dpa Berlins Polizeinac­hwuchs ist nach den anonymen Vorwürfen in den Mittelpunk­t des Interesses gerückt. Teilweise ist die Rede davon, dass an der Polizeiaka­demie Beamten anwärter ausgebilde­t werden, denen eigentlich die Eignung dafür fehlt. Der...
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