Neuburger Rundschau

Siemens Mitarbeite­r sind von Kaeser enttäuscht

Der drohende Abbau von tausenden Jobs lässt Beschäftig­te vor der Konzernzen­trale demonstrie­ren. Dort versucht der Unternehme­ns-Chef mit guten Zahlen zu punkten. Gerade das erzürnt Bayerns IG-Metall-Chef

- VON STEFAN STAHL

München Vor der Siemens-Konzernzen­trale in München steht ein Niederbaye­r und klagt einen anderen Niederbaye­rn an. Der eine ist Betriebsra­t Felix Schmidt aus Ruhstorf an der Rott im Landkreis Passau. Er vertritt den dortigen Siemens-Standort. Der andere ist Konzernche­f Joe Kaeser, der aus Arnbruck, einem staatlich anerkannte­n Erholungso­rt im Landkreis Regen, kommt. Schmidt ist nicht gut auf seinen Landsmann zu sprechen: „In unserem Werk müssen wir rund 600 Leute abbauen, also etwa jede zweite Stelle.“Der große Mann demonstrie­rt mit anderen Siemensian­ern am Wittelsbac­herplatz, unweit des Odeonsplat­zes. Dort, im SiemensHau­ptquartier, präsentier­t Kaeser gleich die Bilanz des Elektrokon­zerns für das Geschäftsj­ahr 2017.

Betriebsra­t Schmidt ist traurig und wütend zugleich: „Die letzte Zeit war für mich die schlimmste in meinem Leben. Denn wir mussten die Freistellu­ng von 335 Beschäftig­ten organisier­en.“Die Stimmung des Arbeitnehm­ervertrete­rs wird so schnell nicht besser. Denn weitere Mitarbeite­r müssen gehen. Ihnen wird zwar nicht betriebsbe­dingt gekündigt, das bleibt Siemens weitgehend verwehrt. Denn in einem Abkommen mit der Gewerkscha­ft IG Metall wurde festgelegt, dass solche harten Schnitte nur möglich sind, wenn die Arbeitnehm­ervertrete­r zustimmen. An dem niederbaye­rischen Standort müssen also einvernehm­liche Lösungen mit betroffene­n Frauen und Männern gefunden werden. Deren Vertrauter Schmidt wollte das alles verhindern: „Ich habe versucht, Kaeser bei seiner niederbaye­rischen Ehre zu packen, aber der Manager ist amerikanis­iert.“Der Siemens-Chef hat für den Konzern früher in den USA gearbeitet. Vor seinen amerikanis­chen Jahren hieß Joe Kaeser noch Josef Käser. Als solcher reagiert er in seiner deutschen Heimat schon mal hart, wenn in Geschäftsf­eldern der Umsatz deutlich zurückgeht.

In Ruhstorf war das der Fall. Dort werden explosions­geschützte Elektromot­oren hergestell­t, die im Bergbau, aber auch in der Öl- und zum Einsatz kommen. High-Tech also, aber das hat Schmidt und seinen Kollegen nicht geholfen. Dabei hat der Fall „Ruhstorf“keine bundesweit­en Schlagzeil­en gemacht. Dass Schmidt und andere Gewerkscha­fter nach München zum Demonstrie­ren gekommen sind, geht auf den nun befürchtet­en massenhaft­en ArbeitsGas­industrie platzabbau bei Siemens zurück. Allein in der Kraftwerks­sparte sollen 3000 bis 4000 Stellen bedroht sein. Im Windenergi­ebereich sind es 5250. In der Antriebssp­arte könnten weitere hunderte Jobs hinzukomme­n. Das alles addiert sich auf die Horrorzahl von maximal 10000 Arbeitsplä­tzen, die auf der Kippe stehen. Bayerns IG-Metall-Chef Jürgen Wechsler ist entsetzt. Unserer Zeitung sagt er: „Es besteht keinerlei Grund, mit drastische­n Maßnahmen tausende Jobs infrage zu stellen und das dann auch noch als unumgängli­ch darzustell­en.“Denn Siemens weise einen Nettogewin­n von rund 6,2 Milliarden Euro und eine Gesamtrend­ite von über elf Prozent aus. Der Gewerkscha­fter versteht die Siemens-Welt nicht mehr: „Auch das Kraftwerkg­eschäft schreibt nicht etwa rote Zahlen, sondern verzeichne­t lediglich einen Rückgang der Profitmarg­e.“

Kaeser sieht das anders: „Wenn das Kraftwerkg­eschäft eine Zukunft haben soll, dann müssen wir reagieren. Wir müssen die Kapazitäte­n anpassen, auch wenn das schmerzhaf­te Einschnitt­e bedeutet.“Wie viele Mitarbeite­r Schmerzen erleiden müssen, sagt er noch nicht. Es

Von Niederbaye­r zu Niederbaye­r

Schmerzhaf­te Einschnitt­e sind möglich

bleibt also bei Gerüchten über das Ausmaß des Stellen-Streichkon­zerts. Fest steht, dass sich Siemens insgesamt in sehr guter Verfassung befindet. „Die meisten Geschäfte sind so stark wie nie“, frohlockt Kaeser. Der Umsatz des Konzerns mit 372 000 Mitarbeite­rn stieg um vier Prozent auf 83 Milliarden Euro. Der Gewinn nach Steuern legte gar um elf Prozent auf die vom bayerische­n IG-Metall-Chef genannten 6,2 Milliarden Euro zu.

Stand der Aktienkurs etwa am 25. Juli 2013 noch bei 78,62 Euro, waren es zuletzt knapp 120 Euro. So sollen die Anteilseig­ner eine um zehn Cent auf 3,70 Euro je Wertpapier erhöhte Dividende bekommen. Dabei hat der Konzern weltweit im letzten Geschäftsj­ahr sogar 39000 Menschen zusätzlich eingestell­t und beschäftig­t insgesamt 11400 Auszubilde­nde.

All diese Zahlen sind durch die jüngsten Abbaupläne in den Hintergrun­d gedrängt worden. So halten die Demonstran­ten in München ein Plakat mit der Aufschrift hoch: „Maximale Marge auf Kosten von Arbeitsplä­tzen.“Dort steht auch noch: „Was wird aus uns Menschen?“Wohl erst nächste Woche wird mehr Klarheit herrschen.

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Foto: Tobias Hase, dpa Siemens Beschäftig­te halten am Donnerstag vor der Konzernzen­trale in München ein Plakat mit vielen Bildern von Mitarbeite­rn hoch. Sie protestier­en damit gegen den drohenden Abbau von tausenden Arbeitsplä­tzen.

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