Neuburger Rundschau

Mensch oder Marge?

- VON STEFAN STAHL sts@augsburger allgemeine.de

Wirtschaft ist ein weites philosophi­sches Feld. Wer hat Vorrang, der Mensch oder die Marge? Der Erhalt von Arbeitsplä­tzen oder der Profit? Es liegt in der Natur der Sache, dass Arbeitgebe­r und Arbeitnehm­er dies oft anders sehen.

Gewerkscha­fter kämpfen für den Erhalt von Stellen, auch wenn eine Firma Umsatzeinb­rüche verzeichne­t. Manager – so will es die betriebswi­rtschaftli­che Logik – greifen hier als letztes Mittel zu Kündigunge­n. Das tun sie auch, um langfristi­g Kosten zu senken und zu verhindern, dass aus der Krise eine Pleite wird und alle arbeitslos sind.

Bei Siemens mit 372 000 Mitarbeite­rn stellt sich oft die Frage, ob Mensch oder Marge Vorrang haben. Konzernche­f Kaeser spricht von der „Balance zwischen dem Wünschensw­erten und dem Machbaren“. Dazwischen liege die Moral.

Derzeit hat Siemens ein dickes moralische­s Problem. Kaum einer versteht, dass der Riese Massenentl­assungen trotz Spitzen-Profit anstrebt. Da hilft es kaum, dass die Stellen in Bereichen gestrichen werden, in denen es weniger gut läuft. Um nicht ins ethische Abseits zu geraten, ist Kaeser gut beraten, Mitarbeite­rn, die in einer bestimmten Sparte nicht mehr gebraucht werden, an anderer Stelle im Konzern einen Job anzubieten. Dafür muss Siemens die Beschäftig­ten qualifizie­ren. Das ist Kaeser seiner Belegschaf­t schuldig. Nur so kann er sich aus dem derzeitige­n moralische­n Dilemma befreien.

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