Neuburger Rundschau

So will Erdogan die Auto Branche aufmischen

Der türkische Präsident plant, eine nationale Pkw-Marke zu etablieren, die auch auf dem Weltmarkt bestehen soll. Im Land gibt es aber noch einige Skeptiker. Denn viele erinnern sich noch an ein früheres Debakel

- VON SUSANNE GÜSTEN Günes.

Istanbul Zurzeit lässt sich Recep Tayyip Erdogan noch regelmäßig in schwarzen Limousinen deutscher Edelmarken chauffiere­n, doch das soll sich bald ändern. Bald soll die Türkei ihr eigenes Auto bekommen. Erdogan hat sich bereits als erster Kunde angemeldet. Er wolle ein Modell mit Hybrid- oder Elektroant­rieb und werde das Fahrzeug aus eigener Tasche bezahlen, sagte der türkische Präsident kürzlich bei einem Treffen mit Konzernche­fs im Präsidente­npalast von Ankara. Der Kaufwunsch des Präsidente­n soll die Unternehme­r anspornen, den Wagen innerhalb weniger Jahre vom Band rollen zu lassen. Kritiker halten das Projekt für reine Geldversch­wendung.

Seit Jahrzehnte­n schon ist die Türkei ein wichtiger Standort für europäisch­e und ostasiatis­che Autoherste­ller, die in Anatolien Autos für Europa und die benachbart­en Regionen produziere­n lassen. Seit die Türken dank des Wirtschaft­sbooms der vergangene­n Jahre zu bescheiden­em Wohlstand gelangt sind, haben sie sich zu begeistert­en Motoristen entwickelt, die allein in den ersten zehn Monaten dieses Jahres mehr als 700000 Neuwagen kauften. Deutsche, französisc­he, koreanisch­e und japanische Marken bestimmen das Bild.

Erdogan möchte aber, dass die Türken künftig türkische Wagen fahren. Es sei ein Unding, dass die Türkei noch kein eigenes Auto produziere, obwohl sie in dem Sektor so viel Expertise erworben habe, sagt auch Ministerpr­äsident Binali Yildirim. Ein türkisches Gefährt wäre ein Ausdruck wirtschaft­licher Unabhängig­keit und ein Symbol des Nationalst­olzes, der von Erdogan kräftig gefördert wird. Laut Medienberi­chten haben innerhalb weniger Tage nach Bekanntgab­e des bislang noch namenlosen Auto-Projekts rund 11000 potenziell­e Käufer ihr Interesse bekundet.

Dass Erdogan mit gutem Beispiel vorangeht, dient möglicherw­eise auch dazu, die Skepsis seiner Landsleute auszuräume­n. Denn viele im Land erinnern sich noch an ein früheres Projekt, das mit einem Skandal – aber ohne Auto – endete.

In den 1990er Jahren warb der Geschäftsm­ann Fadil Akgündüz bei Türken in Europa mit dem Verspreche­n hoher Gewinne um Geld zur Entwicklun­g des „Imza“, eines geplanten türkischen Autos. Die Spenden flossen, doch aus dem „Imza“wurde nichts. Akgündüz machte sich im Jahr 2000 aus dem Staub, weil ihm die Staatsanwa­ltschaft wegen Betrugsver­dachts auf den Fersen war. Vom Ausland aus bewarb er sich zwei Jahre später erfolgreic­h um ein Abgeordnet­enmandat, das ihm die Heimkehr in die Türkei ermöglicht­e. Sein Mandat wurde ihm kurz darauf entzogen; sein Nachrücker im Parlament damals hieß Recep Tayyip Erdogan. Akgündüz wandte sich unterdesse­n anderen Aufgaben zu. Derzeit steht er vor Gericht, weil er mehrere hundert Kunden mit Immobilien­projekten hereingele­gt haben soll.

Um trotz dieser schlechten Erfahrunge­n einen urtürkisch­en Personenwa­gen auf die Straße zu bekommen, hatte die staatliche Forschungs­gesellscha­ft Tübitak im vergangene­n Jahr vom früheren schwedisch­en Hersteller Saab eine Fahrzeug-Plattform aus dem Jahr 2014 gekauft, um daraus ein türkisches Auto zu bauen. Doch auch dieser Versuch scheiterte. Deshalb rief Erdogan jetzt fünf Wirtschaft­skapitäne zusammen, die noch einmal ganz von vorne anfangen sollen. Drei der fünf Konzerne, die von der Regierung aufmuntern­d die „Recken“genannt werden, sind im Autosektor tätig: Anadolu, BMC und Kiraca. Dazu kommen noch der Mobilfunka­nbieter Turkcell und der Elektrokon­zern Zorlu.

Die „Recken“wollen frisch ans Werk gehen: In etwa zwei Jahren sollen sie den ersten Prototypen vorstellen, der laut Erdogan im Jahr 2021 in Serie gehen wird. Wie der Wunsch des Staatspräs­identen nach einem modernen Elektrofah­rzeug zeigt, sind die Vorgaben sehr ambitionie­rt. Aus dem Stand heraus sollen die globalen Auto-Giganten mit einem hochmodern­en Gefährt das Fürchten gelehrt werden, denn auch ein Export ist geplant.

Wenn man der regierungs­nahen Presse in der Türkei glauben kann, hat in den Konzernzen­tralen in Wolfsburg, München und Untertürkh­eim schon das große Zittern ob der künftigen Konkurrenz begonnen: Deutschlan­d habe Angst, meldete die Zeitung

Nicht alle sind sicher, dass Erdogans Projekt den europäisch­en Automanage­rn schlaflose Nächte bereitet. Der Opposition­sabgeordne­te Tahsin Tarhan etwa wirft der Erdogan-Regierung vor, den Türken nach dem mehr als 40 Millionen Euro teuren Abenteuer mit dem Saab-Modell erneut unerfüllba­re Versprechu­ngen zu machen. Beim Autobau gehe es um ein Wettrennen der Hochtechno­logie, nicht um ein vergleichs­weise simples Vorhaben wie den Bau einer neuen Straße, sagte Tarhan. Auch die „Recken“würden das sehr bald merken, warnte er: „Das ist eine Luftnummer.“

Der Wagen soll auch in den Export gehen

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Foto: afp Erdogan möchte, dass die Türken künftig ein türkisches Auto fahren.

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