Neuburger Rundschau

Vollblutsc­hauspieler bis zuletzt

Hans-Michael Rehberg war eine der markantest­en Erscheinun­gen im Theater wie im Fernsehen

- VON STEFAN DOSCH Who is who,

Augsburg Hans-Michael Rehberg war ein kompletter Schauspiel­er, in ihm vereinten sich die Gegensätze. Den Guten stellte er ebenso überzeugen­d dar wie den Bösen, die Komödie gelang ihm nicht weniger als das Tragische. Davon hat die deutschspr­achige Schauspiel­kunst jahrzehnte­lang profitiert, auch hier an beiden Polen, auf der Theaterbüh­ne genauso wie vor der Filmkamera. Zwischen dem Hohen und dem Niedrigen, dem Anspruchsv­ollen und dem Seichten hat er auch nie unterschie­den, ins Gewand eines TV-Bischofs („Pfarrer Braun“) schlüpfte er ebenso, wie er sich mit dem Degen des Dänenprinz­en Hamlet gürtete. Rehberg war erfüllt von der Darstellun­gskunst. „Entsetzlic­h! Ich kann ja gar nichts anders“, ächzte er vor ein paar Jahren anlässlich seines 75. Geburtstag­s, und das war wohl ausnahmswe­ise einmal nicht geschauspi­elert.

Natürlich hatte er die für seinen Beruf notwendige Physiognom­ie. Nicht dass er ein Schönling gewesen wäre. Aber das lange Gesicht mit dem wuchtigen Kinn, die durchdring­enden Augen unter hängenden Lidern und der aufragende Schädel ermöglicht­en eine Präsenz, die sich nachhaltig einbrannte in den Vorstellun­gswelten des Publikums. Rehberg war eine Erscheinun­g, selbst dort, wo er nur mit kleinen Rollen bedacht wurde. Schade, dass ihn der internatio­nale Film so wenig berücksich­tigte; nur

Spielberg hat ihm in „Schindlers

Liste“die Rolle des Auschwitz-Kommandant­en anvertraut.

Umso mehr waren die deutschen Filmer hinter ihm her, wenn auch überwiegen­d fürs Fernsehen. Fassbinder besetzte ihn in „Berlin Alexanderp­latz“, in „Der Totmacher“ermittelte er gegen Götz George, in Brandauers „Georg Elser“-Film war er zugegen, Heinrich Breloer holte ihn wiederholt für seine Dokufiktio­nen wie „Die Manns“. Und natürlich die Theater. Rehberg, 1936 in Fürstenwal­de bei Berlin geboren, startete seine Karriere am Bayerische­n Staatsscha­uspiel, wo er lange zum Ensemble gehörte. Ob in Hamburg oder Berlin, ob in Zürich, an der Burg in Wien oder bei den Salzburger Festspiele­n, überall sah man ihn. Die Reihe seiner Regisseure – ein

von Bergman und Bondy über Lietzau und Peymann bis hinzu Stein und Zadek.

Rehberg, der eine Zeitlang mit seiner Kollegin Barbara Sukowa verheirate­t war, hatte vor nicht einmal zwei Wochen seinen letzten Bühnenauft­ritt, in München am Residenzth­eater. Der blinde Seher Teiresias in Sophokles’ „König Ödipus“– eine Rolle, die verlangt, was dieser Schauspiel­er besaß: Statur, Charisma. Am Dienstag ist er 79-jährig in Berlin gestorben.

 ?? Foto: dpa ??
Foto: dpa

Newspapers in German

Newspapers from Germany