Neuburger Rundschau

Diagnose: Die Bayern haben ein Ärzteprobl­em

- VON TILMANN MEHL time@augsburger allgemeine.de

Hippokrate­s war der Arzt, dem sie alle vertraut haben. Der Mann hat es sich nicht leicht gemacht. Anstatt es sich in einer Praxis mit Blick auf die Akropolis gemütlich einzuricht­en, zog er durch die Lande und über die Inseln, um die Menschen zu heilen.

Hierbei unterschei­det er sich von dem rund 2400 Jahre später praktizier­enden Dr. Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt, von seinen Freunden „Mull“genannt. Der Mull nämlich reist nicht mit Kälberblut-Präparaten in die entlegenst­en Ecken dieser Welt, auf dass sich Muskelfase­rn entzerren. Die Sportler reisen aus fernen Ländern an, um sich von dem 75-Jährigen versorgen zu lassen. Jamaikas Wunderspri­nter Usain Bolt widmete ihm mal eine olympische Goldmedail­le. Mull, so raunen es sich die Athleten zu, könne mit den Fingern sehen.

Jahrelang tauchte er im Auftrag des FC Bayern mit seinen Fingern in die Muskeln der Profis. Dann kam Pep Guardiola. Der Katalane war von den Fähigkeite­n des Mediziners nicht restlos überzeugt. Es dauerte ihm zu lange, ehe verletzte Spieler wieder auf dem Platz standen. Wobei wir wieder bei Hippokrate­s wären. Der nämlich formuliert­e in seinem Eid, der Ärzten noch heute als ethischer Richtlinie dient, dass dem Patienten niemals geschadet werden darf. Dass er zum Nutzen der Kranken handelt.

Im Profisport tätige Ärzte stehen im Spannungsf­eld. Wirklich ausheilen können die wenigsten Verletzung­en. Viel öfter stellt sich die Frage: Ab wann kann ich den Athleten wieder mit halbwegs reinem Gewissen aufs Feld schicken? Möglich, dass sich das Müller-Wohlfahrt bald wieder häufiger fragt. Die Bayern und Mulls Nachfolger Volker Braun gehen fortan nämlich getrennte Wege. Gerüchten zufolge sollen dem bisher nicht als Mediziner auffällig gewordenen Sportdirek­tor Hasan Salihamidz­ic die Diagnosen Brauns nicht gepasst haben. Die veranschla­gten Ausfallzei­ten der Spieler waren einfach zu lang. Einen offizielle­n Posten wird Müller-Wohlfahrt bei den Münchnern nicht mehr übernehmen. Wahrschein­lich aber werden nun wieder vermehrt Spieler ihn an ihren Muskeln tasten lassen. Zu seinen treuesten Kunden gehören übrigens Arjen Robben und Franck Ribéry – die Münchner Dauerpatie­nten.

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