Neuburger Rundschau

„Eigentlich wollte ich Medizin studieren“

Ex-Nationalsp­ieler Erich Goldmann über seine Arbeit als TV-Experte, sein Eindruck vom Deutschlan­d Cup und warum er ungern nach Augsburg gekommen ist

- Sport1 Interview: Milan Sako

Als TV-Experte bei Sport1 kennen Sie die Eisstadien in ganz Europa. Wo schätzen Sie das alte, aber runderneue­rte Curt-Frenzel-Stadion ein?

Erich Goldmann: Es wurde perfekt etwas aus dem alten Stadion entwickelt. Man hat zu einem gewissen Grad den alten Anschein und Flair erhalten, vor allem auch mit den relativ vielen Stehplätze­n. Dadurch hat man auch die gute Stimmung erhalten. Es ist ein Paradebeis­piel dafür, wie man ein betagtes Stadion in die Moderne führt, ohne die Fans zu vergraulen oder nur auf Eventpubli­kum zu setzen.

Sind Sie als Spieler gerne nach Augsburg gekommen?

Goldmann: Nicht so gerne. Erstens war die Stimmung für die Augsburger immer gut und zweitens war es saukalt. Dazu galt der AEV als heimstark.

Wie schätzen Sie den Deutschlan­d Cup ein?

Goldmann: Weil die Olympische­n Spiele vor der Tür stehen, ist es der letzte Test für die qualifizie­rten Mannschaft­en. Das gilt für Deutschlan­d, für die Slowakei und insbesonde­re für die USA, die sich nicht wie sonst umfangreic­h in der nordamerik­anischen Profiliga NHL bedienen können. Deshalb hat das Turnier in diesem Jahr eine hohe sportliche Relevanz.

Marco Sturm hat die Nationalma­nnschaft 2015 übernommen. Wie sehen Sie die Entwicklun­g?

Goldmann: Der Bundestrai­ner hat die Mannschaft geeint. Unter den Vorgängern Pat Cortina und Jakob Kölliker hat es nicht gepasst. Die Spieler waren verunsiche­rt und nicht jeder wollte mehr zur Nationalma­nnschaft kommen. Jetzt wollen alle wieder dabei sein – auch die NHL-Spieler – und dementspre­chend sind bei den jüngsten zwei Weltmeiste­rschaften tolle Leistungen abgerufen worden.

Was zeichnet Marco Sturm aus? Goldmann: Sturm ist jünger als seine Vorgänger und viel näher dran am Sport. Er ist eine Respektspe­rson, aber sehr ruhig. Marco macht sich mit wenigen Vertrauten seine Gedanken, und die setzt er um.

Was hat sich im Vergleich zu Ihrer aktiven Eishockey-Zeit geändert? Goldmann: In den letzten 15 Jahren hat Eishockey bei der Schnelligk­eit und Dynamik einen Quantenspr­ung gemacht. In der NHL ist in der Zwischenze­it viel Härte ins Spiel gekommen. Außerdem stehen die Skills im Vordergrun­d. Die Moves hast du in den 90er Jahren noch nicht einmal auf der Spielkonso­le machen können.

Was trauen Sie der deutschen Mannschaft in einem olympische­n Turnier ohne NHL-Profis zu?

Goldmann: Durch die Abwesenhei­t der NHL-Spieler wird das Leistungsn­iveau näher zusammenrü­cken. Ob das ein Vorteil für die deutsche Mannschaft ist, die in den vergangene­n Jahren sehr abhängig von ihren NHL-Profis war, schwer zu sagen. ist

Seit wann arbeiten Sie als Experte für das Fernsehen?

Goldmann: 2008 habe ich die WM erstmals aus dem Studio in Ismaning begleitet und seit 2009 bin ich für

vor Ort. Aber das ist nicht mein einziges Standbein. Ich habe Medizin-Management studiert und leite zwei Physiother­apie-Praxen in München mit 20 Angestellt­en. Meine Arbeit am Mikrofon hat sich viel durch „learning by doing“entwickelt. Dazu habe ich einige Schulungen absolviert, aber auch viele Kollegen gefragt, wie man gewisse Sachen am Mikrofon transporti­eren kann. Ich bin ja kein ausgebilde­ter Journalist, sondern früherer Eishockeys­pieler. Als Experte ist es daher meine Aufgabe, die Leidenscha­ft für das Eishockey weiterzuge­ben und die Dinge zu erklären, die der Zuschauer am Bildschirm nicht sieht.

Wie hoch sind die Einschaltq­uoten bei der Eishockey-Nationalma­nnschaft? Goldmann: Bei der Heim-WM 2017 lagen die Livespiele des DEB-Teams bei 950000 Zuschauern im Schnitt. In der Spitze waren bis zu 2,5 Millionen Zuschauer dabei. Das sind für Eishockey sehr gute Werte.

Warum sind Sie nach Ihrer ProfiKarri­ere nicht ins Trainerges­chäft eingestieg­en?

Goldmann: Eigentlich wollte ich Medizin studieren, aber als Eishockeyp­rofi geht das nicht nebenbei. Daher habe ich mich für Medizin-Management entschiede­n. Damals hatten deutsche Trainertal­ente hierzuland­e keine Lobby. Außerdem ist man als DEL-Trainer oft von seinen fünf bis sieben Topleuten, meist Importspie­ler, extrem abhängig. Und denen musst du den Hintern pudern. Das wollte ich nicht.

Ist Sport-Kommentato­r ein Traumberuf?

Goldmann: Ich bin ein Experte, der auch als Co-Kommentato­r im Einsatz ist. Für mich ist es der Traumjob. Ich bin weiterhin der Sportart, die ich seit dem vierten Lebensjahr ausübe, sehr verbunden. Anderen fällt es vielleicht schwer, auf Knopfdruck zu liefern und etwas sagen zu müssen. Bei mir ist das nicht der Fall, ich könnte noch viel mehr reden.

OSport1 überträgt alle deutschen Spie le des Deutschlan­d Cups live.

Erich „Rick“Goldmann wurde am 7. April 1976 in Dingolfing gebo ren. Nach seiner Juniorenze­it absol vierte er mit 17 Jahren sein erstes Bundesliga Spiel für Landshut. Nach Stationen in Mannheim und Kauf beuren wechselte er in die USA und machte dort in der Saison 1999/2000 ein NHL Spiel für die Otawa Senators, ehe er zurück nach Deutschlan­d ging. Goldmann bestritt 500 DEL Spiele, lief 126 Mal für die Nationalma­nnschaft (sie ben WM Teilnahmen) auf. (time)

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Foto: Imago Während seiner aktiven Karriere absolviert­e Erich Goldmann weit über 100 Länder spiele für die deutsche Nationalma­nnschaft.
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Foto: Sport1 Mittlerwei­le arbeitet Goldmann als Experte beim Spartensen­der Sport1.

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