Von Schamanen, Nazis und Frutariern
Martin Großmann beleuchtet schonungslos die Schwächen des Menschen und schlüpft dabei in verschiedene Rollen
Rennertshofen Mit seinem neuen Programm „Krafttier Grottenolm – b´scheissn derns alle“kam der Kabarettist Martin Großmann bei den Besuchern der Rennertshofener Kleinkunstbühne bestens an. Großmann begeisterte seine Zuhörer mit seiner schauspielerischen Wandlungsfähigkeit ebenso wie mit seiner messerscharfen und schonungslosen Analyse menschlicher Eigenheiten und Schwächen.
Mühelos schlüpft er in die verschiedensten Rollen und gibt dabei köstliche Proben seines Sprach- und Dialekttalents. Mal poltert und grunzt er als Glyphosat spritzender Bauer im breiten, fast nicht mehr verständlichen Niederbayerisch, mal trägt er als lüsterner Schamane mit Wiener Schmäh kräftig auf, mal lässt er im schnoddrigen Ruhrpott-Slang das Nazi-Schwein raus. Weltfremdheit, Falschheit, Verlogenheit und Egoismus, Intoleranz und Rassismus feiern fröhliche Urständ auf dem niederbayerischen Greindobler-Hof, der „Elements Farm“, wohin Großmann sein Publikum mitnimmt.
Dort ist er als „Andi“auf der Suche nach einer neuen Lebensform zusammen mit seinem Sohn Maxi eingezogen. Ausgerechnet er, der Fleischesser, zusammen mit Vegetariern, Veganern und Frutariern! Gerade die Letzteren, die Fallobstesser, seien doch die Dümmsten von allen, denn sie stünden wochenlang am Himbeerstrauch und warteten, bis sich die Beere freiwillig ergäbe. Oder ist das schon Kindesentführung? Mit auf dem Hof ist auch der Wiener Schamane Karl, der seine Matura in Schamanismus bei Sitting Bull gemacht hat und nach hundert Schlägen auf der Trommel zu jedem Krafttier Kontakt aufnehmen kann. Er hat aber auch ein Auge auf Elsbeth geworfen, die sich nach mehr als vier Monaten Pflege über ihre erste geerntete Tomate freut und das Ereignis mit einem Klangschalenfest feiern will, aber noch gar nicht realisiert hat, dass das ihre einzige Abendmahlzeit sein wird. Doch Karl spürt schon, dass die karnische Verbindung zu Elsbeth die Energie besonders in seine Leistengegend leitet, während ein Alt-Nazi aus dem Ruhrpott ganz andere Sorgen hat. „Heute wollen wir marschier’n“singt er und sieht selbst in schwarzen Eichhörnchen Gefahr für das Deutschtum. Er fordert Einreisestopp für afrikanisches Schwarzwild und plädiert für reinrassiges Rotwild in deutschen Wäldern.
Glück durch Reduktion, also Konsumverzicht, lautet die Devise auf dem Hof. Doch darf man einem g’standenen Mannsbild und Metzgersohn seine geliebte Leberkässemmel und seinen Akkubohrer vorenthalten – noch dazu wenn das Gerät mit 99 Zubehörteilen ausgestattet ist, und damit allein schon das Maß von 100 persönlichen Dingen erfüllt ist, die die Mitglieder auf den Selbstversorgerhof mitbringen dürfen? Zum Glück lassen sich Jürgen und Regina, die dort das Sagen haben und von jedem neuen Bewohner 20000 Euro quasi als Eintrittsgeld kassieren, erweichen und erkennen den Akkubohrer samt Zubehörpaket als ein Teil an. Dass sie später mit samt dem ganzen Geld abhauen und den Hof ausgerechnet an Andis Exfrau Sibylle verscherbeln, die darauf ein Wellnesszentrum samt Golfplatz stellen will, konnte ja keiner ahnen. Nur der Richard hat den beiden nie getraut und auf eine notarielle Beurkundung der Geldeinlagen gedrängt. Doch schließlich bezahlt er seine lauten Bedenken und seine Bereitschaft, syrische Flüchtlinge auf dem Hof aufzunehmen, mit seinem Leben, als er ausgerechnet beim Yoga in eine Heugabel fällt, an deren Stielende Regina die Hände dran hatte. Auch Sohn Maxi hat so seine Probleme: Mutter Sibylle weilt als Vorstandsmitglied eines Dax-Unternehmens in Frankfurt. „Du zahlst 16 000 im Monat und ich nehme das Kind“, hat Andi mit ihr vereinbart. Aber der arme Bub spielt nur auf seinem Handy und weiß nicht, wie er sich unter all den ausgeflippten Leuten die Zeit vertreiben soll. Ziegen füttern allein reicht halt nicht und mit seinem Freund Walmut klappt es auch nicht so. Dessen Fundamentalveganer-Eltern geben dem Burschen ein eigenes Essenspaket mit, wenn er auf eine Geburtstagsfeier geht und während die anderen Kinder Würstl schnappen, knabbert Walmut am glutenfreien Bärlauchknäcker. Außerdem plagen Andi Sorgen, dass sich Maxi mehr für das männliche als für das weibliche Geschlecht interessieren könnte. Im Grunde habe er nichts gegen Schwule, redet er sich ein, doch nach einem Telefonat mit dem schwulen Freund Torsten in Berlin sieht er die Sache anders: Ausgerechnet jetzt, als er nach dem Ende der Hofgemeinschaft zu ihm für acht Wochen nach Berlin ziehen will, blockiert er und genehmigt nur zwei Wochen. Ob die kurze Zeit reicht, um das neue Geschäftsmodell, einen schamanischen Wildschweinladen, auf die Beine zu bringen? Dort sollen Maxi-Wildschwein-Dinkelburger mit kostenloser Krafttierbestimmung angeboten werden. Sein Freund Karl verrät Andi, dass er den Grottenolm als Krafttier hat. Da fragt man sich doch: Welches Krafttier hat dann der Akkubohrer?