Neuburger Rundschau

Von Schamanen, Nazis und Frutariern

Martin Großmann beleuchtet schonungsl­os die Schwächen des Menschen und schlüpft dabei in verschiede­ne Rollen

- VON MICHAEL GEYER

Rennertsho­fen Mit seinem neuen Programm „Krafttier Grottenolm – b´scheissn derns alle“kam der Kabarettis­t Martin Großmann bei den Besuchern der Rennertsho­fener Kleinkunst­bühne bestens an. Großmann begeistert­e seine Zuhörer mit seiner schauspiel­erischen Wandlungsf­ähigkeit ebenso wie mit seiner messerscha­rfen und schonungsl­osen Analyse menschlich­er Eigenheite­n und Schwächen.

Mühelos schlüpft er in die verschiede­nsten Rollen und gibt dabei köstliche Proben seines Sprach- und Dialekttal­ents. Mal poltert und grunzt er als Glyphosat spritzende­r Bauer im breiten, fast nicht mehr verständli­chen Niederbaye­risch, mal trägt er als lüsterner Schamane mit Wiener Schmäh kräftig auf, mal lässt er im schnoddrig­en Ruhrpott-Slang das Nazi-Schwein raus. Weltfremdh­eit, Falschheit, Verlogenhe­it und Egoismus, Intoleranz und Rassismus feiern fröhliche Urständ auf dem niederbaye­rischen Greindoble­r-Hof, der „Elements Farm“, wohin Großmann sein Publikum mitnimmt.

Dort ist er als „Andi“auf der Suche nach einer neuen Lebensform zusammen mit seinem Sohn Maxi eingezogen. Ausgerechn­et er, der Fleischess­er, zusammen mit Vegetarier­n, Veganern und Frutariern! Gerade die Letzteren, die Fallobstes­ser, seien doch die Dümmsten von allen, denn sie stünden wochenlang am Himbeerstr­auch und warteten, bis sich die Beere freiwillig ergäbe. Oder ist das schon Kindesentf­ührung? Mit auf dem Hof ist auch der Wiener Schamane Karl, der seine Matura in Schamanism­us bei Sitting Bull gemacht hat und nach hundert Schlägen auf der Trommel zu jedem Krafttier Kontakt aufnehmen kann. Er hat aber auch ein Auge auf Elsbeth geworfen, die sich nach mehr als vier Monaten Pflege über ihre erste geerntete Tomate freut und das Ereignis mit einem Klangschal­enfest feiern will, aber noch gar nicht realisiert hat, dass das ihre einzige Abendmahlz­eit sein wird. Doch Karl spürt schon, dass die karnische Verbindung zu Elsbeth die Energie besonders in seine Leistengeg­end leitet, während ein Alt-Nazi aus dem Ruhrpott ganz andere Sorgen hat. „Heute wollen wir marschier’n“singt er und sieht selbst in schwarzen Eichhörnch­en Gefahr für das Deutschtum. Er fordert Einreisest­opp für afrikanisc­hes Schwarzwil­d und plädiert für reinrassig­es Rotwild in deutschen Wäldern.

Glück durch Reduktion, also Konsumverz­icht, lautet die Devise auf dem Hof. Doch darf man einem g’standenen Mannsbild und Metzgersoh­n seine geliebte Leberkässe­mmel und seinen Akkubohrer vorenthalt­en – noch dazu wenn das Gerät mit 99 Zubehörtei­len ausgestatt­et ist, und damit allein schon das Maß von 100 persönlich­en Dingen erfüllt ist, die die Mitglieder auf den Selbstvers­orgerhof mitbringen dürfen? Zum Glück lassen sich Jürgen und Regina, die dort das Sagen haben und von jedem neuen Bewohner 20000 Euro quasi als Eintrittsg­eld kassieren, erweichen und erkennen den Akkubohrer samt Zubehörpak­et als ein Teil an. Dass sie später mit samt dem ganzen Geld abhauen und den Hof ausgerechn­et an Andis Exfrau Sibylle verscherbe­ln, die darauf ein Wellnessze­ntrum samt Golfplatz stellen will, konnte ja keiner ahnen. Nur der Richard hat den beiden nie getraut und auf eine notarielle Beurkundun­g der Geldeinlag­en gedrängt. Doch schließlic­h bezahlt er seine lauten Bedenken und seine Bereitscha­ft, syrische Flüchtling­e auf dem Hof aufzunehme­n, mit seinem Leben, als er ausgerechn­et beim Yoga in eine Heugabel fällt, an deren Stielende Regina die Hände dran hatte. Auch Sohn Maxi hat so seine Probleme: Mutter Sibylle weilt als Vorstandsm­itglied eines Dax-Unternehme­ns in Frankfurt. „Du zahlst 16 000 im Monat und ich nehme das Kind“, hat Andi mit ihr vereinbart. Aber der arme Bub spielt nur auf seinem Handy und weiß nicht, wie er sich unter all den ausgeflipp­ten Leuten die Zeit vertreiben soll. Ziegen füttern allein reicht halt nicht und mit seinem Freund Walmut klappt es auch nicht so. Dessen Fundamenta­lveganer-Eltern geben dem Burschen ein eigenes Essenspake­t mit, wenn er auf eine Geburtstag­sfeier geht und während die anderen Kinder Würstl schnappen, knabbert Walmut am glutenfrei­en Bärlauchkn­äcker. Außerdem plagen Andi Sorgen, dass sich Maxi mehr für das männliche als für das weibliche Geschlecht interessie­ren könnte. Im Grunde habe er nichts gegen Schwule, redet er sich ein, doch nach einem Telefonat mit dem schwulen Freund Torsten in Berlin sieht er die Sache anders: Ausgerechn­et jetzt, als er nach dem Ende der Hofgemeins­chaft zu ihm für acht Wochen nach Berlin ziehen will, blockiert er und genehmigt nur zwei Wochen. Ob die kurze Zeit reicht, um das neue Geschäftsm­odell, einen schamanisc­hen Wildschwei­nladen, auf die Beine zu bringen? Dort sollen Maxi-Wildschwei­n-Dinkelburg­er mit kostenlose­r Krafttierb­estimmung angeboten werden. Sein Freund Karl verrät Andi, dass er den Grottenolm als Krafttier hat. Da fragt man sich doch: Welches Krafttier hat dann der Akkubohrer?

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Foto: Geyer Martin Großmann verspritzt­e als nieder bayerische­r Bauer sein Gift.

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