„Wie ein Tsunami auf einem Quadratmeter“
Die Diagnose Krebs trifft Menschen oft mit voller Wucht. Wie ein Leben danach dennoch gelingen kann, wurde am Wochenende in Neuburg deutlich. Und, dass das Leben trotz allem nicht nur aus Traurigkeit besteht
Neuburg „Was machen denn die Männer und Frauen in den Hasenkostümen da?“, wird sich der ein oder andere Besucher beim Auftakt der Thementage „Leben mit Krebs“im Bürgerhaus Ostend gefragt haben: „Mit Fasching hat das nichts zu tun, auch wenn heute der 11.11. ist“, erklärte Andreas GroßHardt, der Vorsitzende bei der Streetbunnycrew.
Seit mehreren Jahren sind er und seine Mitstreiter auf ihren Motorrädern in ganz Deutschland unterwegs und sammeln Spenden für alle, „die nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen“. 125000 Euro sind so in den vergangenen viereinhalb Jahren zusammengekommen, die an karitative Projekte ausgeschüttet wurden. Rosa Kostüme tragen die Männer, weiße die Frauen. „Es ist so etwas wie unsere Arbeitskleidung“, lachte Groß-Hardt, denn so könne man die Aufmerksamkeit der Leute gewinnen. Alle „Streetbunnys“arbeiten ehrenamtlich, opfern ihre Freizeit für den guten Zweck. Gerne haben er und seine Vereinsmitglieder daher auch die Schirmherrschaft für die Veranstaltung übernommen.
Zum mittlerweile sechsten Mal wurden nun die Thementage von der „Selbsthilfegruppe für Menschen mit Krebs und nach Krebserkrankung“in Neuburg veranstaltet. „Wir möchten alle Menschen, die krebskrank sind, ermutigen, sich an uns zu wenden“, sagte Roman Schiele, der Vorsitzende der Selbsthilfegruppe. Denn der gegenseitige Austausch von Betroffenen sei sehr wichtig. „Wir möchten allen Halt geben, gerade denen, die mittendrin stecken“, sagte er. „Außerdem sind wir eine lustige Truppe, es lohnt sich, bei uns vorbeizuschauen, denn das Leben besteht nicht nur aus Traurigkeit.“
Auch Angelika Sonhütter von der Selbsthilfegruppe, die zuständig für die Organisation ist, freute sich über das breite Angebot, die vielen Fachvorträge und die vielen Aussteller, die sie den Besuchern präsentieren konnte. Informieren konnte man sich beispielsweise über die Leistungen von Heilpraktikern bei Krebserkrankungen, Friseurin Manuela Wittek zeigte modische Perücken, Ärzte und Biologen referierten über neue Erkenntnisse aus der Medizin. Und dann gab es auch Angebote, die „einfach der Seele guttun“, wie Sonhütter erklärte, etwa eine Klangschalenmassage.
Oberbürgermeister Bernhard Gmehling betonte ebenfalls die Wichtigkeit der Thementage. „Die Veranstaltung und das Engagement der Selbsthilfegruppe sind sehr wichtig für die Stadtgemeinschaft und alle Betroffenen“, erklärte er. Gegenseitige Unterstützung und Austausch seien enorm wichtig für Betroffene. „Sie bieten damit die so dringend notwendige Hilfe zur Selbsthilfe“, sagte er mit Blick auf die Organisatoren der Thementage.
Wie bedeutend das Thema Krebs in der Gesellschaft ist, erklärte auch Claudia Reuthlinger von der Psychosoziale Krebsberatungsstelle Ingolstadt. Rund 200 Selbsthilfegruppen, darunter auch die Neuburger, haben sich mittlerweile der Bayerischen Krebsgesellschaft angeschlossen. Die Diagnose Krebs verändere das Leben grundlegend, erklärte Reuthlinger. Eine ihrer Klientinnen in der Beratungsstelle erklärte, diese Diagnose mitgeteilt zu bekommen, fühle sich an „wie ein Tsunami auf einem Quadratmeter“, sagte Reuthlinger. Gefühle von Ohnmacht, von Hilflosigkeit strömten nicht selten auf die Betroffenen ein. Doch bei allen Ängsten könne eine solch prägende Erfahrung auch „zu tieferen Begegnungen“einladen. Denn oft ordnen Erkrankte und wieder Genesene ihr Leben neu, überlegten was ihnen wichtig ist und überdachten den Alltag grundlegend.