Der König der Gruselgeschichten
Das Jugendtheater des Volkstheaters gestaltet einen unterhaltsamen Edgar-Allen-Poe-Abend. Wer überzeugte
Neuburg Eine schaurige Novembernacht, draußen ist es kalt und der Wind peitscht Regen und Blätter um die Box 15, die neue Bühne des Neuburger Volkstheaters hinter dem Landratsamt. Drinnen geben sie Edgar Allen Poe. Der König der Horror- und Gruselgeschichten mag vor 168 Jahren verstorben sein, aber auch heute noch jagen seine Geschichten den Zuschauern kalte Schauer über den Rücken. Den jüngsten Beweis dafür lieferte das Jugendtheater im Neuburger Volkstheater mit seiner Interpretation von vier Kurzgeschichten und zwei Gedichten des großen Meisters.
Die Regisseurinnen Lucie Schafferhans und Judith Titze wählten einige der bekanntesten Werke des Autors, zum Auftakt erklang sein Gedicht „Der Rabe“. Sebastian Englschall, der als leibhaftiger Edgar Allen Poe bravourös durch den Abend führte, interpretierte dabei die erzählenden Passagen des Gedichts, während Julia Friedrich und Susanne Ilchmann der inneren Handlung Leben einhauchten. Sehr gut gelingt hier vor allem der Rabe, der einem trauernden jungen Mann in einer stürmischen Nacht ins Haus flattert und diesen in Verzweiflung stürzt durch seine düstere Antwort „Nimmermehr“auf alle hoffnungsvollen Fragen des Hausherrn. Ihr Konflikt spitzt sich immer weiter zu und kulminiert schließlich mit der Einsicht des Erzählers: „Und mein Geist wird aus dem Schatten, den er breitet um mich her, sich erheben – nimmermehr.“
In der Kurzgeschichte „Das ovale Portrait“zeigten die Jungschauspieler, was passiert, wenn ein Künstler sich in seiner Arbeit verliert. Während er seine Geliebte porträtiert, entzieht er ihr gleichzeitig und unbemerkt ihren Lebenssaft. Als er endlich von seinem Werk aufblickt, liegt sie tot vor ihm.
Es folgte erneut ein Klassiker: „Das verräterische Herz“. Der Pfleger Edward (Christoph Lenhart) ist wie besessen vom Auge seines Chefs Mr. Wellington (Nicolas Runkel). Über dessen Augapfel spannt sich ein dünnes Häutchen, was ihm ein geiergleiches Aussehen verleiht. Nachdem er ihn umgebracht und vermeintlich das perfekte Verbrechen begangen hat, macht ihm aber sein Gewissen einen Strich durch die Er meint, das Herz des unter den Dielen verscharrten unablässig schlagen zu hören und gesteht der Polizei sein Verbrechen, obwohl diese ihn nicht im Geringsten verdächtigt hatte.
Nachdem mit „Annabel Lee“wieder ein Gedicht erklungen war, zeigte Christoph Kessler in „Die Grube und das Pendel“eine beeindruckende Leistung. Er fängt die Verzweiflung und Panik des Gefangenen Giacomo ein, dem sein Gefängnis immer kleiner zu werden scheint und über dem ein Beil hängt, das bedrohlich näher kommt. Er windet sich in seinem Gefängnis, wohl wissend, dass es kein Entrinnen gibt.
Die größte Besetzung wies dann die letzte Kurzgeschichte auf. „Die Maske des roten Todes“erzählt die Geschichte des Prinzen Prospero (Lukas Asam), der sich mit seinen Getreuen auf ein Schloss verschanzt, um dort einer landesweiten Seuche zu entkommen. Ungeachtet der Grauen, die im Volk umgehen, feiRechnung. ert er einen prächtigen Maskenball. Während zunächst alles seinen festlichen Gang geht, mischt sich am Ende der rote Tod (Lorena Heindl) selbst unter die Ballgäste und lässt keinen am Leben. Hier wirkt vor allem das Farbenspiel sehr eindringlich. Durch die monochromen Kostüme Prosperos und der Seinen wirkt der rote Tod umso unpassender und bedrohlicher.
Das Jugendtheater wendet bei seiner neusten Produktion allerhand Kniffe an und zieht viele Requisiten aus der Trickkiste. Nebel wabert da durch den Theatersaal, hin und wieder stürzt ein vermeintlicher Zuschauer Blut spuckend aus dem Raum und der Herzschlag des Leichnams in der zweiten Kurzgeschichte erschüttert die gesamte Zuschauertribüne. Es scheint viel Herzblut in diese Inszenierung geflossen zu sein. Schade ist dann, dass alles ein wenig gehetzt wirkt. Vielleicht wäre es besser gewesen, die Anzahl der Stücke bei nur etwas über einer Stunde reiner Spielzeit zu reduzieren und dafür den durch die Bank guten schauspielerischen Leistungen mehr Raum zu geben. Oft sind die Stücke schon vorbei, bevor man die Zusammenhänge zwischen den Figuren begreift. Auch der Gorilla, der ganz zu Beginn kreischend durch die Zuschauerreihen tobt und wohl eine Anspielung auf „Die Morde in der Rue Morgue“sein soll, steht etwas unerklärt und isoliert da und wird der Bedeutung und der Bekanntheit dieser Geschichte nicht ganz gerecht.
Dies ändert allerdings nichts daran, dass die Aufführung eine gute Abendunterhaltung bot. Das Volkstheater verfügt über engagierten und talentierten sowie zahlreichen Nachwuchs und mit der Box 15 über einen gemütlichen Aufführungsort, an dem hoffentlich auch in Zukunft noch vieles zu sehen sein wird.