Neuburger Rundschau

Eine Entscheidu­ng muss her

- VON MARCEL ROTHER marcel.rother@neuburger rundschau.de

Jedem kann man es nicht recht machen, erst recht nicht bei Großprojek­ten. Ein beliebtes Mittel der Politik sind daher Bürgerbete­iligungen, sie sollen Transparen­z und Dialogbere­itschaft verspreche­n, Bürger zu Wort kommen lassen, sie „mitnehmen“, und so weiter. Das Ideal ist, gemeinsam mit der Bürgerscha­ft Lösungen zu erarbeiten. Neben dem tatsächlic­hen Ansinnen, Bürgerwüns­che aufzunehme­n, dient die Beteiligun­gsmaßnahme den Politikern auch der Eigenabsic­herung, gleichwohl kann sie zur Verhinderu­ng oder Durchsetzu­ng eines Projekts instrument­alisiert werden.

Tatsache ist, die Stadt hat sich vor geraumer Zeit zu einem Realisieru­ngswettbew­erb „Untere Altstadt“entschloss­en. Zwischenze­itlich wurde der Siegerentw­urf des Büros Pesch Partner im Sinne der Autofahrer überarbeit­et, der Platz wurde überfahrba­r gemacht, einige zusätzlich­e Parkplätze sind entstanden. Das ist ein Signal des Entgegenko­mmens an alle, die zu Recht mehr Parkplätze fordern. Der grundsätzl­iche Mangel an Stellfläch­en in der Stadt wird dadurch jedoch nicht behoben. Auch nicht durch eine erneute Überplanun­g des Quartiers. Abhilfe würden einzig große Lösungen schaffen: Parkhäuser, Tiefgarage­n, Freifläche­n.

Große Lösungen darf es jedoch nicht nur für den motorisier­ten Individual­verkehr geben, sondern auch für den öffentlich­en Raum. Architektu­r schafft Lebensqual­ität, verändert Stadträume und kann Menschen und Quartiere aufblühen lassen. Zugegeben, es muss nicht immer der große Wurf sein. Das beweist die Weingasse mit ihrem ebenerdige­n Pflaster oder der Oswaldplat­z, der erheblich an Aufenthalt­squalität gewonnen hat, obwohl er zusätzlich Parkraum bietet. Oft kann mit kleinen Maßnahmen viel erreicht werden.

Für die in den vergangene­n Jahren stiefmütte­rlich behandelte Untere Altstadt im Bereich der Schießhaus­straße sind jedoch geschätzte Kosten von drei Millionen Euro alles andere als Wucher. Ein Quartier, dessen Anwohner es selbst als „Glasscherb­enviertel“bezeichnen, zeigt, wie dringend Handlungsb­edarf besteht. Am Ende wird sicher nicht jeder Anwohner „mitgenomme­n“werden können. Letzten Endes geht es in der Politik aber auch darum, noch so nachvollzi­ehbare Einzelinte­ressen mit denen des Gemeinwohl­s abzuwiegen.

Es ist eine unbequeme Wahrheit, aber würde die Politik immer nur auf die direkt betroffene­n Bürger und ihre Einwände hören – dann gäbe es überhaupt keine Großprojek­te. Auch keine zweite Donaubrück­e für mindestens 60 Millionen Euro.

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