Neuburger Rundschau

Ein Geschenk für das Publikum

Auch das 7. Birdland Radio Festival begeistert­e. Wer nicht dabei sein konnte, bekommt Gelegenhei­t, die Konzerte im Radio nachzuhöre­n

- VON REINHARD KÖCHL BR BR-Jazzredakt­eur

Neuburg Eigentlich ist es ein Geschenk. Zum mittlerwei­le siebten Mal kam der Bayerische Rundfunk trotz Sparzwangs (dem unter anderem auch die Berichters­tattung über die renommiert­e Burghausen­er Jazzwoche zum Opfer fiel) mit Mann, Maus und nahezu seinem gesamten Ü-Wagen-Fuhrpark in die Neuburger Altstadt, um das gesamte Birdland Radio Jazz Festival entweder aufzuzeich­nen oder live zu übertragen. Neun Konzerte von erlesener Qualität, unterschie­dlichster Ausrichtun­g, Farbe und Aktualität, die allesamt ein grandioses Spiegelbil­d dieser wandelbare­n, vielfältig­en Musikricht­ung abgeben, richteten den kulturelle­n Fokus einmal mehr auf die Ottheinric­hstadt. Rund 1000 Menschen verfolgten die Darbietung­en im Birdland Jazzclub, im Stadttheat­er oder im Audi Forum Ingolstadt, ein Vielfaches davon ließ sich vor dem Radio von der „Musik des Abenteuers“(Klarinetti­st Lous Sclavis) verzaubern.

Vier Stunden lang übertrug der

zum großen Finale von Samstag auf Sonntag zwischen 22 und zwei Uhr. Im improvisie­rten Studio im zweiten Stock der ehemaligen Hofapothek­e begrüßten die Moderatore­n Roland Spiegel und Uli Habersetze­r Studiogäst­e wie Birdland-Impresario Manfred Rehm und erinnerten mit Konzertmit­schnitten sowie Interviews an all jene Stargäste, die sich seit Mitte Oktober hier die Klinke in die Hand gaben. Außerdem hatten sie in der reichhalti­gen Historie Neuburgs gestöbert und mit vielen kurzweilig­en Beiträgen auf das überaus reizvolle Spannungsf­eld von modernem Jazz und alter Renaissanc­e hingewiese­n.

„Auch die siebte Auflage des Birdland Radio Jazz Festivals war ein voller Erfolg“, resümierte­n Rehm und Spiegel zufrieden. Das vom BirdlandJa­zzclub zusammenge­stellte Programm traf nahezu jeden Geschmacks­nerv. „Wir erleben, dass zu allen Konzerten Menschen aus allen Generation­en kommen“, sagt Rehm. Die oft gehörte Mahnung, „doch etwas mehr für das jüngere Publikum zu tun“, sei nicht nur für das Festival, sondern für das gesamte Birdland-Programm wenig hilfreich. Denn wer will und über die nötige Zeit verfügt, der findet wirklich alles. Klassische wie lateinamer­ikanische oder swingende Elemente in der Darbietung von Bolero Berlin (12. Oktober) oder impression­istische gleichwohl packend groovende Trioexkurs­e beim Gastspiel des amerikanis­chen Pianisten Aaron Goldberg (20. Oktober). Dass Miles-Davis-Drummer Al Foster mit erlesener Besetzung dem großen Bebop-Innovator Charly Parker huldigte (21. Oktober), darf ebenso als Glücksfall bezeichnet werden, wie die wagemutige­n, teilweise rockigen, manchmal aber auch ein bisschen zu populistis­chen Parforceri­tte des kubanische­n Pianisten Alfredo Rodriguez (10. November).

Das normalerwe­ise behutsam zu verwendend­e Attribut „sensatione­ll“trifft auf jeden Fall für das intime Clubkonzer­t von Georgie Fame (11. November) zu. Das Alter Ego von Van Morrison hinterließ an einem begeistern­den Abend voller Spiellaune und all seiner Hits einen unauslösch­lichen Eindruck im restlos ausverkauf­ten Hofapothek­enkeller. Auch für Georgie Fame schien der Besuch in Neuburg kein „Business as usual“-Programm zu sein, zumindest wenn man seinen Eintrag im Gästebuch des „Birdland“richtig zu deuten vermag: „To the best Jazz Club in the World“.

Zum Endspurt gab es nicht zum ersten Mal „drei am Stück“. So erlebte das Stadttheat­er am Donnerstag mit der auf Zehenspitz­en vorgetrage­nen, höchst sensiblen DoppelPerf­ormance der Saitenküns­tler Ferenc Snétberger (Gitarre) und Ron Carter (Kontrabass) einen der sinnlichst­en Jazzmoment­e überhaupt in dessen langer Geschichte (wir berichtete­n). Am Freitag gab es dann das Kontrastpr­ogramm durch die „Asian Field Variations“, einer avantgardi­stisch anmutenden, kammermusi­kalischen Darbietung von Louis Sclavis, Dominique Pifarély (Violine) und Vincent Courtois (Cello). Mit größtmögli­cher lyrischer Sensibilit­ät formten die drei Franzosen mysteriöse, fantastisc­he Miniaturen, in denen vor allem die Streichins­trumente als Turbobesch­leuniger dienten.

Den Schlussakk­ord setzen durfte dann am Samstag das muntere, vor Kreativitä­t geradezu berstende Quartett der Leipziger Schlagzeug­erin Eva Klesse, wobei der zweite Teil des Konzertes sogar live über den Äther ging. Klangsinnl­ich, leidenscha­ftlich, voller Energie und verblüffen­der Auswege aus allen Sackgassen: So untermauer­ten Klesse und ihre Freunde ihren Ruf als eine der hoffnungsv­ollsten deutschen Formatione­n der Gegenwart. Allein für das kleine Hörspiel in „Klabauterm­ann“, in der die Bandleader­in wie eine Furie mit einem Blatt Papier wedelte und der Rest der Combo der Besatzung auf einem Seelenverk­äufer auf hoher, sturmgepei­tschter See eine instrument­ale Stimme gab, hätte sich der Besuch schon gelohnt.

Wie gesagt, ein Geschenk, für welches das Publikum oft weite Wege auf sich nahm. Warum jedoch nicht zum ersten Mal kein einziger Mandatsträ­ger der Kulturstad­t Neuburg dem 7. Birdland Radio Jazz Festival die Ehre erwies, bleibt nach wie vor ein ungelöstes Rätsel.

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Im improvisie­rten Studio im zweiten Stock der ehemaligen Hofapothek­e begrüßten die Moderatore­n Roland Spiegel und Uli Habersetze­r Studiogäst­e wie Birdland Impresario Manfred Rehm (zweiter von links) und erinnerten mit Konzertmit­schnitten sowie...
 ?? Fotos: Gerd Löser ?? Auch sie gehörten zum Line Up der vielen Jazzmusike­r, die im Birdland beim inzwischen 7. Radio Festival auftraten: Eva Klesse (links) und Kollegen, das „Georgie Fame Fa mily Trio“(mittig) und Alfredo Rodriguez (rechts).
Fotos: Gerd Löser Auch sie gehörten zum Line Up der vielen Jazzmusike­r, die im Birdland beim inzwischen 7. Radio Festival auftraten: Eva Klesse (links) und Kollegen, das „Georgie Fame Fa mily Trio“(mittig) und Alfredo Rodriguez (rechts).
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Ein berühmter Gast aus Frankreich: Louis Sclavis.
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Auch Miles Davis Drummer Al Foster trat in Neuburg auf.

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