Manchmal muss man auch mit dem Teufel verhandeln
Nordkorea ist auf dem Weg zur Atommacht nicht mehr zu stoppen. Warum Trumps Forderung nach einer kompletten diplomatischen Isolierung falsch ist
Seit 25 Jahren versuchen die USA zu verhindern, dass Nordkorea sich in die länger werdende Liste der Atommächte einreiht. Ohne Erfolg. Doch immerhin galt der Kurs der jeweiligen US-Regierung während dieser Zeitspanne als relativ berechenbar.
Das ist nun völlig anders. Seit dem Amtsantritt von Donald Trump gibt es nur noch eine Konstante im Umgang mit Pjöngjang: Unberechenbarkeit. Ende 2016 – in der Endphase des US-Wahlkampfs also – kündigte der Präsidentschaftskandidat der Republikaner an, den „Typen verschwinden zu lassen“. Gemeint war Kim. Wenig später fragte er: „Was zur Hölle ist falsch daran zu reden.“Als Präsident drohte er Nordkorea dann kurzerhand mit „Vernichtung“. Nach dem jüngsten Test einer Interkontinentalrakete bezeichnete er Kim, den er auch gerne „kleinen Raketenmann“nennt, als „krankes Hunde-Baby“. Dieser besinnungslose Schlangenlinienkurs ist verantwortungslos. Fatal ist auch die jüngste Wendung: Trump verlangt eine internationale diplomatische Quarantäne für das Regime.
Natürlich ist die atomare Aufrüstung durch Kim brandgefährlich, auch wenn noch immer keinesfalls sicher ist, dass das nordkoreanische Militär bereits technisch in der Lage ist, in den USA ein nukleares Inferno anzurichten. Die atomare Bedrohung für Südkorea oder Japan aber ist längst real.
Wer über Nordkorea redet, darf nicht bei der Debatte um Raketentests stehen bleiben. Denn es ist eine traurige Gewissheit, dass die Diktatur die eigene Bevölkerung mit brutalen Mitteln unterjocht, dass Tausende in Konzentrationslager gepfercht werden. Überläufer und Spionageaufnahmen aus der Luft belegen diese dunkle Seite der Gewaltherrschaft.
Dennoch gibt es Situationen, in denen es richtig ist, mit dem Teufel zu verhandeln. Das mag höchsten moralischen Ansprüchen nicht genügen. Es ist aber schon allein deswegen sinnvoll, da Kim keineswegs ein verrückter Hasardeur ist, sondern zielstrebig daran arbeitet, sich eine atomare Lebensversicherung für seine Herrschaft zu schaffen. Die große Furcht des Diktators und seiner Clique ist, so zu enden wie der irakische Despot Saddam Hussein, der von den USA besiegt wurde und 2006 am Galgen endete.
Kim Jong Un fürchtet die USA und deren militärische Stärke. Und er hat etwas zu verlieren. Eine Konstellation, die Verhandlungen bis zu einem gewissen Grad erfolgversprechend erscheinen lassen.
Was könnte auf diplomatischem Weg erreicht werden? Die Hoffnung, dass Pjöngjang sich auf das vor Jahren gegebene Versprechen besinnt, die Atomtechnik nur friedlich zu nutzen, wäre naiv. Es kann also nur – oder besser gesagt immerhin – darum gehen, die Aufrüstung einzudämmen und den Kreislauf der Eskalation zu unterbrechen. Eine Lockerung von Sanktionen gegen eine Atomtest-Pause – so könnte ein erster Ansatz lauten.
Gleichzeitig muss China mit am Verhandlungstisch sitzen. Auch Peking blickt voller Sorgen auf Nordkorea. Der Welt bleibt nicht verborgen, wie der einst engste Verbündete Mahnungen der Supermacht in der Nachbarschaft ignoriert. Doch China hat nach wie vor den mit Abstand stärksten politischen und vor allem ökonomischen Einfluss auf Kim.
Bestürzend ist, dass die wenigen in der US-Regierung verbliebenen Protagonisten einer rationalen Politik an Einfluss verlieren. Außenminister Rex Tillerson hätte wohl den Willen und das Zeug dazu, Verhandlungen zu führen. Doch die wiederkehrenden Gerüchte, dass Trump nur darauf wartet, ihn loszuwerden, höhlen Tillersons Autorität aus. Die USA drohen ihre Diplomatiefähigkeit zu verlieren. Auch das ist eine Katastrophe.
Kims große Furcht: So zu enden wie Saddam Hussein