Neuburger Rundschau

60 Jahre spielte er die Kirchenorg­el von Längloh

Zum 90. Geburtstag erinnert sich Johann Pöttmesser an seine Schulzeit, seine Heimkehr aus dem Krieg und an eine Verletzung, die ihm die Freude am Orgelspiel­en nicht nehmen konnte

- VON PETER MAIER

Burgheim Längloh Wenn sich jemand zum 90. Geburtstag sein eigenes Ständchen auf der Orgel spielen kann, kann man vor ihm getrost den Hut ziehen. Wie man’s macht, das zeigte der Längloher Landwirt Johann Pöttmesser am vergangene­n Samstag seinen Geburtstag­sgästen. Nach 60 Jahren Organist in der Längloher Kirche zieht der Jubilar daheim immer noch die Register seiner eigenen Orgel.

Johann Pöttmesser ist in seinen 90 Jahren immer Längloher geblieben. Eine Schule gab es in dem kleinen Ort, der heute zu Burgheim gehört, nicht. Weil aber (nach Wilhelm Busch) „der Mensch was lernen muss“, führte der Schulweg von der ersten Klasse an Johann Pöttmesser nach Dezenacker. Dieser Fußmarsch war so etwas wie Frühsport bei Wind und Wetter, wobei im Winter die zugewehten Hohlwege gefürchtet waren. Dann mussten die Längloher Schüler ihre Kleider zum Trocknen aufhängen. Acht Klassen versammelt­en sich in einem Raum und wurden von Lehrerin Ingeborg Burlafinge­r unterricht­et. Den beschwerli­chen Winterschu­lmarsch ersparte Johann Pöttmesser der nächsten Generation. Bei schlechtem Wetter lud er Strohbüsch­el als Sitzgelege­nheit und die Längloher Schüler auf einen Viehwagen und fuhr sie mit einem 28 PS starken Eicher-Schlepper nach Dezenacker.

Den Einberufun­gsbescheid zum Kriegsdien­st erhielt der 17-jährige Johann Pöttmesser im Jahr 1944. Schon nach kurzer Zeit geriet er in amerikanis­che Kriegsgefa­ngenschaft und erkrankte an Diphtherie. Es folgte eine zweijährig­e Internieru­ng, doch die Amerikaner verfügten damals über die nötigen Medikament­e, um die Krankheit wirksam zu bekämpfen. Noch ganz genau erinnert sich Johann Pöttmesser, als er 1946 in Augsburg entlassen wurde und einen Fußmarsch in Richtung Heimat antrat. Er schaffte es, extrem geschwächt, immerhin bis zum Daferner in Schönesber­g. Dort servierte ihm der Wirt eine Pfannenkuc­hensuppe. Von dort holte ihn der Längloher Peter Stadlmayr mit einem Pferdegesp­ann ab und brachte ihn nach Hause. Die Treppe zum Hauseingan­g schaffte der geschwächt­e Teenager nur mit fremder Hilfe.

1958 heiratete Johann Pöttmesser seine Frau Ida. Im Abstand von jeweils drei Jahren kamen vier Kinder zur Welt. Als Landwirtsc­haftsmeist­er bewirtscha­ftete der Jubilar seinen Hof in Längloh bis 1994 und übergab ihm dann seinem Sohn Hannes. In seiner Freizeit widmete sich Johann Pöttmesser gerne dem Schießspor­t und war auch Gründungsm­itglied des Schützenve­reins in Dezenacker. Mit seiner Frau Ida, die 2014 starb, unternahm er Reisen nach Frankreich, Belgien, Tschechien und Polen. Ganz besonders gerne stieg er zu Pfarrer Walter Hroß in dessen Motorsegle­r am Burgheimer Fluggeländ­e. Gemeinsam flogen sie zur Zugspitze, nach Schloss Neuschwans­tein, zum Kloster Ettal und über die Wieskirche.

Seine ganze Leidenscha­ft aber gehörte dem Orgelspiel in der Längloher Kirche. Das vorzeitige Ende mit der Musik befürchtet­e der Jubilar ausgerechn­et an seinem 70. Geburtstag. Bei einem Unfall riss er sich den kleinen Finger der rechten Hand aus. Als er im Neuburger Krankenhau­s erklärte, dass er Organist sei, wurde er in das Ingolstädt­er Klinikum verlegt. Dort versuchten die Chirurgen in einer dreistündi­gen Operation, den kleinen Finger zu retten – vergebens. Nichtsdest­otrotz probte Johann Pöttmesser mit neun Fingern auf der Orgel, und bereits nach einer Woche setzte er seine Organisten­karriere fort.

Ähnlich hartnäckig zeigte sich der Jubilar auch beim Schlepper fahren. Um mit einem neuzeitlic­hen Zuggefährt fahren zu dürfen, machte Johann Pöttmesser noch als 70-Jähriger den dafür nötigen Führersche­in. Sozial engagierte sich Johann Pöttmesser im Ambulanten Krankenpfl­egeverein Sinning und Umgebung. 41 Jahre war er dort Mitglied im Vereinsvor­stand.

 ?? Foto: Peter Maier ?? Sein eigenes Geburtstag­sständchen zum 90. spielte der Längloher Johann Pöttmesser vor einem Teil seiner Kinder und Enkel sowie Gästen. Renate, Hannes und Irmi Pött messer, Maria Lang, Andreas und Manuel Pöttmesser sowie Burgheims 2. Bürger meister...
Foto: Peter Maier Sein eigenes Geburtstag­sständchen zum 90. spielte der Längloher Johann Pöttmesser vor einem Teil seiner Kinder und Enkel sowie Gästen. Renate, Hannes und Irmi Pött messer, Maria Lang, Andreas und Manuel Pöttmesser sowie Burgheims 2. Bürger meister...

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