Im Abschiebegefängnis soll Ruhe einkehren
Die Anwohner werden immer wieder um den Schlaf gebracht. Die Polizei spricht wegen der Anstalt von einer „unwahrscheinlich großen Belastung“. Das Justizministerium reagiert. Es soll so schnell wie möglich umgebaut werden
Eichstätt Nächtliche Schreie, Pfiffe, schlicht Lärm, rauben den Anwohnern des Eichstätter Abschiebegefängnisses schon seit Monaten immer wieder den Schlaf. Auch die Polizei muss regelmäßig zur Weißenburger Straße, zu dem Bau direkt gegenüber dem Stadtbahnhof ausrücken, weil es Ärger gibt. Nach heftigen Beschwerden und einem runden Tisch im November hat das bayerische Justizministerium nun „schnellstmöglich“Hilfe angekündigt. Die Landtagsabgeordnete Tanja Schorer-Dremel (CSU) hatte sich an Justizminister Winfried Bausback (CSU) gewandt. Als Reaktion auf die anhaltenden Beschwerden soll in Bayerns einzigem Abschiebegefängnis nun zügig umgebaut werden, wie es in einem Antwortschreiben des Ministers an die Abgeordnete heißt.
Konkret soll es – so schnell als möglich – fünf neue, mit einem entsprechenden Lüftungssystem ausgestattete Hafträume geben, in denen sich die Fenster von innen nicht öffnen lassen. Zudem sei angedacht, in anderen Räumen die Fenster so umzurüsten, dass diese bei Bedarf nicht mehr geöffnet werden können. Schließlich soll geprüft werden, ob weitere vier besonders schallgeschützte Räume angebaut werden können.
Darüber hinaus schreibt Bausback, dass er die Bediensteten der Abschiebeeinrichtung bestärkt habe, „sämtliche disziplinarischen Möglichkeiten zur Sanktionierung von Lärmbelästigungen konsequent auszuschöpfen“. Infrage kämen etwa die „Verlegung in andere Hafträume“, „getrennte Unterbringung von anderen Gefangenen“und weitere Sanktionen bis hin zum „Arrest“.
Schließlich habe man inzwischen – neben disziplinarischen und organisatorischen Maßnahmen – bereits die Freizeitmöglichkeiten durch „Kunst- und Musikkurse“verbessert. Der Minister sei deshalb „zuversichtlich“, dass so für die Eichstätter Anwohner „deutlich spürbare Verbesserungen erzielt werden, die helfen, die Akzeptanz der Nachbarn für die Abschiebungshafteinrichtung wieder zu erhöhen.“
In der Eichstätter „Einrichtung für Abschiebungshaft“werden seit Mitte Juni Asylsuchende untergebracht, die in Abschiebehaft müssen. 94 Plätze gibt es in der früheren Justizvollzugsanstalt. Derzeit sind dort 99 Personen untergebracht. Eine vom Justizministerium genehmigte „Notbelegung“weil eine Massenabschiebung ansteht, wie Marc Döschl, stellvertretender Anstaltsleiter, erklärt. Nach der Abschiebung sinke die Zahl der Insas- sen wieder. Döschl ist froh um die Ankündigung des Justizministeriums. Schließlich hätten er und seine Kollegen die Umbaumaßnahmen ja vorgeschlagen. Döschl sagt: „Wir gehen davon aus, dass es zügig umgesetzt wird. Spätestens zum Ende des ersten Quartals 2018.“
In die Eichstätter Einrichtung kommen beispielsweise Flüchtlinge und Asylsuchende, deren Antrag abgelehnt wurde, deren Ausreisefrist abgelaufen ist und die versucht haben, sich der Abschiebung zu entziehen oder bei der für sie zuständigen Behörde den Wechsel ihres Aufenthaltsortes nicht mitgeteilt haben.
Laut Döschl sind es in Eichstätt etwa zehn Prozent, die als „Störer in Erscheinung treten.“Generell sei die Stimmung nicht gut. Denn natürlich seien die sogenannten „Abschiebungsgefangenen“frustriert, überhaupt in Haft zu sein.
Nachts werden sie in den Zellen eingeschlossen. Der dann einsetzende Lärm habe unterschiedliche Gründe, erklärt Döschl: Manchmal gebe es Solidaritätsbekundungen untereinander, wenn eine Abschiebung anstehe, teilweise werde sich schlicht unterhalten oder – etwa bei Hofgang – geflirtet. Es gebe aber auch immer wieder Flüchtlinge und Asylsuchende mit psychischen Störungen und Psychosen.
Für die derzeit rund hundert Gefangenen sind laut Justizministerium 44 Mitarbeiter zuständig. Unter ihnen sind ein Psychologe und vier Sozialpädagogen.
Döschl sagt: Die Personaldecke sei für die „sichere Unterbringung“von maximal 94 Personen ausgelegt. Bei dauerhafter Überbelegung brauche es aber mehr Personal. Was allerdings auch schon jetzt willkommen wäre, denn im Schichtbetrieb – mit Krankheitsfällen und Urlaubszeiten – sei die Mitarbeiterzahl „recht knapp“bemessen.
Im Ministerium sieht man das anders. Auf Anfrage heißt es: „Die Zahl der Bediensteten ist ausreichend, da der ursprüngliche Personalstamm von 26 Bediensteten im Rahmen der Umwandlung in eine Einrichtung für Abschiebungshaft deutlich erhöht wurde.“Döschl entgegnet: „Im allgemeinen Vollzugsdienst könnten wir mehr gebrauchen. Je mehr, je besser.“Da gehe es ihnen nicht anders als der Polizei.
Der Inspektionsleiter der Eichstätter Polizei, Heinz Rindlbacher, spricht von einer „unwahrscheinlich großen Belastung“für die Beamten durch die Abschiebeeinrichtung. Die Anrufe wegen der Ruhestörungen kämen „regelmäßig“. Die Gefängnismitarbeiter versuchten herauszufinden, wer den Lärm mache. Das sei bei fast einhundert Anstaltsinsassen aber „äußerst“schwierig. Rindlbacher sagt: „Wir begrüßen jede Maßnahme, die dazu führt, dass die Anwohner der Anstalt mal wieder eine Nacht ruhig schlafen können.“
Rindlbachers Mitarbeiter versuchen aber bei Bedarf nicht nur, für Ruhe zu sorgen, sondern sie haben mit dem Abschiebegefängnis eine ganze Reihe neuer Aufgaben bekommen: Sie bringen die Insassen nicht nur zu Konsulaten, an die Landesgrenze oder bundesweit zu verschiedenen Flughäfen. Sie sind auch bei Arztbesuchen und Krankenhausfahrten mit dabei. Stand Anfang Dezember hat Rindlbacher 39 Soll-Stellen in seiner Dienststelle. 37 davon seien besetzt. Für die Aufgaben rund um das Abschiebegefängnis stellt ihm das Polizeipräsidium Oberbayern Nord zehn Polizisten zusätzlich permanent zur Verfügung. Rindlbacher: „Die sind dringend erforderlich, reichen aber oft nicht aus. Dann müssen wir immer wieder zusätzlich um Unterstützung bitten.“Überstunden hätten sich in seiner Inspektion „genügend“angesammelt.
Es sind ja nicht nur die Zeit raubenden Fahrten durchs Land oder die Einsätze wegen des Lärms. Immer wieder käme es auch vor, dass Gefangene nicht zurück in ihre Zelle wollen. „Es kann sein, dass dann eine Streife rausgeht. Es gibt aber auch Einsätze, wo wir mit zehn Mann vor Ort sind.“Zuletzt habe es so einen größeren Einsatz im November gegeben. Rindlbacher sagt: „Wenn eine Lage zu eskalieren droht, dann unterstützen wir die Bediensteten im Gefängnis.“
Die üblichen Sanktionen würden in einem Abschiebegefängnis nicht greifen, erklärt der Polizist, denn: „Die Leute haben nichts zu verlieren. Auf sie wartet nur die Abschiebung.“Entsprechend groß müsse das diplomatische Geschick der Polizei sein.
Der größte Einsatz war Ende Juni notwendig geworden. Da hatte es einen Streit mit 30 Beteiligten im Gefängnis gegeben. Ein Justizbeamter sei dabei leicht verletzt worden. Der stellvertretende Anstaltsleiter Döschl betont auf Nachfrage, dass es seitdem aber keine Verletzten mehr gegeben habe.
Die Abgeordnete Tanja SchorerDremel, die sich an den Minister gewandt hatte, zeigte sich gestern zufrieden mit der Reaktion des Ministeriums. Sie sagte: „Ich glaube schon, dass das den Anwohnern nun Linderung verschafft. Und ich habe das Gefühl, dass der Justizminister an der Sache dran ist und sich persönlich kümmert.“
Die einfachste Variante für mehr Ruhe wäre, Störer in andere Anstalten zu verlegen. Das ist laut Ministerbrief allerdings derzeit und auf absehbare Zeit nicht möglich. Denn für „Abschiebungsgefangene“gelten andere rechtliche Voraussetzungen als für Strafgefangene. Und, so heißt es weiter, die für einen solchen Einsatz vorgesehene Justizvollzugsanstalt Erding könne erst dann umgewidmet werden, wenn sich in Eichstätt eine „permanente Überbelegung“abzeichne. Und der geplante Bau der kombinierten Anstalt in Passau werde erst 2022 fertig.