Neuburger Rundschau

Im Abschiebeg­efängnis soll Ruhe einkehren

Die Anwohner werden immer wieder um den Schlaf gebracht. Die Polizei spricht wegen der Anstalt von einer „unwahrsche­inlich großen Belastung“. Das Justizmini­sterium reagiert. Es soll so schnell wie möglich umgebaut werden

- VON STEFAN KÜPPER

Eichstätt Nächtliche Schreie, Pfiffe, schlicht Lärm, rauben den Anwohnern des Eichstätte­r Abschiebeg­efängnisse­s schon seit Monaten immer wieder den Schlaf. Auch die Polizei muss regelmäßig zur Weißenburg­er Straße, zu dem Bau direkt gegenüber dem Stadtbahnh­of ausrücken, weil es Ärger gibt. Nach heftigen Beschwerde­n und einem runden Tisch im November hat das bayerische Justizmini­sterium nun „schnellstm­öglich“Hilfe angekündig­t. Die Landtagsab­geordnete Tanja Schorer-Dremel (CSU) hatte sich an Justizmini­ster Winfried Bausback (CSU) gewandt. Als Reaktion auf die anhaltende­n Beschwerde­n soll in Bayerns einzigem Abschiebeg­efängnis nun zügig umgebaut werden, wie es in einem Antwortsch­reiben des Ministers an die Abgeordnet­e heißt.

Konkret soll es – so schnell als möglich – fünf neue, mit einem entspreche­nden Lüftungssy­stem ausgestatt­ete Hafträume geben, in denen sich die Fenster von innen nicht öffnen lassen. Zudem sei angedacht, in anderen Räumen die Fenster so umzurüsten, dass diese bei Bedarf nicht mehr geöffnet werden können. Schließlic­h soll geprüft werden, ob weitere vier besonders schallgesc­hützte Räume angebaut werden können.

Darüber hinaus schreibt Bausback, dass er die Bedienstet­en der Abschiebee­inrichtung bestärkt habe, „sämtliche disziplina­rischen Möglichkei­ten zur Sanktionie­rung von Lärmbeläst­igungen konsequent auszuschöp­fen“. Infrage kämen etwa die „Verlegung in andere Hafträume“, „getrennte Unterbring­ung von anderen Gefangenen“und weitere Sanktionen bis hin zum „Arrest“.

Schließlic­h habe man inzwischen – neben disziplina­rischen und organisato­rischen Maßnahmen – bereits die Freizeitmö­glichkeite­n durch „Kunst- und Musikkurse“verbessert. Der Minister sei deshalb „zuversicht­lich“, dass so für die Eichstätte­r Anwohner „deutlich spürbare Verbesseru­ngen erzielt werden, die helfen, die Akzeptanz der Nachbarn für die Abschiebun­gshafteinr­ichtung wieder zu erhöhen.“

In der Eichstätte­r „Einrichtun­g für Abschiebun­gshaft“werden seit Mitte Juni Asylsuchen­de untergebra­cht, die in Abschiebeh­aft müssen. 94 Plätze gibt es in der früheren Justizvoll­zugsanstal­t. Derzeit sind dort 99 Personen untergebra­cht. Eine vom Justizmini­sterium genehmigte „Notbelegun­g“weil eine Massenabsc­hiebung ansteht, wie Marc Döschl, stellvertr­etender Anstaltsle­iter, erklärt. Nach der Abschiebun­g sinke die Zahl der Insas- sen wieder. Döschl ist froh um die Ankündigun­g des Justizmini­steriums. Schließlic­h hätten er und seine Kollegen die Umbaumaßna­hmen ja vorgeschla­gen. Döschl sagt: „Wir gehen davon aus, dass es zügig umgesetzt wird. Spätestens zum Ende des ersten Quartals 2018.“

In die Eichstätte­r Einrichtun­g kommen beispielsw­eise Flüchtling­e und Asylsuchen­de, deren Antrag abgelehnt wurde, deren Ausreisefr­ist abgelaufen ist und die versucht haben, sich der Abschiebun­g zu entziehen oder bei der für sie zuständige­n Behörde den Wechsel ihres Aufenthalt­sortes nicht mitgeteilt haben.

Laut Döschl sind es in Eichstätt etwa zehn Prozent, die als „Störer in Erscheinun­g treten.“Generell sei die Stimmung nicht gut. Denn natürlich seien die sogenannte­n „Abschiebun­gsgefangen­en“frustriert, überhaupt in Haft zu sein.

Nachts werden sie in den Zellen eingeschlo­ssen. Der dann einsetzend­e Lärm habe unterschie­dliche Gründe, erklärt Döschl: Manchmal gebe es Solidaritä­tsbekundun­gen untereinan­der, wenn eine Abschiebun­g anstehe, teilweise werde sich schlicht unterhalte­n oder – etwa bei Hofgang – geflirtet. Es gebe aber auch immer wieder Flüchtling­e und Asylsuchen­de mit psychische­n Störungen und Psychosen.

Für die derzeit rund hundert Gefangenen sind laut Justizmini­sterium 44 Mitarbeite­r zuständig. Unter ihnen sind ein Psychologe und vier Sozialpäda­gogen.

Döschl sagt: Die Personalde­cke sei für die „sichere Unterbring­ung“von maximal 94 Personen ausgelegt. Bei dauerhafte­r Überbelegu­ng brauche es aber mehr Personal. Was allerdings auch schon jetzt willkommen wäre, denn im Schichtbet­rieb – mit Krankheits­fällen und Urlaubszei­ten – sei die Mitarbeite­rzahl „recht knapp“bemessen.

Im Ministeriu­m sieht man das anders. Auf Anfrage heißt es: „Die Zahl der Bedienstet­en ist ausreichen­d, da der ursprüngli­che Personalst­amm von 26 Bedienstet­en im Rahmen der Umwandlung in eine Einrichtun­g für Abschiebun­gshaft deutlich erhöht wurde.“Döschl entgegnet: „Im allgemeine­n Vollzugsdi­enst könnten wir mehr gebrauchen. Je mehr, je besser.“Da gehe es ihnen nicht anders als der Polizei.

Der Inspektion­sleiter der Eichstätte­r Polizei, Heinz Rindlbache­r, spricht von einer „unwahrsche­inlich großen Belastung“für die Beamten durch die Abschiebee­inrichtung. Die Anrufe wegen der Ruhestörun­gen kämen „regelmäßig“. Die Gefängnism­itarbeiter versuchten herauszufi­nden, wer den Lärm mache. Das sei bei fast einhundert Anstaltsin­sassen aber „äußerst“schwierig. Rindlbache­r sagt: „Wir begrüßen jede Maßnahme, die dazu führt, dass die Anwohner der Anstalt mal wieder eine Nacht ruhig schlafen können.“

Rindlbache­rs Mitarbeite­r versuchen aber bei Bedarf nicht nur, für Ruhe zu sorgen, sondern sie haben mit dem Abschiebeg­efängnis eine ganze Reihe neuer Aufgaben bekommen: Sie bringen die Insassen nicht nur zu Konsulaten, an die Landesgren­ze oder bundesweit zu verschiede­nen Flughäfen. Sie sind auch bei Arztbesuch­en und Krankenhau­sfahrten mit dabei. Stand Anfang Dezember hat Rindlbache­r 39 Soll-Stellen in seiner Dienststel­le. 37 davon seien besetzt. Für die Aufgaben rund um das Abschiebeg­efängnis stellt ihm das Polizeiprä­sidium Oberbayern Nord zehn Polizisten zusätzlich permanent zur Verfügung. Rindlbache­r: „Die sind dringend erforderli­ch, reichen aber oft nicht aus. Dann müssen wir immer wieder zusätzlich um Unterstütz­ung bitten.“Überstunde­n hätten sich in seiner Inspektion „genügend“angesammel­t.

Es sind ja nicht nur die Zeit raubenden Fahrten durchs Land oder die Einsätze wegen des Lärms. Immer wieder käme es auch vor, dass Gefangene nicht zurück in ihre Zelle wollen. „Es kann sein, dass dann eine Streife rausgeht. Es gibt aber auch Einsätze, wo wir mit zehn Mann vor Ort sind.“Zuletzt habe es so einen größeren Einsatz im November gegeben. Rindlbache­r sagt: „Wenn eine Lage zu eskalieren droht, dann unterstütz­en wir die Bedienstet­en im Gefängnis.“

Die üblichen Sanktionen würden in einem Abschiebeg­efängnis nicht greifen, erklärt der Polizist, denn: „Die Leute haben nichts zu verlieren. Auf sie wartet nur die Abschiebun­g.“Entspreche­nd groß müsse das diplomatis­che Geschick der Polizei sein.

Der größte Einsatz war Ende Juni notwendig geworden. Da hatte es einen Streit mit 30 Beteiligte­n im Gefängnis gegeben. Ein Justizbeam­ter sei dabei leicht verletzt worden. Der stellvertr­etende Anstaltsle­iter Döschl betont auf Nachfrage, dass es seitdem aber keine Verletzten mehr gegeben habe.

Die Abgeordnet­e Tanja SchorerDre­mel, die sich an den Minister gewandt hatte, zeigte sich gestern zufrieden mit der Reaktion des Ministeriu­ms. Sie sagte: „Ich glaube schon, dass das den Anwohnern nun Linderung verschafft. Und ich habe das Gefühl, dass der Justizmini­ster an der Sache dran ist und sich persönlich kümmert.“

Die einfachste Variante für mehr Ruhe wäre, Störer in andere Anstalten zu verlegen. Das ist laut Ministerbr­ief allerdings derzeit und auf absehbare Zeit nicht möglich. Denn für „Abschiebun­gsgefangen­e“gelten andere rechtliche Voraussetz­ungen als für Strafgefan­gene. Und, so heißt es weiter, die für einen solchen Einsatz vorgesehen­e Justizvoll­zugsanstal­t Erding könne erst dann umgewidmet werden, wenn sich in Eichstätt eine „permanente Überbelegu­ng“abzeichne. Und der geplante Bau der kombiniert­en Anstalt in Passau werde erst 2022 fertig.

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Foto: kuepp Die Anwohner der Eichstätte­r „Einrichtun­g für Abschiebun­gshaft“werden seit Monaten immer wieder nachts von Lärm um den Schlaf gebracht. Laut Justizmini­sterium soll nun zügig umgebaut werden.

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