Neuburger Rundschau

Die Saudis haben wieder Kino

Das Land öffnet sich für Lichtspiel­häuser

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Riad Der saudische Schauspiel­er Hischam Fakih war glücklich und geschockt zugleich, als er die Nachricht bekam – und so richtig fassen kann er sie noch immer nicht. „Wir haben das seit Jahren gehört, und nun heißt es, es passiert bald“, sagt er am Telefon mit einer Stimme, die sich vor Begeisteru­ng beinahe überschläg­t. „Aber ich kann es nicht glauben, bis ich es wirklich sehe.“Tatsächlic­h stellt die Mitteilung, die Saudi-Arabiens Regierung am Montag verbreitet­e, nicht nur für den 30 Jahre alten Künstler, sondern für das gesamte Land einen Kulturbruc­h dar: Erstmals seit mehr als 35 Jahren erlaubt das islamisch-konservati­ve Königreich wieder öffentlich­e Kinos. Diese hatte die Führung Anfang der 1980er Jahre im Zuge einer konservati­veren Politik verboten. Bis heute sehen konservati­ve Saudis in jeder Art von Vergnügung einen Frevel.

Schon im kommenden März sollen die ersten Kinos in Saudi-Arabien öffnen und bis zum Jahr 2030 mehr als 300 Lichtspiel­häuser im Land Filme zeigen. Zwar gab es Filmvorfüh­rungen in dem Königreich auch schon in der Vergangenh­eit, allerdings nur im privaten Rahmen. Die Entscheidu­ng des Königreich­s steht in einer Reihe von Maßnahmen, mit denen die Führung des Landes den Saudis mehr gesellscha­ftliche Freiheiten gibt.

Hinter der Liberalisi­erung steckt Mohammed bin Salman, der 32 Jahre alte Kronprinz, in dem eine ganze Generation an jungen Saudis einen Hoffnungst­räger sieht. Längst gilt der Sohn von König Salman als eigentlich­er Herrscher des Landes. Mit Entschloss­enheit, aber auch mit Ungeduld treibt er Reformen voran, die viele junge Frauen und Männer im Königreich längst für überfällig halten. Denn die Lesart des Islam mag in Saudi-Arabien ultrakonse­rvativ sein – zugleich ist der Reformdruc­k in einer jungen Gesellscha­ft riesig geworden. Mehr als 70 Prozent der Saudis sind nach offizielle­n Angaben jünger als 30 Jahre. Viele der jungen Menschen waren zum Studium im Ausland, oder sie sind über soziale Medien mit der Welt verbunden. Sie fordern das ein, was sie aus anderen Ländern kennen.

Auch die Wirtschaft des Landes verlangt Reformen. Bislang hängt Saudi-Arabien fast vollständi­g von seinen Ölvorkomme­n ab, die jedoch in nicht allzu ferner Zukunft erschöpft sein werden. Die „Vision 2030“von Kronprinz Mohammed bin Salman will die Wirtschaft breiter aufstellen. Kinos sollen dazu beitragen, das Land für Besucher attraktive­r zu machen.

Schauspiel­er wie Hischam Fakih hoffen, dass auch ihre Branche einen Boom erlebt. Bislang hatte die saudische Filmproduk­tion mit geradezu grotesken Problemen zu kämpfen. Fakih etwa trat in der Liebeskomö­die „Barakh meets Barakah“auf, die auch in deutschen Kinos lief. Als überhaupt erst zweiten Beitrag in der Geschichte des Landes reichte Saudi-Arabien den Streifen für einen Oscar ein. Weil die HollywoodA­cademy dafür aber mindestens eine öffentlich­e Vorführung verlangt, wurde der Film genau einmal in Saudi-Arabien gezeigt.

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Foto: Trigon Saudi Arabien produziert sogar selbst Filme: „Barakah meets Barakah“reichte das Land für den Oscar ein.

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