In den Kranken Jesus sehen
Die Malteser sind ein wenig bekannter Orden. Ohne Klöster, dafür mit strengen Aufnahmekriterien. Wie die Neuburgerin Cécile Bergmann Mitglied wurde und wie das ihre Sicht auf Menschen prägt
Neuburg Rund um den See liegen lahme, blinde und vom Schicksal geschlagene Menschen. Ihre letzte Hoffnung hat sie hergetrieben. Sie sollen nicht enttäuscht werden, Heilung naht. Schenkt man dem Matthäusevangelium Glauben, hat Jesus am See Genezareth Wunder vollbracht: Blinde sehend, Lahme gehend und Aussätzige unversehrt gemacht. Mit nur einer Berührung. Wie in unzähligen Dörfern und Städten der damaligen Zeit auch, so will es die Heilige Schrift.
Wunder sind seltener geworden heutzutage. Definitiv. Cécile Bergmann würde nie von sich behaupten, sie könne Wunder wirken. Von der biblischen Geschichte ist sie dennoch fasziniert. Ebenso von dem Gedanken, Kranken zu helfen. Sie bemüht – welch Wunder – ein Bibelzitat: „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“Und erklärt: Es gehe darum, die Kranken mit anderen Augen zu sehen, nicht nur unter pflegerischen Aspekten. Mit anderen Worten: Jesus in den Kranken sehen und sich die Frage stellen, wie er ihnen begegnet wäre. Da spricht die Malteserin.
Jeder kennt Malteser aus irgendeinem Zusammenhang. Seien es die Fahrdienste, bei denen Generationen Zivildienstleistender ihre Pflichtmonate hinter dem Lenkrad verbracht und Kranke kutschiert haben, Einrichtungen der Flüchtlingsbetreuung oder der Altenhilfe. In Deutschland gibt es mehr als 600 Werke des Ordens, mit mehreren Tausend Haupt- und Ehrenamtlichen Helfern. Die sozialunternehmerischen Aktivitäten umfassen unter anderem acht Krankenhäuser, eine Klinik für Naturheilverfahren, 36 Einrichtungen der Altenhilfe, elf Einrichtungen und Dienste der Hospizarbeit und Palliativmedizin sowie ambulante Pflegedienste.
Der Orden dahinter bleibt für die meisten im Verborgenen. Kein Wunder, unterhält der Ritter- und Hospitalorden der Malteser im Gegensatz zu vielen anderen Orden keine Klöster. Und damit keine physischen Orte, die Stadtbilder prägen, Geschichte lesbar machen und an denen sich das mönchische Leben manifestieren und für die Öffentlichkeit greifbar werden könnte. Eine „Geheimsache“ist auch die Auswahl der Mitglieder. Interessierte können sich nicht proaktiv für ein Noviziat entscheiden, wie etwa in anderen Gemeinschaften. Der Eintritt in den Orden ist streng reglementiert. Er allein entscheidet – nach eigener Verfassung und eigenem Kodex – über die Aufnahme, die Aufgaben, den Rang und die Auszeichnung seiner Mitglieder und anderer, die sich um die Ordenswerke verdient machen.
Cécile Bergmann ist eine der „Auserwählten“. Sie hatte zeitlebens Kontakt zu Mitgliedern des Malteserordens. Im Jahr 2011 war es dann so weit: Sie wurde in den Laienorden gebeten. „Durch Menschen, die mich und meinen Werdegang kannten und mich für geeignet hielten, die Grundlagen und Ziele des Ordens mitzutragen“, erzählt die 57-jährige Neuburgerin. Immer noch stammen viele Mitglieder des Ordens in Europa aus ehemaligen Ritterfamilien, die sich zur Zeit der Kreuzzüge dem Orden angeschlossen hatten.
Bis vor Kurzem habe man noch nachweisen müssen, bis in die dritte Generation aus einer Adelsfamilie zu stammen, erzählt Bergmann, deren Mädchenname Gräfin du Moulin ist. Inzwischen seien die Aufnahmekriterien nicht mehr ganz so streng. In Anbetracht seiner Aufgaben und seiner Internationalität, hat er sich für andere, nach den Ordensstatuten geeignete Kandidaten geöffnet. Noch etwas Besonderes: Die Mitglieder verpflichten sich weder zu Keuschheit noch Ehelosigkeit. Bergmann ist verheiratet und Mutter dreier Kinder.
Malteser wirken mitten in der Gesellschaft. Bergmann ist nicht nur Ordensdame, sondern leitet als Oberin des Malteser Hilfsdienstes Eichstätt die Malteserdiözese mit. Einmal im Jahr begleitet sie den sogenannten Bayerischen Lourdeszug, eine Pilgerfahrt für Kranke zur gleichnamigen französischen Wallfahrtsstätte. Die Wallfahrt ist durch Spenden finanziert und steht jedem offen – unabhängig von Alter, Status, Herkunft oder Religion. 120 Teilnehmer im Alter zwischen acht und 94 Jahren fuhren in diesem Jahr mit der Bahn für eine Woche zu dem Wallfahrtsort am Fuße der Pyrenäen. Die Pilger kamen aus den vier altbayerischen Diözesen Eichstätt, Regensburg, Passau, MünchenFreising. Rund um die Uhr war Bergmann Ansprechpartnerin, half den Kranken beim Anziehen oder der Pflege.
Als Oberin im Malteser Hilfsdienst sind diese sieben Tage für Bergmann ein wichtiger Fixpunkt im Jahr. „Für mich gelangt dort mein Glaube an Gott zu Lebendigkeit.“„Hilfe den Bedürftigen und Bezeugung des Glaubens“, dafür steht das Malteserkreuz. Wenn man Menschen in dieser Haltung begegnet, mit Würde und Respekt, könnten sich Räume öffnen – sogar für Wunder. Wenn auch nur für kleine: Kranke, die ihr Lachen wiederfinden, sich über Zuwendung freuen oder einfach dankbar sind, die Reise – etwa im Rollstuhl – überstanden zu haben. Nicht geheilt, aber heil.
OSpendenkonto Der Bayerische Lourdeszug, Pax Bank eG Köln, IBAN DE85 3706 0193 0030 1470 65, BIC GENODED1PAX.