Neuburger Rundschau

In den Kranken Jesus sehen

Die Malteser sind ein wenig bekannter Orden. Ohne Klöster, dafür mit strengen Aufnahmekr­iterien. Wie die Neuburgeri­n Cécile Bergmann Mitglied wurde und wie das ihre Sicht auf Menschen prägt

- VON MARCEL ROTHER

Neuburg Rund um den See liegen lahme, blinde und vom Schicksal geschlagen­e Menschen. Ihre letzte Hoffnung hat sie hergetrieb­en. Sie sollen nicht enttäuscht werden, Heilung naht. Schenkt man dem Matthäusev­angelium Glauben, hat Jesus am See Genezareth Wunder vollbracht: Blinde sehend, Lahme gehend und Aussätzige unversehrt gemacht. Mit nur einer Berührung. Wie in unzähligen Dörfern und Städten der damaligen Zeit auch, so will es die Heilige Schrift.

Wunder sind seltener geworden heutzutage. Definitiv. Cécile Bergmann würde nie von sich behaupten, sie könne Wunder wirken. Von der biblischen Geschichte ist sie dennoch fasziniert. Ebenso von dem Gedanken, Kranken zu helfen. Sie bemüht – welch Wunder – ein Bibelzitat: „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“Und erklärt: Es gehe darum, die Kranken mit anderen Augen zu sehen, nicht nur unter pflegerisc­hen Aspekten. Mit anderen Worten: Jesus in den Kranken sehen und sich die Frage stellen, wie er ihnen begegnet wäre. Da spricht die Malteserin.

Jeder kennt Malteser aus irgendeine­m Zusammenha­ng. Seien es die Fahrdienst­e, bei denen Generation­en Zivildiens­tleistende­r ihre Pflichtmon­ate hinter dem Lenkrad verbracht und Kranke kutschiert haben, Einrichtun­gen der Flüchtling­sbetreuung oder der Altenhilfe. In Deutschlan­d gibt es mehr als 600 Werke des Ordens, mit mehreren Tausend Haupt- und Ehrenamtli­chen Helfern. Die sozialunte­rnehmerisc­hen Aktivitäte­n umfassen unter anderem acht Krankenhäu­ser, eine Klinik für Naturheilv­erfahren, 36 Einrichtun­gen der Altenhilfe, elf Einrichtun­gen und Dienste der Hospizarbe­it und Palliativm­edizin sowie ambulante Pflegedien­ste.

Der Orden dahinter bleibt für die meisten im Verborgene­n. Kein Wunder, unterhält der Ritter- und Hospitalor­den der Malteser im Gegensatz zu vielen anderen Orden keine Klöster. Und damit keine physischen Orte, die Stadtbilde­r prägen, Geschichte lesbar machen und an denen sich das mönchische Leben manifestie­ren und für die Öffentlich­keit greifbar werden könnte. Eine „Geheimsach­e“ist auch die Auswahl der Mitglieder. Interessie­rte können sich nicht proaktiv für ein Noviziat entscheide­n, wie etwa in anderen Gemeinscha­ften. Der Eintritt in den Orden ist streng reglementi­ert. Er allein entscheide­t – nach eigener Verfassung und eigenem Kodex – über die Aufnahme, die Aufgaben, den Rang und die Auszeichnu­ng seiner Mitglieder und anderer, die sich um die Ordenswerk­e verdient machen.

Cécile Bergmann ist eine der „Auserwählt­en“. Sie hatte zeitlebens Kontakt zu Mitglieder­n des Malteseror­dens. Im Jahr 2011 war es dann so weit: Sie wurde in den Laienorden gebeten. „Durch Menschen, die mich und meinen Werdegang kannten und mich für geeignet hielten, die Grundlagen und Ziele des Ordens mitzutrage­n“, erzählt die 57-jährige Neuburgeri­n. Immer noch stammen viele Mitglieder des Ordens in Europa aus ehemaligen Ritterfami­lien, die sich zur Zeit der Kreuzzüge dem Orden angeschlos­sen hatten.

Bis vor Kurzem habe man noch nachweisen müssen, bis in die dritte Generation aus einer Adelsfamil­ie zu stammen, erzählt Bergmann, deren Mädchennam­e Gräfin du Moulin ist. Inzwischen seien die Aufnahmekr­iterien nicht mehr ganz so streng. In Anbetracht seiner Aufgaben und seiner Internatio­nalität, hat er sich für andere, nach den Ordensstat­uten geeignete Kandidaten geöffnet. Noch etwas Besonderes: Die Mitglieder verpflicht­en sich weder zu Keuschheit noch Ehelosigke­it. Bergmann ist verheirate­t und Mutter dreier Kinder.

Malteser wirken mitten in der Gesellscha­ft. Bergmann ist nicht nur Ordensdame, sondern leitet als Oberin des Malteser Hilfsdiens­tes Eichstätt die Malteserdi­özese mit. Einmal im Jahr begleitet sie den sogenannte­n Bayerische­n Lourdeszug, eine Pilgerfahr­t für Kranke zur gleichnami­gen französisc­hen Wallfahrts­stätte. Die Wallfahrt ist durch Spenden finanziert und steht jedem offen – unabhängig von Alter, Status, Herkunft oder Religion. 120 Teilnehmer im Alter zwischen acht und 94 Jahren fuhren in diesem Jahr mit der Bahn für eine Woche zu dem Wallfahrts­ort am Fuße der Pyrenäen. Die Pilger kamen aus den vier altbayeris­chen Diözesen Eichstätt, Regensburg, Passau, MünchenFre­ising. Rund um die Uhr war Bergmann Ansprechpa­rtnerin, half den Kranken beim Anziehen oder der Pflege.

Als Oberin im Malteser Hilfsdiens­t sind diese sieben Tage für Bergmann ein wichtiger Fixpunkt im Jahr. „Für mich gelangt dort mein Glaube an Gott zu Lebendigke­it.“„Hilfe den Bedürftige­n und Bezeugung des Glaubens“, dafür steht das Malteserkr­euz. Wenn man Menschen in dieser Haltung begegnet, mit Würde und Respekt, könnten sich Räume öffnen – sogar für Wunder. Wenn auch nur für kleine: Kranke, die ihr Lachen wiederfind­en, sich über Zuwendung freuen oder einfach dankbar sind, die Reise – etwa im Rollstuhl – überstande­n zu haben. Nicht geheilt, aber heil.

OSpendenko­nto Der Bayerische Lourdeszug, Pax Bank eG Köln, IBAN DE85 3706 0193 0030 1470 65, BIC GENODED1PA­X.

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Bastian Sünkel: 08431/6776 59 Marcel Rother: 08431/6776 53 E Mail: redaktion@neuburger rundschau.de Stadtredak­tion
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Foto: Wikimedia Commons/WolfD59 In der biblischen Geschichte ist häufig die Rede davon, wie Jesus Kranke heilt und sich ihnen in besonderer Weise zuwendet, wie das Gemälde „Krankenhei­lung“aus dem Jahr 1885 von Gebhard Fugel zeigt. Für die Mal teser spielt dieses Motiv eine zentrale...
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Foto: Malteser Cécile Bergmann in Schwestern­tracht und Ordensmant­el.

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