Neuburger Rundschau

Warum die Deutschen an ihrem Bargeld hängen

Im Gegensatz zu Skandinavi­en wollen viele Bürger von Scheinen und Münzen nicht lassen. Die Angst vor Dieben schreckt sie dabei nicht ab

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Frankfurt/Kopenhagen Den Einkaufsko­rb im Supermarkt per Smartphone bezahlen, den Cappuccino im Café per App und Restaurant­s, in denen Bargeld längst verboten ist: Was viele Bundesbürg­er für Zukunftsmu­sik halten oder vehement ablehnen, ist vielerorts schon Wirklichke­it. Gerade in Skandinavi­en, angelsächs­ischen Staaten oder den Schwellenl­ändern wächst das bargeldlos­e Zahlen rasant.

In Indien etwa werde das digitale Zahlen 2022 Scheine und Münzen ablösen, sagt die Beratungsg­esellschaf­t BCG voraus. Und DeutscheBa­nk-Chef John Cryan hat eine andere „Zahlungsfr­ist“für Bargeld vor Augen: Binnen zehn Jahren werde es verschwind­en, da es „fürchterli­ch teuer und ineffizien­t“sei. Doch die Deutschen lieben Bargeld. Als der damalige Finanzmini­ster Wolfgang Schäuble (CDU) Obergrenze­n für Bares gegen Kriminalit­ät ins Spiel brachte, schlugen die Wellen hoch. Einige fürchteten gleich die Abschaffun­g – allen Dementis zum Trotz.

In kaum einer anderen Nation wird so gerne mit Münzen und Scheinen bezahlt wie in Deutschlan­d. Nur rund jede zwanzigste Zahlung werde hierzuland­e per

Deutsche Bank Chef glaubt sogar, dass Bargeld verschwind­et

Kreditkart­e abgewickel­t, hat die Beratungsf­irma Barkow Consulting ermittelt. Statistisc­h gesehen lagere jeder Bundesbürg­er 2200 Euro im Sparstrump­f, sagt Firmengrün­der Peter Barkow. Die Angst vor Dieben schreckt offenbar kaum ab. Und laut einer Studie der Europäisch­en Zentralban­k (EZB) trugen die Deutschen 2016 im Schnitt 103 Euro im Geldbeutel mit sich – im Mittel der Eurozone waren es nur 65.

Wegen der Liebe zum Cash hinkt Deutschlan­d auch beim bargeldlos­en Zahlen hinterher. Zwischen 2010 und 2016 stiegen die bargeldlos­en Zahlungen nur um sieben Prozent der Transaktio­nen pro Kopf, wie jüngst eine Studie von BCG zeigte. Damit zähle Deutschlan­d selbst in der Gruppe der „CashLoyali­sten“zu den Nachzügler­n nach Portugal (9,8 Prozent) und Österreich (8,2). Nur Italien und Spanien liegen noch weiter hinten.

„Restaurant­besuche und Lebensmitt­el werden in Deutschlan­d mehr als doppelt so oft bar bezahlt wie im europäisch­en Durchschni­tt“, sagt BCG-Experte Holger Sachse. Zudem hätten viele Verbrauche­r Bedenken bei neuen Verfahren. „Nur ein Viertel der Verbrauche­r glaubt, dass bargeldlos­e Zahlungen sicher sind“, erklärt er.

In den USA, Großbritan­nien und Skandinavi­en sind Kreditkart­en indes selbst für kleine Beträge üblich. Statt Geldbörse haben die Leute ein flaches Visitenkar­tenetui in der Tasche. Darin: nur Führersche­in und Geldkarte. In Schweden wurde 2015 nur jeder fünfte Einkauf im Laden mit Bargeld bezahlt. Auf die Frage „Wie hast du zuletzt bezahlt?“antwortete­n in einer Umfrage der Reichsbank zuletzt 70 Prozent mit „Karte“(EC- und Kredit-) und nur 15 Prozent mit „cash“. Einige Restaurant­s akzeptiere­n gar kein Bargeld mehr – im Gegenteil etwa zu Berlin, wo es bei vielen Cafés und Bars „Cash only“heißt. Doch nicht nur auf der Karte des hippen Burgerlade­ns „Flippin’ Burgers“in Stockholm steht: „We are a cash free restaurant.“Für Gäste kein Problem. Nur Touristen seien manchmal überrascht.

Auch das Sparschwei­n in den Kinderzimm­ern hat ausgedient, weil Taschengel­d schon bei den Kleinsten aufs Konto überwiesen wird. Sogar auf dem Flohmarkt zahlen viele Schweden inzwischen bargeldlos – mit dem Smartphone. Einer aktuellen Deloitte-Studie zufolge zahlt fast jeder dritte Däne und etwa jeder vierte Schwede sogar im Laden mit dem Handy. Smartphone-Apps werden auch genutzt, um Freunden und Bekannten Geld zu überweisen oder Ebay-Einkäufe zu bezahlen.

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 ?? Foto: DOC RABE Media, Fotolia ?? Eine große Liebe: Die Deutschen schätzen es, eine ordentlich­e Summe Bargeld im Portemonna­ie mit sich zu führen. In Schweden dagegen wird sogar auf dem Flohmarkt mit dem Smartphone bezahlt.
Foto: DOC RABE Media, Fotolia Eine große Liebe: Die Deutschen schätzen es, eine ordentlich­e Summe Bargeld im Portemonna­ie mit sich zu führen. In Schweden dagegen wird sogar auf dem Flohmarkt mit dem Smartphone bezahlt.

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