Neuburger Rundschau

Das schwierige Überleben im Iran

Die Menschen auf der Straße solidarisi­eren sich nicht alle mit den Demonstran­ten. Aber sie klagen über hohe Preise und Not. Dass sich Trump eingemisch­t hat, kommt nicht gut an

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Teheran Warum sich gerade jetzt die Unzufriede­nheit der Iraner Bahn bricht, gibt Rätsel auf, doch ist seit langem klar, dass es im Land gärt. Viele Iraner kämpfen jeden Monat darum, über die Runden zu kommen, und nicht wenige sind gezwungen, zwei oder drei Jobs gleichzeit­ig zu machen. Gerade unter jungen Leuten ist die Arbeitslos­igkeit hoch. Viele Bürger in Teheran äußern Verständni­s für die zumeist jungen Demonstran­ten, sind aber auch alarmiert über die rasche Eskalation der Gewalt.

Die 26-jährige Studentin Sara glaubt, dass die Proteste ihre Wurzeln in den „wirtschaft­lichen Schwierigk­eiten der Leute haben“, vermutet aber, dass sie „aus dem Ausland gesteuert“sind. Die junge Frau im Tschador ist misstrauis­ch, wieso plötzlich landesweit­e Proteste aufflammen konnten.

Bisher finden die Proteste zumeist in Provinzstä­dten statt, während die Hauptstadt weniger betroffen ist. Viele Teheraner sind alarmiert über die Angriffe auf Banken und Regierungs­gebäude. Die Hausfrau Schiwa Daneschwar, 55, ärgert sich, dass öffentlich­e Einrichtun­gen verwüstet werden. „Wenn sie Fenster einschlage­n, werden wir dafür zahlen müssen“, sagt sie.

Viele Iraner haben aber auch Sympathie für die Demonstran­ten. „Das Leben ist wirklich hart, die hohen Preise erdrücken uns. Mein Mann ist Beamter, doch sein Gehalt reicht längst nicht, um über die Runden zu kommen“, klagt die 42-jährige Farsaneh Mirsaie. Die Mutter zweier Kinder sorgt sich auch um mehrere Verwandte, die kürzlich ihre Arbeit in einer Teppichfab­rik verloren haben.

Auch zwei Jahre nach der Aufhebung der im Atomstreit verhängten Finanz- und Handelssan­ktionen hat sich die Hoffnung auf einen Aufschwung der Wirtschaft nur teilweise erfüllt. Zwar hat Präsident Hassan Ruhani die Inflation unter Kontrolle gebracht und den Verfall der Währung gestoppt, doch zugleich hat er die für viele Arme lebenswich­tigen Subvention­en gekürzt.

Nach den ersten Protesten äußerte Ruhani Verständni­s für die Demonstran­ten, rief aber zugleich zur Gewaltlosi­gkeit auf. Allein in der Nacht zum Dienstag wurden aber erneut neun Menschen bei Protesten in der zentralira­nischen Region von Isfahan getötet, womit die Zahl der Toten seit Beginn der Proteste auf 21 stieg.

Im Iran gibt es immer wieder örtliche Streiks und Proteste gegen Fa- brikschlie­ßungen oder nicht ausgezahlt­e Löhne, doch sind politische Proteste rar. Auf die Straße zu gehen ist in einem so streng kontrollie­rten Land wie dem Iran riskant. Nicht nur gehen die Sicherheit­skräfte gegen ungenehmig­te Proteste mit großer Härte vor, sondern es drohen auch lange Haftstrafe­n.

Nasser Chalaf sieht in der mangelnden Freiheit einen Grund für die Unruhen und hat ein gewisses Verständni­s für den Unmut der überwiegen­d jungen Demonstran­ten. „Ich glaube, die Leute wollen nicht randaliere­n und Gebäude in Brand stecken, doch ist es die einzige Art, um sich Gehör zu verschaffe­n“, sagt der 52-jährige Angestellt­e einer Ölfirma, dessen zwei Söhne arbeitslos sind.

Dass sich US-Präsident Donald Trump hinter die Proteste gestellt hat („Das Volk des Iran handelt gegen ein brutales und korruptes Regime“), finden viele Iraner ärgerlich. Unvergesse­n ist, dass er den Iranern pauschal die Einreise verboten hat. Mirsaie würde sich aber

Der geistliche Führer ist die oberste Instanz

wünschen, dass die iranische Regierung dafür sorgt, dass Trump keinen Anlass mehr zu Kritik hat. „Unser Land ist Gold wert“, glaubt sie. „Aber wir schlagen wirklich nicht genug Profit aus unseren Möglichkei­ten.“

Erstmals seit Beginn der Proteste wandte sich das geistliche Oberhaupt des Landes, Ayatollah Ali Chamenei, zu Wort und machte die „Feinde“des Iran für die Unruhen verantwort­lich. Chamenei ist der unangefoch­tene Führer im Lande. Er hat in allen strategisc­hen Belangen das letzte Wort. Zwar gibt es auch das gewählte Parlament und den Staatspräs­identen. Doch vor den Wahlen steht der Wächterrat, der Chamenei zugeordnet ist. Dieser Rat überprüft alle Kandidaten und die Beschlüsse des Parlaments. Selbst der demokratis­ch gewählte Präsident Hassan Ruhani braucht für strategisc­he Entscheidu­ngen den Segen Chameneis. Das war auch beim historisch­en Atomabkomm­en mit den fünf UN-Vetomächte­n und Deutschlan­d 2015 in Wien so.

Auch im Nationalen Sicherheit­srat des Landes, wo fast die gesamte politische und militärisc­he Elite anwesend ist, hat Chamenei das letzte Wort. Darüber hinaus ist er Oberkomman­deur der Armee sowie der Revolution­swächter.

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Foto: dpa Die Proteste sind inzwischen auch in Teheran angekommen. Das legt dieses Bild nahe, das von Regimekrit­ikern verbreitet wurde.

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