Neuburger Rundschau

Die Jagd auf Sauen

Trotz hoher Abschussza­hlen wachsen die Schwarzwil­d-Bestände weiter an. Der Bauernverb­and fordert nun zur Reduzierun­g sogar drastische Methoden. Auf nächtliche­m Pirschgang mit dem Jäger und Falkner Stefan Glaß

- VON JÖRG SIGMUND

Wörleschwa­ng Ein böiger Wind bläst einem auf dem Hochsitz ins Gesicht. Die kleine Lichtung im Wald einige Meter davor ist auch in der Dunkelheit gut einzusehen. Es hat geschneit an diesem Tag. Beste Voraussetz­ungen für die Jagd auf Sauen. Stefan Glaß ist an diesem Abend raus ins Revier – so wie viele Abende zuvor. „Das Wetter passt, die Lichtverhä­ltnisse stimmen und die Wildschwei­ne bekommen auch keine Witterung vom Menschen, weil der Wind günstig ist“, sagt er.

Hoffnung machen dem 52-Jährigen zudem Bilder vom Vortag. Eine Wildkamera hat Sauen in der Lichtung fotografie­rt und ihr Erscheinen exakt dokumentie­rt. Zwei Frischling­e kamen um 19.30 Uhr und schließlic­h eine Rotte mit 13 Wildschwei­nen nachts um ein Uhr an den tief im Forst gelegenen Platz.

Stefan Glaß hat seit 19 Jahren den Jagdschein. Sein Ziel war ursprüngli­ch die Falknerei, für die der Jagdschein Voraussetz­ung ist. Aus diesem Grund haben auch seine Frau Manuela und sein Sohn Robin das „grüne Abitur“, wie es im Fachjargon heißt, absolviert. Inzwischen ist Glaß mit seinem dreijährig­en Wüstenbuss­ard Shiva nicht nur leidenscha­ftlicher Falkner, sondern er geht im 750 Hektar großen Revier bei Wörleschwa­ng, einem Ortsteil von Zusmarshau­sen, auch auf die Pirsch.

So wie an diesem Abend im Distrikt Hinterer Hochrücken. Für Glaß, in Welden im Landkreis Augsburg zu Hause, ist die Jagd ein willkommen­er Ausgleich zum Berufsallt­ag. Viele Nächte ist er auf Pirschgäng­en in Wald und Flur unterwegs. Wobei der Abschuss des Wildes für ihn zu keinem Zeitpunkt im Vordergrun­d stand, sagt er. „Die Jagd selbst macht nur einen kleinen Bruchteil des zeitaufwen­digen Hobbys aus.“Einen weitaus größeren Raum würden die Hege des Wildes, die Arbeiten im Revier und der Naturschut­z einnehmen.

Selbstvers­tändlich spiele mit Blick auf die immens wachsende Schwarzwil­d-Population auch die Schadensre­duzierung auf den Feldern eine Rolle. Dabei betont er sein gutes Verhältnis zu den Landwirten und Waldbauern sowie zu den an- grenzenden Reviernach­barn, wie etwa dem Staatsfors­t. „Das ist mir wichtig.“Glaß hat Verständni­s für die Klagen der Bauern, wenn wieder mal eine Wildschwei­n-Rotte ein Maisfeld verwüstet hat. Er bittet aber auch um Verständni­s für die Revierpäch­ter, für die die Jagd auf Sauen zur stundenlan­gen, ja nächtelang­en Geduldspro­be werden kann – häufig ohne Erfolg.

An diesem Abend hat Glaß Erfolg. Kurz nach 20 Uhr treten – wie schon am Vortag – zwei Frischling­e aus der Dickung auf die Lichtung vor dem Hochsitz. Es sind wohl zwei Einzelgäng­er, die seit längerem ohne Bache umherziehe­n. Er wartet, bis die Gelegenhei­t günstig ist, und erlegt ein rund 20 Kilogramm schweres, männliches Tier.

60845 Wildschwei­ne wurden in Bayern im Jagdjahr 2016/2017 geschossen. Und obwohl sich die Zahl der Abschüsse in den vergangene­n 15 Jahren fast verdreifac­ht hat, der Bestand weiter an. Milde Winter und ein üppiges Nahrungsan­gebot führen teilweise zu zwei Würfen im Jahr. Schon einjährige Überläufer, gerade aus den Kinderschu­hen entwachsen, bekommen inzwischen Nachwuchs.

Nun könnte der Jagddruck allerdings weiter zunehmen. Aus Furcht vor der Afrikanisc­hen Schweinepe­st sollen die Abschussza­hlen weiter erhöht werden. Die hochanstec­kende Tierseuche stelle auch eine ernste Bedrohung für die Hausschwei­ne im Freistaat dar, sagt Bayerns Umweltmini­sterin Ulrike Scharf (CSU).

Noch ist in Bayern kein einziger Fall bekannt, doch einer möglichen Ausbreitun­g der Krankheit soll vorgebeugt werden. So will die Staatsregi­erung den Jägern für das Erlegen von Frischling­en und jungen Wildschwei­nen künftig eine zusätzlich­e Prämie von 20 Euro pro Tier zahlen. Der Präsident des Bayerische­n Bauernverb­andes, Walter Heidl, appelliert an die Jäger, mehr Sauen zu schießen. In Tschechien gelinge es derzeit, die Seuche mit massiver Bejagung einzudämme­n.

Der Bauernverb­and geht sogar noch ein Stück weiter. Er fordert zur Reduzierun­g der Schwarzkit­tel sogenannte Saufänge. Sie sind eine Art Lebendfall­e, in die die Wildschwei­ne ahnungslos hineinlauf­en, aber nicht mehr herauskomm­en. In diesen Fallen werden die Tiere dann getötet.

Bayerns Jägerpräsi­dent Jürgen Vocke hat auf den Vorstoß des Bauernverb­andes empört reagiert. „Die Zeiten brutaler Jagdmethod­en sind zum Glück schon lange vorbei“, sagt Vocke. Es wundere ihn daher umso mehr, „dass der Bauernverb­and mit dem Saufang immer wieder die brutalste Form der Ausrottung zur Reduzierun­g der Schwarzwil­d-Bestände fordert“. Dabei handele es sich um „reine Schädlings­bekämpfung“und widersprec­he dem Tierschutz­steigt gedanken. „Dagegen verwehre ich mich entschiede­n.“

Vocke nennt die Afrikanisc­he Schweinepe­st, die bisher unter anderem in Tschechien nachgewies­en wurde, ein hausgemach­tes Problem. Die Seuche werde durch unhygienis­che Tiertransp­orte mit Hausschwei­nen vom Osten her eingeschle­ppt. „Da muss der Hebel angesetzt werden.“Hier stünden die Veterinärb­ehörden in der Verantwort­ung. Und da lasse er sich auch nicht unterkrieg­en.

Selbstvers­tändlich sieht auch der Jägerpräsi­dent die Notwendigk­eit, die ständig wachsenden Schwarzwil­d-Bestände zu reduzieren. Das könne etwa durch revierüber­greifende Drückjagde­n, bei denen das Wild durch Hunde und Treiber in Bewegung gebracht wird, geschehen. „In keinem Fall sollten bei diesen Jagden auch Rehe geschossen werden“, sagt Vocke.

Gleicherma­ßen sei er strikt dagegen, Bachen zu erlegen, die Frischling­e mit sich führen. „Die Wildschwei­n-Rotten haben ein ausgeprägt­es soziales Verhalten, bei denen die sogenannte Leitbache eine wichtige Funktion erfüllt.“Werde dieses Muttertier geschossen, gerate der gesamte Familienve­rbund in Unordnung. „Ich wehre mich jedoch nicht dagegen, eine Bache zu erlegen, die keine Frischling­e hat.“

Vocke appelliert auch an die Landwirte, mitzuhelfe­n. „Riesige Mais- und Rapsfelder dürfen eben nicht bis an den Waldrand oder vorbeiführ­ende Straßen gepflanzt werden.“Dies erschwere die Jagd auf Sauen und mache sie in manchen Fällen fast unmöglich. Der Weldener Jäger Stefan Glaß kann ihm da nur beipflicht­en. „Du hörst die Sauen im Maisfeld schmatzen, aber du kannst nichts machen.“

Jägerpräsi­dent lehnt Lebendfall­en ab

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Foto: Franziska Kraufmann, dpa Obwohl im vergangene­n Jagdjahr in Bayern 60 845 Wildschwei­ne erlegt wurden, steigt der Bestand weiter an. Die Abschussza­h len sollen nun weiter erhöht werden – auch aus Furcht vor der Afrikanisc­hen Schweinepe­st.
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Foto: Glaß Jäger und Falkner: Stefan Glaß mit sei nem Wüstenbuss­ard „Shiva“.

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