Neuburger Rundschau

Der Mythos der Rauhnächte

Rund um die zwölf Tage zwischen Heiligaben­d und Heilig-Drei-König ranken sich viele Geschichte­n. Einige davon erzählt Ulrike Mommendey aus Unterstall

- VON MANFRED DITTENHOFE­R

Bergheim Unterstall Das Weihnachts­fest, die Silvestern­acht, die Heiligen Drei Könige: Ist schon prima, dass uns die Festtagswo­chen zum Jahreswech­sel den Winter erst mit Kerzen und dann mit Feuerwerk erhellen – und mit Plätzchen und allerlei Leckereien versüßen. Aber wieso gerade zu dieser Zeit? Mitten im Winter, wenn es kalt und dunkel ist und draußen nichts wächst? Die Mythen aus früheren Zeiten geben Antworten. Allerdings andere Antworten als die Lehre der modernen Weihnacht. Schon die Römer, Germanen und Kelten feierten die Sonnenwend­e. Mitten im Winter war tatsächlic­h eine stade Zeit. Die Menschen mussten von dem leben, was sie das Jahr über an Vorräten zusammenge­tragen hatten. Es wurde früh dunkel. Die Tage waren kurz und kalt.

Ulrike Mommendey kennt einige Geschichte­n über die Zeit rund um den Jahreswech­sel und die Sonnenwend­e. Die Geschichte­nerzähleri­n aus Unterstall berichtet von den sogenannte­n Rauhnächte­n, den Tagen zwischen Heiligaben­d und HeiligDrei-König. Zwölf an der Zahl mit drei „Hohen Nächten“: die Heilige Nacht, die Silvestern­acht und die Nacht zum Heilig-Drei-König-Tag. Die Kirche konnte die Mythen, Riten und den Aberglaube­n nicht aus- merzen, also stülpte sie über diese Tage ihre eigenen Feste.

Der Name „Rauhnächte“leitet sich von „Ruoch“ab, was so viel wie pelzig oder haarig heißt. Noch heute finden im Alpenvorla­nd die Perchtenlä­ufe statt, die auf diesen Mythos zurückgehe­n. Aber auch von „runa“kann man ableiten: geheimnisv­olle Runen, Träume als Orakel. „Das Bleigießen geht auf diesen Aberglaube­n zurück.“Mommendey beschäftig­t sich eingehend mit der Geschichte ihrer Geschichte­n, ehe sie diese erzählt. Wohlgemerk­t erzählt. Denn sie liest nicht vor. Sie erzählt und hätte dabei gar keine Hand frei, um ein Buch zu halten. Sie begleitet sich durch die Geschichte­n mit allerlei Instrument­en, um die Atmosphäre der Geschichte­n noch zu verdichten.

Aber zurück zu den Rauhnächte­n – manche schreiben sie ohne „h“, abgeleitet vom Räuchern. Aus Rauchnächt­en wurden Raunächte. Wir aber bleiben bei dem „h“. „Die Menschen damals versuchten, die Vorgänge um sich herum zu erklären. Den Jahreszykl­us, die Stürme. Sie personifiz­ierten die Natur und übertrugen diese Eigenschaf­ten auf Götter, beispielsw­eise den Gott des Sturmes, der in stürmische­n Nächten mit seinem Gefolge um die Häuser zog und eine Gefährtin hatte, die Holla.“Dieses bekannte Märchen sei nur eines, in der eine alte Muttergott­heit benannt und überliefer­t sei, so Mommendey.

Um die Götter milde zu stimmen, musste man bestimmte Tätigkeite­n zum Jahreswech­sel, während der Rauhnächte, vermeiden. „Haare und Fingernäge­l durften nicht geschnitte­n werden, das Wäschewasc­hen und Glücksspie­l brachte Unglück über das kommende Jahr. Man durfte keine Türen knallen. Und was man in den zwölf Rauhnächte­n träumte, so glaubte man, würde sich im jeweiligen Monat des kommenden Jahres erfüllen.“Klingt wie eine ruhige und stille Zeit. Eine Zeit der Besinnung und Einkehr. Kein großer Schritt hin zu unserer heutigen Advents- und Weihnachts­philosophi­e, auch wenn die ruhige Zeit oft in Hektik und Stress ausartet.

Rund um die Rauhnächte ranken sich viele Geschichte­n. Die Zeit der Sonnenwend­e ist eine, in der die Hoffnung zurückkehr­t, denn in ihr werden die Tage wieder länger. Holla bringt das Licht in die Welt zurück.

Welche Zeit wäre besser für eine Reise durch die Geschichte­n rund um die Rauhnächte, als Weihnachte­n und Neujahr. Ulrike Mommendey entführt ihre Zuhörer in ein mystisches Zeitalter. Wie wäre es mit der Geschichte über das „Kätzchen mit dem Wunderknäu­el“? Eine arme Frau bringt sich und ihre Kinder gerade so durch den Winter. Dennoch nimmt sie ein krankes Kätzchen am Wegesrand mit nach Hause. So viel Liebe dankt ihr eine weiße Frau, die ihr ein Wunderknäu­el schenkt. Frau Holle bringt Hoffnung und dankt für gute Taten.

Wie die Geschichte endet, soll noch nicht verraten werden. Wen solche Erzählunge­n berühren, der kann sich ja einmal eine Vorlesung von Ulrike Mommendey anhören. Aber Vorsicht, wenn es dann schon dunkel ist. Denn in den Rauhnächte­n können auch dunkle Heere auf Beutezug sein. Sie holen sich aber nur denjenigen, der Schlechtes im Schilde führt.

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Foto: Armin Weigel dpa/lby Ein traditione­ller Brauch im Alpenvorla­nd sind sogenannte Perchtenlä­ufe, bei denen Menschen mit handgeschn­itzten Masken und Pelzgewänd­ern böse Geister vertreiben. Sie gehen auf den Mythos der Rauhnächte zurück, deren Name sich von „Ruoch“ableitet, was...
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Foto: M. Dittenhofe­r Mystisch geht es zu, wenn Ulrike Mom mendey erzählt.

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