Neuburger Rundschau

Gebührende­r Empfang

Ein familienfr­eundliches Bayern fordern die Freien Wähler im Wahlkampfj­ahr. Das erste Ziel der Landtagsfr­aktion: Die Kindergart­engebühren müssen abgeschaff­t werden

- VON BASTIAN SÜNKEL

Neuburg Was Politik ist? Der Bub im gelben Sweatshirt mit dem propellerl­osen Helikopter in der Hand führt den Finger zum Kopf. Denkerpose. Nein. Auch der Finger an der Stirn bringt nichts. „Weiß ich nicht“, sagt er enttäuscht. Macht aber auch nichts. Mit fünf Jahren darf man propellerl­ose Helikopter fliegen lassen. Um die große Politik und die Kindergart­engebühren dürfen sich die Eltern kümmern.

Sein erster Eindruck über Politiker wird jedenfalls so aussehen: Ein mächtiger Trupp Anzugträge­r betritt am Spielzeugt­ag den Kindergart­en Heinrichsh­eim. Der Trupp verschwind­et für wenige Minuten im Gymnastikr­aum, um eben über jene Dinge zu sprechen, die Eltern etwas angehen. Sie kommen wieder zurück, in der Gruppe wird für die Gäste „Alle meine Entchen“gesungen und am Ende spielt der Mann, der die meiste Zeit in der Mitte steht noch eine Runde Feuerwehra­uto – verfolgt von Kameras, Mikrofonen und Smartphone­s. So lässt sich der Auftritt der Landtagsfr­aktion der Freien Wähler am Donnerstag­vormittag aus der Perspektiv­e eines Fünfjährig­en beschreibe­n.

Aus Sicht der Eltern ist der Auftritt aus einem anderen Grund interessan­t: Der Mann in der Mitte, Hubert Aiwanger, hat nämlich an diesem Tag nicht nur eine Leidenscha­ft für große rote Autos, sondern auch für klare Ansagen mitgebrach­t. Bayern müsse familienfr­eundlicher werden, wiederholt er seit September im Landtag und nun auch im Kindergart­en Heinrichsh­eim. Die zentrale Forderung der Freien Wähler: Die Kindergart­engebühr müsse in Bayern abgeschaff­t werden. Nur so lasse sich die Gleichbere­chtigung reicher und ärmerer Familien umsetzen. Nur so gelinge Integratio­n.

Es handelt sich um eine Forderung, die im Sommer in Hessen und Niedersach­sen beschlosse­n und ab 2018 auch umgesetzt wird. In Bayern sieht das anders aus. Familienmi­nisterin Emilia Müller (CSU) hat sich im September gegen die Abschaffun­g der Gebühr ausgesproc­hen: „Eltern wollen in erster Linie Qualität und Zuverlässi­gkeit.“Heißt im Umkehrschl­uss: Ohne Gebühr befürchtet die Ministerin einen Qualitätsv­erlust und Engpass im Bau von Kita-Plätzen.

Die Freien Wähler und Kindergart­enleiterin Sissy Schafferha­ns, ihres Zeichens auch Freie Wählerin, sind da anderer Meinung. Sie fordert wie die Fraktion die GleichbeFr­aktionsvor­sitzender rechtigung aller Familien. Deshalb sei die Beitragsfr­eistellung wichtig, sagt sie. In Neuburg sei man mit einem Personalsc­hlüssel bei den städtische­n Kindergärt­en von acht Kindern pro Erzieherin im Vergleich sehr gut aufgestell­t, aber: „Ein Luxus ist der Schlüssel nicht.“Erzieherin­nen seien im Laufe der Zeit eben auch immer mehr Elternbera­ter geworden, sagt Leiterin Schafferha­ns. Sie fordert auch Nachbesser­ungen bei der Integratio­n. Im Kindergart­en an der Franziskan­erstraße existiere beispielsw­eise eine reine Migranteng­ruppe am Nachmittag. Das sei nicht förderlich für die Integratio­n ganz ohne deutschspr­achige Kinder. Kurzum: Die Qualität muss mindestens erhalten bleiben, Integratio­n gefördert werden und der Staat die Kommunen in der Finanzieru­ng absichern.

Dem Bub mit dem Hubschraub­er ist das herzlich egal. Die Eltern hingegen, die ihre Kinder abholen, liebäugeln aber bereits mit der Idee. Eine Mutter würde sich darüber freuen, wenn ihre Arbeit endlich wieder mehr wert sei. Eine andere Mutter erinnert sich an den Besuch einer Freundin in Stuttgart: Da sei die Kita kostenlos gewesen. In Neuburg würden sich die Eltern jedenfalls um mindestens 50 Euro, bis zu gut 100 Euro mehr im Monat und pro Kind freuen.

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Fotos: Bastian Sünkel Ein spontan improvisie­rtes Ständchen für die Freien Wähler: „Alle meine Entchen“und ein Geburtstag­slied hinterher singt die Gruppe des Kindergart­ens Heinrichsh­eim, als die Politiker plötzlich mitten im Raum stehen.
 ??  ?? Klares Kommando: Schlauch einrollen, Kindergart­engebühren abschaffen. Hubert Ai wanger sieht seine Fraktion als die Feuerwehr an, wenn es um die Hilfe für Familien in Bayern geht.
Klares Kommando: Schlauch einrollen, Kindergart­engebühren abschaffen. Hubert Ai wanger sieht seine Fraktion als die Feuerwehr an, wenn es um die Hilfe für Familien in Bayern geht.

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