Gebührender Empfang
Ein familienfreundliches Bayern fordern die Freien Wähler im Wahlkampfjahr. Das erste Ziel der Landtagsfraktion: Die Kindergartengebühren müssen abgeschafft werden
Neuburg Was Politik ist? Der Bub im gelben Sweatshirt mit dem propellerlosen Helikopter in der Hand führt den Finger zum Kopf. Denkerpose. Nein. Auch der Finger an der Stirn bringt nichts. „Weiß ich nicht“, sagt er enttäuscht. Macht aber auch nichts. Mit fünf Jahren darf man propellerlose Helikopter fliegen lassen. Um die große Politik und die Kindergartengebühren dürfen sich die Eltern kümmern.
Sein erster Eindruck über Politiker wird jedenfalls so aussehen: Ein mächtiger Trupp Anzugträger betritt am Spielzeugtag den Kindergarten Heinrichsheim. Der Trupp verschwindet für wenige Minuten im Gymnastikraum, um eben über jene Dinge zu sprechen, die Eltern etwas angehen. Sie kommen wieder zurück, in der Gruppe wird für die Gäste „Alle meine Entchen“gesungen und am Ende spielt der Mann, der die meiste Zeit in der Mitte steht noch eine Runde Feuerwehrauto – verfolgt von Kameras, Mikrofonen und Smartphones. So lässt sich der Auftritt der Landtagsfraktion der Freien Wähler am Donnerstagvormittag aus der Perspektive eines Fünfjährigen beschreiben.
Aus Sicht der Eltern ist der Auftritt aus einem anderen Grund interessant: Der Mann in der Mitte, Hubert Aiwanger, hat nämlich an diesem Tag nicht nur eine Leidenschaft für große rote Autos, sondern auch für klare Ansagen mitgebracht. Bayern müsse familienfreundlicher werden, wiederholt er seit September im Landtag und nun auch im Kindergarten Heinrichsheim. Die zentrale Forderung der Freien Wähler: Die Kindergartengebühr müsse in Bayern abgeschafft werden. Nur so lasse sich die Gleichberechtigung reicher und ärmerer Familien umsetzen. Nur so gelinge Integration.
Es handelt sich um eine Forderung, die im Sommer in Hessen und Niedersachsen beschlossen und ab 2018 auch umgesetzt wird. In Bayern sieht das anders aus. Familienministerin Emilia Müller (CSU) hat sich im September gegen die Abschaffung der Gebühr ausgesprochen: „Eltern wollen in erster Linie Qualität und Zuverlässigkeit.“Heißt im Umkehrschluss: Ohne Gebühr befürchtet die Ministerin einen Qualitätsverlust und Engpass im Bau von Kita-Plätzen.
Die Freien Wähler und Kindergartenleiterin Sissy Schafferhans, ihres Zeichens auch Freie Wählerin, sind da anderer Meinung. Sie fordert wie die Fraktion die GleichbeFraktionsvorsitzender rechtigung aller Familien. Deshalb sei die Beitragsfreistellung wichtig, sagt sie. In Neuburg sei man mit einem Personalschlüssel bei den städtischen Kindergärten von acht Kindern pro Erzieherin im Vergleich sehr gut aufgestellt, aber: „Ein Luxus ist der Schlüssel nicht.“Erzieherinnen seien im Laufe der Zeit eben auch immer mehr Elternberater geworden, sagt Leiterin Schafferhans. Sie fordert auch Nachbesserungen bei der Integration. Im Kindergarten an der Franziskanerstraße existiere beispielsweise eine reine Migrantengruppe am Nachmittag. Das sei nicht förderlich für die Integration ganz ohne deutschsprachige Kinder. Kurzum: Die Qualität muss mindestens erhalten bleiben, Integration gefördert werden und der Staat die Kommunen in der Finanzierung absichern.
Dem Bub mit dem Hubschrauber ist das herzlich egal. Die Eltern hingegen, die ihre Kinder abholen, liebäugeln aber bereits mit der Idee. Eine Mutter würde sich darüber freuen, wenn ihre Arbeit endlich wieder mehr wert sei. Eine andere Mutter erinnert sich an den Besuch einer Freundin in Stuttgart: Da sei die Kita kostenlos gewesen. In Neuburg würden sich die Eltern jedenfalls um mindestens 50 Euro, bis zu gut 100 Euro mehr im Monat und pro Kind freuen.