Messerstiche als Denkanstoß
Eine 29-jährige Neuburgerin verletzt absichtlich ihren Freund – und kommt mit einer Bewährungsstrafe davon
Neuburg Es ist das Messer, das ihre Mutter normalerweise zum Pilze sammeln verwendet. Eine 29-jährige Neuburgerin hat es im Mai 2017 allerdings dazu benutzt, zweimal auf ihren Lebensgefährten einzustechen. Zunächst trifft sie ihn in der Brust und verfehlt die Lunge nur knapp, mit dem zweiten Stich verletzt sie ihn unterhalb der linken Achselhöhle. Nun musste sie sich wegen gefährlicher Körperverletzung und Trunkenheit im Verkehr vor dem Amtsgericht verantworten. Am Ende verurteilt Richter Christian Veh die mehrfache Mutter zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sieben Monaten. Wegen besonderer Umstände setzt er die Strafe noch einmal zur Bewährung aus.
Die Angeklagte gibt gleich zu Beginn der Verhandlung ein vollumfängliches Geständnis ab. Es sei alles so passiert, wie Staatsanwalt Christian Fischl ihr vorgeworfen habe, sagt sie. Sie habe mit einem Taschenmesser an einer Bushaltestelle in Neuburg auf ihren Freund eingestochen. Als er ihr später per Handy Fotos aus dem Krankenhaus schickte, habe sie sich dann Sorgen gemacht und sei noch in derselben Nacht mit dem Auto zu ihm gefahren. Wie sich herausstellte, mit 1,36 Promille im Blut und unter Einfluss von Amphetaminen. Nach einem dreitägigen Krankenhausaufenthalt zog der Mann wieder bei seiner Freundin ein. Die Messerstiche sollten eine Art „Denkanstoß“für den 33-Jährigen sein, erklärt die Angeklagte, – und seitdem laufe die Beziehung tatsächlich gut.
Ihre Tat habe eine Vorgeschichte, führt die 29-Jährige weiter aus. Zwischen ihrem Lebensgefährten, mit dem sie seit 2014 zusammen ist, und ihr habe es in der Vergangenheit schon öfter Ärger gegeben, erzählt die Angeklagte. Der Neuburger habe sie geschlagen und sie sogar schon einmal mit der gemeinsamen zweijährigen Tochter vor die Tür gesetzt. Irgendwann habe sie durch das Gewaltschutzgesetz erwirkt, dass ihr Freund der Wohnung, für die er weiterhin die Miete zahlte, fernbleiben musste. An jenem Tag im Mai tauchte der Mann, der zwischenzeitlich in einem Schrebergartenhäuschen untergekommen war, plötzlich angetrunken bei den Eltern der Angeklagten auf und wollte Geld. Die Mutter informierte ihre Tochter, woraufhin diese herbeieilte und mit dem Mann zu streiten begann.
Der 33-Jährige bestätigt die Aussage seiner Lebensgefährtin vor Gericht. Wie er berichtet, habe er zuerst geglaubt, sie hätte ihn nur zweimal geschubst und wäre dann abgehauen. Erst Passanten hätten ihn auf das Blut an seinem Körper aufmerksam gemacht. Da sprach er einen fremden Mann an, er solle ihn ins Krankenhaus fahren. Der Geschädigte gab seiner Freundin aber überhaupt nicht die Schuld an dem, was passiert war. Schuld sei der Staat, der ihm seinen Sohn und seiner Lebensgefährtin ihre ersten beiden Töchter weggenommen habe. Sie dürften ihre Kinder nur sehen, wenn die jeweiligen Erziehungsberechtigten zustimmten. Diese Probleme führten dazu, dass er und seine Partnerin sich immer wieder in die Haare bekämen.
Der Staatsanwalt fordert schließlich für die gefährliche Körperverletzung in Tatmehrheit mit der Trunkenheitsfahrt eine Gesamtstrafe von einem Jahr und sieben Monaten. Verteidigerin Veronika Hagn hingegen hält eine Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung für angemessen. Als Richter Veh sein Urteil verkündet, räumt er ein, dass ihm die Aussetzung der Haftstrafe von einem Jahr und sieben Monaten zur Bewährung nicht leicht gefallen sei. Die Angeklagte sei zwar nicht vorbestraft, außerdem habe sie gestanden und der Geschädigte sei weder lebensgefährlich verletzt worden noch habe er ein Interesse an einer Strafverfolgung – doch die Frau zeige keine Reue. Zudem hätte sie leicht wegen eines Tötungsdelikts vor dem Schwurgericht landen können. Trotzdem wollte Veh der jungen Mutter eine Chance geben: „Sie haben Verantwortung für Ihre Tochter. Nehmen Sie Ihr Leben selbst in die Hand!“
Neben der Bewährungsstrafe muss die Neuburgerin 80 Sozialstunden ableisten und bekommt ihren Führerschein acht Monate lang nicht wieder. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.