Was Zahlen über Neuburg verraten
Nullen, Einsen und Tabellen geben einiges preis über die Stadt und ihre Einwohner. Wer weiß, wo er suchen muss, findet beispielsweise heraus, wo es Parkplätze zu mieten gibt. Und, was Frauen Männern voraus haben
Neuburg Statistik klingt so anziehend wie Steuererklärung, Bürokratie und GroKo. Ist der erste Fluchtreflex überwunden, das anfängliche Unbehagen zur Seite geschoben und nähert man sich unvoreingenommen kleinteiligen Tabellen, spalierstehenden Zahlenkolonnen und stichfesten Jahresvergleichen, entwickeln sie ihren Reiz, tauen auf und beginnen zu sprechen. Und verraten Geheimnisse, fernab von grauer Theorie, mitten aus dem Leben gegriffen. Solche Informationen liefert beispielsweise der städtische Jahresbericht, der für 2017 aktuell noch zusammengestellt wird. Bis es soweit ist, dienen die Zahlen aus 2016 als Informanten. Auf über 100 Seiten stecken sie einem, was über Neuburg und seine Bewohner wissenswert scheint. Hier ein kleiner Auszug: ● Schrebergärten Wussten Sie, dass die Stadt Neuburg Eigentümerin von 119 Schrebergartenparzellen ist? Sie liegen „Am Bahndamm“und „Beim Bahnweiher“. Weitere sieben Parzellen gibt es am Schleifmühlweg. Die Schrebergärten sind sehr beliebt und daher alle vergeben. Zur Zeit stehen rund 100 Bewerber auf der Warteliste. Die Wartezeiten für einen Schrebergarten betragen mehrere Jahre und hängen auch von der Höhe der Ablöse ab, die die Bewerber zu zahlen bereit – für Gartenhäuschen, Pumpen, Geräte und so weiter. Wer Interesse und Geduld hat: Die Pacht beträgt im Jahr 130 Euro je Parzelle.
● Nachhaltigkeit Ein echtes Erfolgsprojekt ist das Reparaturcafé, das die Stabsstelle Umwelt im Jahr 2015 ins Leben gerufen hat. 40 ehrenamtliche Fachkräfte beteiligen sich daran und kümmern sich um verschiedenste Problemfälle, die von Bürgern mitgebracht werden. Repariert werden Elektrogeräte aller Art, Gegenstände aus Holz, Spielsachen und Fahrräder. Computerspezialisten lösen Softwareprobleme bei Handys und Laptops. Eine Schneiderin kürzt Hosen und näht Kleidung enger. Beeindruckende Statistik: Pro Jahr werden durch das Engagement 300 Dinge repariert – und vor dem Tod in der Tonne gerettet.
● Digitales Neuburg schafft den Sprung ins digitale Zeitalter, das macht sich auch im Stadtarchiv bemerkbar: Ahnenforscher und Wissenschaftler stellen ihre Anfragen immer öfter über das Internet. Egal, ob Bestandsübersicht, Datenbankrecherche, Online-Recherche in Dokumenten, der Trend zur Online-Nutzung nimmt zu. 511 schriftlichen beziehungsweise telefonischen Anfragen und persönlichen Archivbenutzungen stehen 1170 OnlineNutzungen pro Jahr gegenüber.
● Parken Das Aufregerthema schlechthin. Wer täglich zur Arbeit nach Neuburg fährt und es leid ist, auf Parkplatzsuche gefühlt zehnmal durch die Innenstadt zu kreisen, bis er fündig wird, für den könnte der „Kappergarten“eine Lösung sein. Auf dem Grundstück beim alten Neuhof kann für 20 Euro im Monat plus 20 Euro Kaution für den Schranken-Schlüssel ein eigener Parkplatz während der Woche angemietet werden. Das Angebot gilt für Angestellte in Büros, Geschäften und Praxen in der Innenstadt. Einziger Haken: Die insgesamt 136 Parkplätze sind derzeit alle vermietet. Es springen aber immer wieder Mieter ab, sodass mit Glück ein Parkplatz ergattert werden kann.
● Wochenmarkt Frisches Obst und Gemüse, Fleisch und Käse ziehen jede Woche Besucher auf den Markt am Schrannenplatz. Obwohl er einen guten Ruf bei Kunden wie Beschickern aus dem Umland genießt wie zahlreiche überregionale Bewerbungen zeigen –, geht die Gesamtzahl der Beschicker zurück. 2012 waren es noch 38, 2016 nur noch 28. Während die Zahl der Beschicker am Samstag von
34 auf 27 sank, macht
die Statistik für Mittwoch Mut: Dort stieg die Zahl leicht von 21 auf 22 Beschicker an.
● Fundsachen Ein Haus verliert nichts, sagt man. Eine Stadt ebenso wenig, sagen die Zahlen des Fundbüros: 231 Fundsachen und 69 Fahrräder wurden dort im Jahr 2016 abgegeben. Die Zahl der gefundenen Schlüssel sei nicht mit eingerechnet – irgendwo stößt wohl selbst die größte Statistik an ihre Grenzen. Aber: Im Jahr zuvor landeten noch 14 Fundsachen und zwölf Räder mehr im Fundbüro. Woher die Differenz? Verliert die Stadt am Ende doch etwas? Apropos: Manche Dinge wollen von ihren Besitzern anscheinend auch gar nicht wiedergefunden werden. Darauf deutet zumindest der Erlös der jährlichen Fundsachen-Versteigesind rung: der beläuft sich auf stolze 1800 Euro.
● Gastronomie Da sage noch einer, in Neuburg könne man nicht ausgehen. Die Statistik widerspricht: Ende 2016 hatten in der Stadt insgesamt 156 Gaststättenbetriebe sowie 19 erlaubnisfreie Imbissbetriebe die Konzession, der Stadt Leben einzuhauchen und den Gästen aufzutischen. So steht es schwarz auf weiß. Böse Zungen behaupten: Papier ist geduldig.
● Theaterabo Die Stadt schreibt sich Kultur auf die Fahnen – das Stadttheater steht für Kultur. Und die Menschen kommen. Allein, die Nachfrage ist größer als das Angebot. Das Instrument der gezielten Verknappung soll helfen: Die Abonnentenzahl ist 2016/2017 auf 605 gesunken, nicht wegen mangelnder Nachfrage, sondern weil der Kul– turausschuss 2015 beschlossen hat, die Zahl der Abos auf maximal 600 zu beschränken. Hintergrund: Mittelfristig sollen neben Abokarten mehr Einzelkarten in den freien Verkauf kommen. Folge: Aktuell werden keine neuen Abonnenten angenommen. Die Warteliste stieg im Dezember 2016 auf insgesamt 102 Anfragen an. Die Tendenz ist klar ... Kulturstadt eben.
● Bücher „Video killed the radio star“und das E-Book klappt den Deckel des Taschenbuchs zu. Schon klar. Fragt man nicht Kulturpessimisten, sondern leiht wertneutralen Zahlen sein Ohr, flüstern sie einem Folgendes: Die Ausleihzahlen der Stadtbücherei stiegen 2016 sowohl bei den klassischen wie den elektronischen Medien. Von 137070 auf 153470 und bei E-Books, E-Paper und MP3-Hörbüchern von 7641 auf 8935. Die Zahl der „aktiven Leser“– mindestens eine Ausleihe pro Jahr – stieg von 2973 auf 3040. Kein Grund zur Sorge also. Wäre da nicht noch eine Zahl: Ungefähr zwei Drittel von ihnen sind weiblich, ein Drittel männlich. Ein herber Schlag für die Herren der Schöpfung. Aber mal ehrlich, eigentlich wussten wir es schon immer: Männer sind lesefaul. Auch wenn der Autor dieser Zeilen kurz versucht ist, sich in folgende Studentenweisheit zu flüchten: „Traue keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast.“Aber Ausflüchte helfen nicht, denn der Jahresbericht hat gezeigt: Zahlen lügen nicht. Und das macht sie irgendwie auch sympathisch.