Von Walzer zu Rock
Die sieben Musiker von Dreiviertelblut gaben sich im Kolpinghaus teils schwermütig, teils hintergründig – und am Ende wild
Neuburg Die siebenköpfige Musikerformation Dreiviertelblut gastierte am Donnerstagabend auf der Bühne des Kolpinghauses. Das Haus erfährt – seit Veranstalterin Monika Nardozza-Simon aus der Rennbahn dorthin umgezogen ist – eine wohltuende Belebung. 125 Zuhörer hatten sich eingefunden, trotzdem war noch Platz im Saal. „Finsterlieder“nennen die sieben Musiker ihr aktuelles Programm. Sebastian Horn – ehemals Frontmann der Kultband Bananafishbones – ist der Mittelpunkt. Er ist die Stimme und der Ideengeber, der Erklärer und die Schnittstelle zum Publikum. Gerd Baumann ist Schöpfer zahlreicher Filmmusiken („Wer früher stirbt, ist länger tot“) und mit Sebastian Horn für die Musik der NockherbergProduktionen zuständig.
Der Name ist Programm. Die Band spielt anfangs ausschließlich im Dreivierteltakt – langsam und bluesig in „der schönste Sommer“, beschwingt in „die Sunn geht auf“und mit Störtakt kombiniert im Schlaflosigkeits-Zwiefachen beim Schafezählen. Sogar Ludwig Hirschs schaurige Ballade „I lieg am Ruck’n“wiegt im Walzertakt und das Beerdigungsgetratsche auf dem Friedhof auch. Mit „Mir san ned nur mir“gab die Band zum Höhepunkt des Münchner Flüchtlingsansturms ein deutliches Statement ab. „Wir fliagn im Weltraum umanand – mir san“– aus. Soll jeder weiterfantasieren, was er will. Schaue man unsere Erde von sehr weit weg an, sei sie ja nur ein schöner „blauer Stoa“, der sich unaufhörlich dreht, Irdisches ist ganz weit weg. Ein ganz weiches Trompetensolo von Andreas Unterreiner untermalt die Ansicht. Dreiviertelblut-Lieder sind nicht nur düster und schwermütig, sondern auch hintergründig und ein bisschen philosophisch. „Weck mi ned auf“erzählt von einem angenehmen Tagtraum an der Bushaltestelle, mit der Bassklarinette wunderbar ergänzt von Florian Riedl. Kontrabassist Benjamin Schäfer bereitet einen sommernächtlichen Zigeunerinnen-Traum musikalisch vor. Für rockige Riffs und schaurige Stimmungen wie in dem schleppenden Blues „Bring me hoam“ist Luke Cyrus Goetze zuständig. Dann schleift er seine Lapsteel bis es wehtut und das „Blut aus den Löchern“tropft. Wenn man den Sinn des Texts im Stück „Zeit“nicht versteht, „macht auch nichts“, sagt Horn. Das lautmalerische Klarinettensolo von Florian Riedl lässt das „Fliegenmonster aus dem Apfelbutzenkloster“lebendig werden. Stechmücken, Kindern und anderen Blutsaugern widmet Sebastian Horn ein eigenes Lied – auch im Dreivierteltakt.
Schräge Gstanzl, wilde Dreher, wütende Texte – in der zweiten Hälfte wird die Gruppe immer rockiger und der Dreivierteltakt die Ausnahme. „Der Sturm“läutet die wilde Hatz ein, „Wannst mitm Teifi tanzt“ist eine schwindelerregende Polka und „I geh net hoam“fordert die Zuhörer heraus zu einem langen Applaus. Drei Zugaben spielt die Gruppe, unter anderem „Bigger Dog – Bigger Bite“aus dem Rosenmüller-Film „Wer früher stirbt, ist länger tot“, und stellt damit ihre Fangemeinde im Kolpinghaus restlos zufrieden.