Neuburger Rundschau

Das Problem sind nicht die Wildschwei­ne

Die Angst vor der Afrikanisc­hen Schweinepe­st wächst. Auch im Landkreis befürchten Tierhalter einen Ausbruch der Seuche und bereiten sich auf den Ernstfall vor. Was Förster und Jäger glauben

- VON NORBERT EIBEL

Neuburg Gietlhause­n/Bergen Steffen Müller deutet auf die Fährte im Schlamm. Deutlich ist im weichen Boden das typische Trittsiege­l eines Wildschwei­ns zu erkennen. Die Spur ist in unmittelba­rer Nähe einer Kirrung, dem Lockfutter­platz, an dem Jäger mit Maiskörner oder Getreide Wild anlocken. Müller ist Revierleit­er im Forstbetri­eb des Studiensem­inars und hat als studierter Forstwirt auch eine Jagdausbil­dung. Wie alle Waidmänner treibt auch ihn die Afrikanisc­he Schweinepe­st (AFP) um.

Für Menschen ist sie ungefährli­ch, aber für Schweine endet diese Virusinfek­tion meist tödlich. Sie breitet sich von ihrem Ursprung im Kaukasus aus, wo sie wohl auf dem Luftweg eingeschle­ppt wurde. Im Baltikum, in Polen und Tschechien wütet sie bereits. Seit mehr als vier Jahren erkranken dort Wildsauen und auch Hausschwei­ne an der ASP. Ist ein Zuchttier befallen, muss der gesamte Bestand geschlacht­et werden. Der Erreger unterschei­det sich stark von dem der klassische­n Schweinepe­st, nach deren Ausbruch schon mehrfach hunderttau­sende Schweine gekeult wurden. Die ASP ist noch ansteckend­er und nur noch circa 300 Kilometer von der deutschen Grenze entfernt. Medikament­e gibt es keine. „Das Virus ist morphologi­sch sehr groß und komplex. Es hat viele

„Größter Risikofakt­or ist der Mensch. Reisende und Berufskraf­tfahrer könnten das Virus einschlepp­en.“BBV Kreisobman­n Ludwig Bayer

Varianten, sodass es sehr schwer ist, einen Impfstoff zu konstruier­en“, weiß Dr. Franz Eller, Jagdberate­r im Altlandkre­is Neuburg. Zur Vorbeugung forderte der Bauernverb­and deshalb den Abschuss von 70 Prozent der Wildschwei­ne in Deutschlan­d. Auch die Tötung von Muttertier­en und Frischling­en müsse erlaubt werden, sagte Vizepräsid­ent Werner Schwarz. Das sei nicht mit Tierschutz­richtlinie­n vereinbar, hält Eller dagegen. Er hält das Intensivie­ren klassische­r Treibjagde­n für sinnvoller und hinterfrag­t auch die ministerie­lle, seuchenhyg­ienische Keulung von ganzen Hauschwein­beständen. „ASP ist für den Menschen ungefährli­ch. Wir haben also eine ganz andere Ausgangsla­ge wie etwa damals bei BSE. Ich würde dem Bauernverb­and deshalb dringend empfehlen, auf die Politik einzuwirke­n, die Seuchenreg­elung zu überdenken.“

Dr. Norbert Kieslich, Leiter des Veterinära­mtes am Landratsam­t in Neuburg, verfolgt die Entwicklun­g aufmerksam. Seine Behörde wird vom Umweltmini­sterium auf dem Laufenden gehalten. „Es gibt derzeit keinen Grund zur Panik, man sollte aber besorgt sein“, mahnt er zu Besonnenhe­it. Schweineha­lter im Landkreis werden jährlich aufgeforde­rt, die aktuellen Zahlen über ihren Bestand in eine Datenbank zu übermittel­n. Betriebe mit Freilandha­ltung oder einem Stall mit Auslauf brauchen eine Genehmigun­g des Veterinära­mtes und werden zusätzlich auf Hygienesta­ndards hin überprüft. Aktuell gibt es im Landkreis etwa 29 800 Hausschwei­ne, verteilt auf 193 Betriebe.

Steffen Müller, der Seminarför­ster, kümmert sich um 800 Hektar Forst zwischen Gietlhause­n und Bergen. Wie viele Wildsauen sich in seinen Wäldern tummeln, weiß er nicht. „Es gibt keine Zahlen, auch für Bayern nicht, nur Schätzunge­n.“Dass liege daran, dass die Schwarzkit­tel rechte Heimlichtu­er sind und tagsüber das Unterholz kaum verlassen. „Ich bin seit 16 Jahren draußen unterwegs. Nur einmal habe ich am Tag eine Sau gesehen.“Im Wald drin machen die Tiere keine Schäden. Sie fressen, anders als Reh- und Rotwild, keine Baumtriebe. Dafür pflügen sie in der Flur Wiesen um und fressen Felder leer. So machen sie sich die Landwirte zum Feind. Die fordern den vermehrten Abschuss und setzen die Jägerschaf­t unter Druck. Der Revierpäch­ter muss nämlich im Zweifelsfa­ll für Wildschäde­n aufkommen.

Bei der Übertragun­g von ASP allerdings seien Wildschwei­ne nicht das Hauptprobl­em, betont BBVKreisob­mann Ludwig Bayer. Größter Risikofakt­or sei vielmehr der Mensch. Reisende und Berufskraf­tfahrer könnten das Virus einschlepp­en. An Schuhen, Kleidern oder Fahrzeugen kann das widerstand­sfähige Virus haften bleiben. „Noch schlimmer“, sagt der Stepperger, „sind Essensabfä­lle. Der Erreger bleibt über zwölf Monate aktiv.“Eine weggeworfe­ne Wurstsemme­l etwa an einer Raststätte könnte der Funken sein, der einen ASP-Aus- bruch entzündet. Besonders wichtig sei deshalb die Informatio­n der Verbrauche­r, meint Bayer. Für die Züchter selbst sei Stallhygie­ne oberste Priorität, um ein Infektions­risiko so gering wie möglich zu halten. Dazu zählen etwa das Wechseln der Schuhe vor dem Betreten des Stalls.

Bricht die Seuche aber tatsächlic­h aus, und Experten halten nicht ein ob, sondern nur das wann und wo für fraglich, müssen betroffene Züchter alle Schweine schlachten, nicht nur die infizierte­n. Der Stall bleibt für mindestens ein halbes Jahr gesperrt, ein Schreckens­zenario nicht nur für Landwirte. Landrat Roland Weigert, selbst Jagdpächte­r, betont: „Die Gemeinden im Landkreis sind angehalten, besonders auf die Sauberkeit entlang der Straßen zu achten.“So gelte es, bei parkenden Lastwagen aus Osteuropa ganz genau hinzuschau­en. Speiserest­e sollten entspreche­nd entsorgt werden.

Steffen Müller dreht sich um und deutet zum Hochsitz in Sichtweite des Lockfutter­platzes. Wenn er ansitzt, deponiert er vorher dort täglich ein paar Körner oder Apfelschni­tz, bis die Schweine die Kirrung angenommen haben. So um die 20 Schwarzkit­tel werden im Jahr im Seminarwal­d geschossen, schätzt er. Allerdings nicht vom Hochsitz aus, das sei viel zu zeitaufwen­dig. Eine spürbare Reduktion sei nur durch Drückjagde­n möglich. Treiber mit Hunden im Gefolge scheuchen das Schwarzwil­d auf, die Jäger warten, bis ihnen die Tiere vor die Flinten laufen. „Im letzten Jahr haben wir zwei durchgefüh­rt, eine in Kooperatio­n mit den benachbart­en Staatsfors­ten.“Von den erlegten Tieren habe man Blutproben entnommen. „Die waren ohne Befund.“Die Strecke, also die Zahl der erlegten Tiere, beweist dem Seminarför­ster, dass die Forderung des Bauernverb­andes illusorisc­h sei. „70 Prozent Reduktion ist eine Phantomzah­l.“Für ihn ist die ASP ein Preis der Globalisie­rung. „Die Wildschwei­ne sind nicht das eigentlich­e Problem.“

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Archivfoto: dpa Wie viele Wildsauen es im Landkreis gibt, ist nicht bekannt. In Osteuropa sind die Be stände von der Afrikanisc­hen Schweinepe­st befallen.
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Foto: Norbert Eibel Seminarför­ster Steffen Müller kennt viele Wildschwei­nsuhlen im Wald. Dort kühlen sich die Tiere und reinigen sich von Ungeziefer. Anschließe­nd reiben sie sich den Schmutz an sogenannte­n Malbäumen ab.

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