Neuburger Rundschau

Gesucht: Die Milchkuh

Früher war sie in allen Regalen zu sehen, mittlerwei­le muss man nach ihr suchen. Woher kommt die Kuh mit dem Herz und wohin ist sie verschwund­en? Eine Suche nach einem (falschen) Mythos und einer versteckte­n Marke

- VON BASTIAN SÜNKEL

Früher war sie in allen Regalen zu sehen, mittlerwei­le muss man nach ihr suchen. Woher kommt die Kuh mit dem Herz und wohin ist sie verschwund­en?

Neuburg Das Logo der Neuburger Milchwerke kennt jeder, der in der Region groß geworden ist. Eine offenkundi­g gut gelaunte Milchkuh mit Blume zwischen den Lippen lächelt, auf einem roten Herz gebettet, in den Tag hinein. Früher war das Logo überall in Neuburg zu sehen, vor allem in den Kühlregale­n der kleinen Läden, bei Discounter­n und Supermärkt­en. Mittlerwei­le grinst die Kuh hauptsächl­ich von den silbernen Tanklastzü­gen auf Autofahrer und Passanten hinab. So wie sie es schon vor mehr als 30 Jahren gemacht hat. Wohin die Milchkuh verschwund­en ist? Darauf gibt es viele, aber keine einfache Antwort. Wo sie einst herkam? Diese Frage kann Günter Renner beantworte­n, der ehemalige Direktor der Milchwerke.

Günter Renner, 75, muss als erstes mit einem Mythos aufräumen, der sich erst vor drei Jahren begründet und auch unsere Zeitung fälschlich­erweise veröffentl­icht hat: Die Neuburger Milchkuh hat nicht der berühmte Grafiker und Künstler Kurt Gloszat entworfen. Gloszat hat zweifelsfr­ei viele berühmte Logos entworfen, wie die bekannten Schriftzüg­e für Pfanni und Bahlsen. Aber das Logo der Milchkuh stammt nicht von ihm, ja noch nicht einmal aus Neuburg, erzählt der ehemalige Direktor.

In den 1970er Jahren, nachdem er als Vertriebsl­eiter der Milchwerke in Neuburg angefangen hatte, reiste er oft nach Frankfurt. Ein berühmter Einzelhänd­ler mit zahlreiche­n Filialen namens „Schade & Füllgrabe“, dessen wirtschaft­liche Glanzzeite­n der Vergangenh­eit angehörten, hatte einen Wunsch: Alle Produkte der Neuburger Milchwerke, die der Händler in den kleinen Innenstadt­läden im Hessischen verkaufte, sollte das Logo der Kuh mit Herz zieren. Das Logo hat ein Grafiker bei „Schade & Füllgrabe“entwickelt. Als Günter Renner 1980 zum Direktor der Molkerei ernannt wird und eine Zukunft für Schade & Füllgrabe immer unwahrsche­inlicher wurde, fragte er bei seinem Kunden an, ob die Neuburger Milchwerke das Logo abkaufen und patentiere­n lassen können, um es für alle Produkte zu verwenden. Wenig später war die lächelnde Kuh aus Neuburg kaum mehr wegzudenke­n. Zuvor existierte nur ein eher unbekannte­s Logo, bestehend aus vier „N“als Windrose angeordnet. Das bis heute einen der Milchwerke-Türme an der Nördlichen Grünauer Straße.

Günter Renner kann die Entstehung­sgeschicht­e des Logos lückenlos erklären. Auch auf die Frage, warum die Milchkuh aus den Kühlregale­n verschwund­en ist, kennt er Antworten. Supermärkt­e und Discounter reiften in den Achtzigern zu Giganten heran und setzten verstärkt auf Handelsmar­ken. Handelsmar­ken haben den Vorteil, dass sie nicht unmittelba­r mit dem Hersteller in Verbindung gebracht werden können und einen Werbezweck für die ganze Kette erfüllen. Die Neuburger lernten, zweigleisi­g zu fahren. Die Kuh existierte weiter, aber man druckte nun Handelsmar­ken auf die Milchtüte und den Puddingdec­kel.

Nicolas Reichart ist Produktman­ager bei Omira. Jene Firma, die die Milchwerke übernommen hat und die im Sommer 2017 ihrerseits vom französisc­hen Molkerei-Riesen aufgekauft wurde. Er erklärt: „Im Fall der Neuburger Milchwerke vertreiben wir zwar auch noch an den Einzelhand­el, aber die Regalplätz­e in den Märkten sind knapp. Die Händler fokussiere­n sich größtentei­ls auf die großen Marken, die mit entspreche­ndem Werbebudge­t den Abverkauf unterstütz­en.“Daneben hätten sich die Handelsmar­ken etabliert, die allerdings für Landwirte und Molkereien problembeh­aftet sind: Sie drücken den Preis.

Wer verkauft die Neuburger Milch überhaupt noch? Oder ist die Milchkuh still und heimlich verschwund­en und durch Handelsmar­ken ersetzt worden? Die Suche beginnt bei Omira. Die Marketinga­bteilung erklärt, dass die Neuburger Milchkuh noch auf der H-Milch (1,5 und 3,5%) und vier Sorten Pudding (je zwei Vanille und zwei Schoko) zu sehen ist. „Diese Artikel werden hauptsächl­ich an Großverbra­ucher und den Großhandel gelieziert fert und deshalb bekommt der Endkunde über diese Vertriebsw­ege oft die Neuburger Milchkuh nicht zu sehen“, erklärt Reichart.

Acht Anrufe später ist klar, dass zumindest die Neuburger H-Milch in Deutschlan­d im freien Handel verkauft wird. In Schleswig-Holstein zum Beispiel, bei den im Süden eher unbekannte­n Märkten „Famila“oder „Markant“. Daneben sind es vor allem Großhändle­r, die die Gastronomi­e, Hotellerie und Lebensmitt­elproduzen­ten wie Bäckereien beliefern. Die Neuburger Milch wird „im Hintergrun­d“vermarktet. Einer der VerLactali­s markter ist Lebrecht Goeritz aus dem niederbaye­rischen Abensberg. Der Großhändle­r von Molkereipr­odukten erklärt, dass er in Neuburg 40 bis 50 Kunden beliefert und auch einen Teil von ihnen mit Neuburger Milch versorgt.

Wer genau hinsieht, findet die Neuburger Milchkuh aber auch noch im Neuburger Handel. Marktkauf und der Edeka in der Adlerstraß­e führen die H-Milch regulär im Sortiment. Bei anderen Märkten, wie Edeka im Südpark, wird sie als Handelsmar­ke „Gut & günstig“verkauft. Tatsächlic­h: In Marken, die die Kennziffer „104“führen, versteckt sich Neuburger Milch, erklärt Produktman­ager Reichart. Und schließlic­h gibt es noch den Werksverka­uf bei den Neuburger Milchwerke­n: Jeden Mittwoch von 9 bis 12 Uhr und 13 bis 16 Uhr kann jeder so viel Milch mit der Neuburger Kuh kaufen, wie er will.

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Foto: Bastian Sünkel Ein bekanntes und ein eher unbekannte­s Logo: Die vier „N“(am Gebäude im Hintergrun­d) sind eher auf Briefköpfe­n der Firma als auf Verpackung­en aufgetauch­t. Die Kuh ist seit den frühen Achtzigerj­ahren das offizielle Logo der Neuburger Milchwerke....
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So (er)kennen Neuburger „ihre“Milch: an der Kuh im Herz.

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