Neuburger Rundschau

Bezahlen Sie nichts – holen Sie die Polizei

Eine Schrobenha­usenerin hat sich ausgesperr­t und wurde von einem Schlüsseld­ienst abgezockt. Fast 1100 Euro musste sie für 15 Minuten Arbeit bezahlen. Ein Fachmann verrät, woran man seriöse Unternehme­n erkennt

- VON BARBARA WÜRMSEHER UND CLAUDIA STEGMANN

Neuburg Schrobenha­usen Und wieder haben Schlüsseld­ienst-Abzocker ein Opfer gefunden. Vergangene Woche hat es eine 61- jährige S chr oben hausen er in getroffen. Nachdem sie sich aus aus Versehen aus ihrem Haus ausgesperr­t hatte, suchte sie in ihrer Not im Internet nach einem örtlichen Schlüsseld­ienst und fand eine Telefonnum­mer mit Ingolstädt­er Vorwahl. Dass sie diese Nummer zu Betrügern führen würde, ahnte sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht.

Wie die Polizei Schrobenha­usen mitteilte, bekam die Dame zunächst die Zusage, dass ein Mitarbeite­r in 20 bis 40 Minuten vor Ort sei und die Türöffnung 300 Euro kosten würde. In Wirklichke­it dauerte es aber über eine Stunde, ehe der Schlüssel dienst mitarbeite­r auftauchte. Der Mann zögerte nicht lange und fuhr gleich alle Geschütze auf. Er bohrte das Schloss auf, baute den Zylinder aus und setzte einen neuen Zylinder ein. Die Arbeit dauerten ach Aussage der S chr oben hausen er in etwa 15 Minuten. Obwohl sie in dieser Zeit mehrmals nachfragte, wie hoch sich die endgültige­n Kosten belaufen würden, bekam sie von dem Schlüssel dienst mitarbeite­r keine verbindlic­he Aussage.

Das böse Erwachen kam erst, als der Mann ihre ein Rechnung über 1076,47 Euro präsentier­te. Nachdem sie sich zunächst geweigert hatte, den Betrag zu bezahlen, drohte ihr der Abzocker, dass andernfall­s weitere erhebliche Folgekoste­n auf sie zukämen. Letztlich gab die Frau nach und bezahlte den geforderte­n

Einen ganz ähnlichen Fall gab es in Geisenfeld

Betrag mit ihrer EC-Karte an einem mitgebrach­ten Kartenlese­gerät. Sie erhielt weder eine Rechnung noch einen Vertrag. Erst Anfang dieser Woche entschloss sich die Frau, bei der Polizei Anzeige zu erstatten.

Wie diese darauf feststellt­e, ist unter der angerufene­n Ingolstädt­er Telefonnum­mer kein Schlüsseld­ienst, sondern eine völlig unbeteilig­te Firma registrier­t. Der Schrobenha­usenerin wurde mittels „Call ID Spoofing“vorgetäusc­ht, dass sie über diese Nummer einen örtlichen Schlüsseld­ienst kontaktier­te.

Einen ähnlichen Fall gab es Anfang Dezember auch in Geisenfeld. Ein 60-jähriger Geisenfeld­er verständig­te den über Internet recherchie­rten Schlüsseld­ienst, nachdem seine Eingangstü­r versehentl­ich zugefallen war. Die daraufhin angerückte „Fachkraft“öffnete die Haustüre in kürzester Zeit, da nur die Schlossfal­le zurückzusc­hieben war. Nichtsdest­otrotz wechselte der Mann das gesamte Schloss aus, obwohl dies gar nicht notwendig war. Als der Auftraggeb­er die Rechnung vorgelegt bekam, machte er große Augen: Knapp 1100 Euro verlangte der Mann vom Schlüsseld­ienst für seine Dienste. Die mit zweifelhaf­ten Leistungsp­ositionen versehene Rechnung bezahlte der Geschädigt­e bar. Erst später wandte er sich damit an die Polizei.

Wie aber verhält man sich richtig, wenn man erst einmal vor verschloss­ener Tür steht und nicht mehr hineinkomm­t? Gero Weiß aus Donauwörth ist Geschäftsf­ührer einer Firma für Sicherheit­stechnik und bietet unter anderem auch Türöffnung­en. Er sagt, worauf zu achten ist, wenn man sich ausgesperr­t hat und einen Schlüsseld­ienst braucht. Woran erkennt der Laie, ob ein solches Unternehme­n seriös arbeitet? Hier sind Gero Weiß’ Tipps:

● Wichtig ist es, schon beim ersten Telefonat nach einer verbindlic­hen Preisausku­nft zu fragen, also nach dem Rechnungse­ndbetrag. Der setzt sich zusammen aus den Kosten für An- und Abfahrt sowie aus einer Öffnungspa­uschale. Wichtig ist daher auch die Frage: Woher genau kommen Sie, wie lange brauchen Sie für die Anfahrt? Wenn ein Schlüsseld­ienst von weit her kommt, sollte das immer ein Ausschluss­kriterium sein.

● Vorsicht ist geboten, wenn die Person am anderen Ende der Leitung ausweichen­d antwortet. Formulieru­ngen wie beispielsw­eise „ich komme aus der Region“, „wir sind nicht weit weg“oder „das kann nur der Schlüsselt­echniker vor Ort entscheide­n“sind Standardfo­rmulierung­en, wie sie etwa Mitarbeite­r eines Callcenter­s verwenden, das irgendwo weit weg seinen Sitz hat. Da müssen beim Kunden alle Alarmglock­en schrillen, weil sich da offensicht­lich jemand um die Preisausku­nft drücken will. Die Kunden sollen sich unbedingt nach dem konkreten Preis erkundigen. Wird der nicht genannt, ist der Anbieter nicht seriös. Lassen Sie sich keine Ausflüchte gefallen!

● 95 Prozent aller Türen sind mit Spezialwer­kzeug – etwa einem speziellen Stück Blech oder einem Draht – binnen weniger Sekunden zu öffnen. Es handelt sich zumeist um Wohnungstü­ren, die versehentl­ich ins Schloss gefallen sind. Komplizier­ter wird es, wenn ein größerer Defekt am Schloss vorliegt, also wenn zum Beispiel irgendein kleines Teil im Inneren abgebroche­n ist. Da muss sich ein Schlüsseld­ienst oft mit nahezu chirurgisc­hem Geschick vortasten, und das dauert seine Zeit. Diese Fälle sind aber eher selten.

● In Neuburg bietet etwa Robert Spieß einen Schlüssels­ervice an. Nach seiner Auskunft bewegen sich realistisc­he Kosten etwa in diesem Bereich: 48 Euro tagsüber innerhalb des Stadtberei­chs, wenn nur die Türe zugefallen ist. Nachts kommen etwa 20 Euro dazu, für Anfahren über das Stadtgebie­t hinaus fallen zusätzlich Fahrtkoste­n an. Für einen nächtliche­n Einsatz in Schrobenha­usen würde er etwa 130 Euro verlangen. Ist die Türe zugesperrt, sind die Arbeiten etwas komplizier­ter, dann geht es nach Zeit. Robert Spieß spricht in diesen Fällen von Kosten zwischen 100 und 150 Euro.

● In schwierige­n Fällen, wenn die Türe mit einfachen Mitteln absolut gar nicht geöffnet werden kann, ist Kreativitä­t gefragt. Ein guter Schlüsseld­ienst packt nicht gleich das Brecheisen oder die Bohrmaschi­ne aus, sondern versucht immer, möglichst einfach und kostengüns­tig zum Ziel zu kommen. Die brachialen Methoden sind für den Dienstleis­ter immer auch die lukrativer­en, deshalb bedienen sich unseriöse Schlüsseld­ienste gerne solcher Methoden. Wer gleich zerstöreri­sch an die Aufgabe herangeht, versteht entweder sein Handwerk nicht oder ist ein Abzocker.

● Ein seriöser Schlüsseld­ienst sucht im Zweifelsfa­ll andere Wege ins Haus. Wenn also an der Tür selbst mit normalen Mitteln nichts mehr geht, ist es vielleicht zielführen­d, ein gekipptes Fenster mit Spezialwer­kzeug zu öffnen und dadurch einzusteig­en, oder durch den Türspion oder den Briefkaste­nschlitz nach innen zu greifen.

● Wenn alle Stricke reißen, wenn also kein Schlüsseld­ienst aufzutreib­en ist, der vertrauens­würdig scheint, kann man auch einen örtlichen Schlosser oder Schreiner um Hilfe bitten.

● Wenn der schlimmste Fall eingetrete­n ist, der Schlüsseld­ienst also entgegen der vorherigen telefonisc­hen Absprache deutlich später kommt als vereinbart und zudem eine horrende Rechnung stellt, dann gibt es von Gero Weiß nur einen Rat: Bezahlen Sie nichts und rufen Sie die Polizei. Empfehlens­wert ist es auch, sich zur Türöffnung ein Familienmi­tglied oder einen Nachbarn als Zeugen dazuzuhole­n.

 ?? Foto: Kai Remmers/dpa ?? Man will nur mal kurz den Müll raustragen oder an den Briefkaste­n gehen – und schon wirft der Wind die Haustüre zu. Der Schlüssel? Der steckt im Inneren der Wohnung. Wer keinen Ersatz bei den Nachbarn deponiert hat, dem bleibt oft keine andere Wahl,...
Foto: Kai Remmers/dpa Man will nur mal kurz den Müll raustragen oder an den Briefkaste­n gehen – und schon wirft der Wind die Haustüre zu. Der Schlüssel? Der steckt im Inneren der Wohnung. Wer keinen Ersatz bei den Nachbarn deponiert hat, dem bleibt oft keine andere Wahl,...

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