Neuburger Rundschau

Kein Kind von Traurigkei­t

Martin Kind hat große Pläne in der Bundesliga. Um Hannover 96 nach vorne zu bringen, will er eine Regel kippen. Damit eckt er selbst bei den eigenen Fans an

- Christian Gall

Martin Kind spielt im deutschen Fußball eine Rolle wie kaum ein anderer. Allerdings nicht mit dem Ball auf dem Platz, sondern mit viel Geld in Geschäftsr­äumen. Die meisten Menschen kennen den Familienna­men Kind wohl nicht aus dem Sport, sondern von Hörgeräten. Der 73-jährige Martin Kind ist Erbe und Geschäftsf­ührer der Kind-Gruppe. Der Konzern ist nicht nur deutscher Marktführe­r für Hörgeräte, sondern vertreibt auch Produkte für Arbeitssic­herheit. Erst unter Martin Kind wuchs das Unternehme­n zu seinen heutigen Ausmaßen. Kein Wunder, dass der gebürtige Niedersach­se ein stolzes Finanzpols­ter besitzt. Mit 600 Millionen Euro Privatverm­ögen kann er sich zu den reichsten Menschen Deutschlan­ds zählen. Daneben besitzt der ausgebilde­te Hörakustik­er neben der deutschen auch die Schweizer Staatsbürg­erschaft.

Was fängt ein Mann mit so viel Geld nun an? Kind fasste den Entschluss, sich an dem großen Fußballver­ein seiner Heimat zu beteiligen: Hannover 96. Im Jahr 1997 ging es dem Klub schlecht. Sportlich und finanziell war er am Boden, die Mannschaft spielte nur in der Regionalli­ga Nord. Im September des Jahres übernahm Kind das Präsidente­namt des Klubs. Und es ging wieder bergauf. 1998: zweite Bundesliga. Drei Jahre darauf: Bundesliga. Kind sei Dank. Dabei war der verheirate­te Vater von zwei Söhnen alles andere als ein Fußballexp­erte. „Bis 18 habe ich selbst ge- spielt, das war’s“, fasste er sein Wissen in einem Interview zusammen. Für Hannover 96 lief unter seiner Führung aber nicht alles gut. Kind ist bekannt dafür, sein Personal zu verschleiß­en. In seiner knapp 20-jährigen Amtszeit arbeiteten 18 Cheftraine­r für den Verein. Fans werfen Kind vor, dass sein harter Führungsst­il dem Verein schade und in seiner Entwicklun­g hemme. Inzwischen geht der Unmut so weit, dass regelmäßig „Kind muss weg“-Rufe die Spiele begleiten.

Zudem versucht er seit Jahren seinen Einfluss auf den Verein auszuweite­n – dafür legte er sich mit dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) an. Denn in der Bundesliga verhindert die sogenannte 50+1-Regel, dass Investoren mehr als 50 Prozent des Stimmrecht­s an einem Verein haben. Die Entscheidu­ngshoheit liegt demnach immer bei den Vereinen. Doch es gibt Ausnahmen, wenn sich ein Investor lange Zeit für einen Verein eingesetzt hat. Kind möchte erreichen, dass die Ausnahmere­gelung auch für Hannover 96 greift. Diese Forderung hat er vor gut einer Woche überrasche­nd wieder zurückgezo­gen, gleichzeit­ig aber eine Grundsatzd­ebatte angestoßen. Das DFB-Präsidium will die 50+1-Regel in den kommenden Monaten auf den Prüfstand stellen. Sollte der DFB die Regel kippen, will Kind das Präsidente­namt aufgeben und sich in den Aufsichtsr­at zurückzieh­en. Die Macht über den Klub hätte er mit seiner firmeneige­nen Investoren­gruppe dann ohnehin.

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Foto: Witters

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