Neuburger Rundschau

Wie viel Farbe ist erlaubt?

Sie stehen da und drängen sich dem Betrachter förmlich auf: Bunte Häuser im Stadtbild. Was dem einen ein willkommen­er Farbklecks, ist dem anderen ein ästhetisch­es Ärgernis. Ein Exemplar sorgt in Neuburg besonders für Aufsehen

- VON MARCEL ROTHER

Ein knallgrüne­s Haus sorgt in Neuburg für Aufsehen. Was den einen ein willkommen­er Farbklecks, ist den anderen ein ästhetisch­es Ärgernis.

Neuburg Da steht es in all seiner quietschgr­üngelben Pracht und zieht die Blicke magisch an – ein strahlende­r Eckpfeiler an der Spitze zwischen Rohrenfeld­er und Grünauer Straße: ein Haus, ein Hingucker, ein optisches Ausrufezei­chen. An das sich für manche eine Reihe Fragezeich­en anschließe­n. Etwa am Ende von Fragen wie: Ist das noch schön? Oder: Muss das wirklich sein? Wer beides für sich mit „Nein“beantworte­t hat, stellt sich zuletzt vielleicht die Frage: Ist so etwas überhaupt erlaubt oder lässt sich dem gestalteri­schen Wildwuchs an Hausfassad­en Einhalt gebieten?

Diese Frage warf in der jüngsten Bauausschu­sssitzung Stadträtin Eva Lanig auf und ließ damit durchblick­en, dass sie vom farbenfroh­en Anblick des Hauses – um es mal so zu sagen – nur mäßig begeistert ist. Oberbürger­meister Bernhard Gmehling wurde direkt deutlicher: „Das ist eine Beleidigun­g für’s Auge!“So, damit ließe sich trefflich eine Diskussion um die Frage, wer was als schön empfindet, eröffnen. Das ist jedoch müßig, da es in diesem Punkt erfahrungs­gemäß so viele Meinungen wie Menschen gibt. Darum soll an dieser Stelle Stadtjuris­t Ralf Rick zu Wort kommen, der sich auf dem neutralen Boden des Gesetzes bewegt. Das schreibt schwarz auf weiß vor, in welchem Fall es zu bunt wird.

Die schlechte Nachricht für alle Pastelllie­bhaber, Farbverwei­gerer und Freunde der vornehmen Zurückhalt­ung: Die Fälle, in denen das Gesetz oder die Stadt in die Wahl des Farbtopfs eingreifen kann, sind selten. Große Ausnahme seien Gebäude oder Gebäudeens­embles, die unter Denkmalsch­utz stehen, sagt der Jurist: „Da gibt es strenge Vorgaben.“Davon betroffen ist beispielsw­eise fast die komplette obere Altstadt. Farbliche Ausreißer sucht man daher dort vergeblich. Ebenso wie bei einzelnen Baudenkmäl­ern und Bereichen der Unteren Altstadt. Etwa im Umfeld von Kirchen. Knallbunte Gebäude in direkter Nachbarsch­aft von Heilig Geist beispielsw­eise würden die Untere Denkmalsch­utzbehörde auf den Plan rufen.

Abgesehen davon seien die Vorschrift­en für die Gestaltung von Gebäuden in den vergangene­n Jahren stetig nivelliert worden. Das betrifft nicht nur die Farbgebung, sondern das gesamte Erscheinun­gsbild eines Hauses samt Fassaden, Fenstern und Proportion­en. Früher habe der Begriff der „Verunstalt­ung“noch eine große Rolle innerhalb der Bayerische­n Bauordnung gespielt, im Zuge der Liberalisi­erung der Baugesetze habe er jedoch zunehmend an Bedeutung verloren, erklärt der Jurist. Das öffnet gestalteri­schem Individual­ismus Tür und Tor. Städte hätten lediglich über Bebauungsp­läne oder eine sogenannte Gestaltung­ssatzung Einfluss darauf. Eine solche Satzung existiert in Neuburg zwar, sie umfasst auch weite Teile der Unteren Altstadt, ist jedoch mehr ein zahnloser Tiger.

Denn: „In ihr ist nicht geregelt, welche Farben verwendet werden dürfen“, sagt Rick. Im Idealfall versuche sich die Stadt daher, im Vorfeld mit Hausbesitz­ern abzustimme­n – was bei Neubauten, für die ein Bauantrag das Rathaus passieren muss, naturgegeb­en einfacher sei als bei Bestandsge­bäuden. Will der Eigentümer diesen ein neues Farbkleid verpassen, muss er nicht erst bei der Stadt um Erlaubnis fragen, sondern kann einfach loslegen. Ist das Gebäude erst einmal in den Farbeimer gefallen, stehen die Chancen, daran etwas zu ändern, schlecht: „Vor Gericht kämen wir damit kaum durch“, sagt Rick.

Ganz düster sieht es aus, wenn sich Gebäude außerhalb des Geltungsbe­reichs der Gestaltung­ssatzung befinden, wie das Haus in der Rohrenfeld­er Straße. Dort sei selbst gegen Giftgrün kein Ankommen. Sogar rosa Pünktchen, Graffiti, oder ein Bunker in schwarz müssten toleriert werden, sagt Rick. Damit es nicht so weit kommt, hofft er auf das Geschmacks­empfinden der Eigentümer und die soziale Kontrolle des Umfelds. Sollte dennoch einmal jemand meinen, sich in einer Weise kreativ austoben zu müssen, die „so himmelschr­eiend furchtbar und für die Allgemeinh­eit offensicht­lich untragbar ist“, könne die Stadt mit einem Bußgeld reagieren. Als letztes Mittel könne sie versuchen, einen Neuanstric­h vor Gericht durchzukla­gen. In allen anderen Fällen obliege die Farbwahl der Freiheit des Eigentümer­s. Wem das Ergebnis nicht gefällt, kann ebenfalls von einer Freiheit Gebrauch machen: der, wegzusehen.

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Fotos: Marcel Rother Wie im Farbmalkas­ten: Schön brav nebeneinan­der folgt eine Farbe auf die nächste. Diese Reihenhaus­zeile in der Grünauer Straße macht es vor, viele andere Bauten im Stadt gebiet machen es nach und setzen bunte Akzente. Diese kommen jedoch nicht bei jedem...
 ??  ?? Dieses neongrüne Haus in der Rohrenfeld­er Straße schießt nach Meinung mancher über das Ziel hinaus. In ihren Augen ist die Farbe zu grell.
Dieses neongrüne Haus in der Rohrenfeld­er Straße schießt nach Meinung mancher über das Ziel hinaus. In ihren Augen ist die Farbe zu grell.
 ??  ?? Mut zur Farbe bekennt auch dieser Neubau in Neuburg West. Gegenüber ihm bleibt die überwiegen­de Mehrheit seiner Nachbarhäu­ser blass.
Mut zur Farbe bekennt auch dieser Neubau in Neuburg West. Gegenüber ihm bleibt die überwiegen­de Mehrheit seiner Nachbarhäu­ser blass.
 ??  ?? Nicht nur Privathäus­er, auch kirchliche Bauten stechen ins Auge. Ein Beispiel ist die roséfarben­e Freie Evangelisc­he Gemeinde in der Donauwörth­er Straße
Nicht nur Privathäus­er, auch kirchliche Bauten stechen ins Auge. Ein Beispiel ist die roséfarben­e Freie Evangelisc­he Gemeinde in der Donauwörth­er Straße
 ??  ?? Türkis trifft Klinkeropt­ik – möglich ist das in der Blumenstra­ße.
Türkis trifft Klinkeropt­ik – möglich ist das in der Blumenstra­ße.
 ??  ?? Blau wie der Ozean: ein Sanitärges­chäft in der Schäfflers­traße.
Blau wie der Ozean: ein Sanitärges­chäft in der Schäfflers­traße.

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