Neuburger Rundschau

Liebe, Kunst und Leidenscha­ft

Die Neuburger Sommerakad­emie wird heuer 40 Jahre alt. Inge Schneider und Dieter Distl erinnern sich, Kathrin Jacobs blickt voraus

- VON DOROTHEE PFAFFEL

Neuburg Sie gilt als eine der größten und ältesten Akademien Deutschlan­ds mit Meisterkur­sen auf höchstem Niveau: die Neuburger Sommerakad­emie. Heuer wird sie 40 Jahre alt. In dieser Zeit ist viel passiert – aber nicht nur künstleris­ch. So manche Berühmthei­t war zu Gast und der ein oder andere hat seine große Liebe gefunden. Es wurde gearbeitet – doch auch viel gefeiert. Und einmal musste der damalige Kulturamts­leiter Dieter Distl sogar selbst zum Putzeimer greifen und Wasser abschöpfen, um ein Konzert zu retten.

Inge Schneider war von Anfang an dabei, sie hat die Akademie mit initiiert – und nimmt heute noch an Kursen der Bildenden Kunst teil. Fast alle Dozenten kennt sie persönlich. Für die einen ist sie das „Herz“, für die anderen der „Engel“der Sommerakad­emie. Fragt man sie nach ihren schönsten Erinnerung­en, weiß sie gar nicht so recht, wo sie beginnen soll. Los ging es 1979 mit einem einzigen Malkurs und 13 Teilnehmer­n aus der Region. 250 DM mussten diese damals für 14 Tage Unterricht im Kongregati­onssaal bezahlen. Gefängnisi­nsassen sollen den Hobbykünst­lern zwischendu­rch frisches Malwasser gebracht haben. „Das war nicht nur ein bisschen Bildchen malen, wir haben hart gearbeitet!“, betont Schneider. Professor Karl Haberl, der die Akademie bis 1985 leitete, habe sich viel Mühe gegeben. „Es war wie ein Kunststudi­um“, schwärmt die Neuburgeri­n, die eigentlich aus Essen kommt und erst seit 1968 hier lebt.

Natürlich gehörte neben dem harten Arbeiten auch das gemütliche Beisammens­ein zur Sommerakad­emie dazu. An vorderster Front sei hier die bekannte Schriftste­llerin Eva Heller („Beim nächsten Mann wird alles anders“) gewesen, die von 2001 bis 2003 dabei war. An sie erinnert sich auch Dieter Distl, der von 1987 bis 2012 Kulturamts­leiter in Neu- burg war. Heller sei immer mit ihrem goldenen Jaguar angereist, berichtet er. Meist saß sie beim „Luggi“in der Blauen Traube. Dort habe die Dame gerne „einen zu viel getrunken“– weit über die Sperrstund­e hinaus – und sich mit dem Wirt angelegt, bis sie eines Tages Hausverbot bekam. Im Jahr darauf kam sie aber trotzdem wieder. Eva Heller habe auch stets in den Malkursen geraucht, obwohl das verboten war. Wies man sie darauf hin, habe sie nur gemeint: „Ich habe doch keinen Nichtrauch­er-Kurs gebucht!“, erzählt Inge Schneider und lacht. Eva Heller war nicht die einzige bekannte Persönlich­keit, die die Sommerakad­emie nach Neuburg lockte. Gerhard Polt kam zum Beispiel 1988 zum zehnjährig­en Bestehen, 1999 feierte die Biermösl Blosn beim Abschlussf­est mit.

Im Laufe der Jahre sprach sich die Qualität und das attraktive Ambiente der Neuburger Sommerakad­emie herum. Die enge Verbindung zur Akademie der Bildenden Künste in München tat ihr Übriges. So reisten immer mehr Künstler und Musiker aus der ganzen Welt in die Ottheinric­hstadt. „Kreativ-Tourismus“nennt Distl dieses Phänomen. Namhafte Dozenten gaben sich die Klinke in die Hand. Auf Karl Haberl folgte Gerd Dengler, später waren als Dozenten und Künstleris­che Leiter zum Beispiel Franz Billmayer, Georg Brunner, Herbert Wiedemann und Christian Frosch zu Gast. Letzterer hat unter den Teilnehmer­innen seine große Liebe gefunden, sagt Schneider. Und auch sonst habe es zahlreiche Liebeleien und Affären gegeben, fügt Distl hinzu. „Viele haben sich dort kennengele­rnt. Es gibt aber auch viele, die sich dort getrennt haben. Die Sommerakad­emie ist eine große Kontaktbör­se.“

Noch etwas anderes ist dem ehemaligen Kulturamts­leiter besonders gut in Erinnerung geblieben: ein Dozentenko­nzert 1994 auf Schloss Grünau. Wegen eines Unwetters gab es eine Überschwem­mung und das Turmzimmer, in dem Werke von Haydn, Mozart und Schubert gespielt wurden, stand leicht unter Wasser. Distl und Fremdenver­kehrschefi­n Marieluise Kühnl mussten mit Putzeimern und Schrubbern anrücken. Kerzen sorgten gezwungene­rmaßen für festliche Stimmung, weil der Strom ausgefalle­n war.

Gerade die Örtlichkei­ten machten und machen das besondere Flair der Neuburger Sommerakad­emie aus: Früher gab es noch viele Ateliers für die Künstler in leer stehenden Gebäuden in der Altstadt, zum Beispiel im Loibl- und im Mockhaus. Schneider: „Das war schon abenteuerl­ich. Da kam teilweise der Putz von den Wänden und man musste aufpassen, wo man hintrat.“Doch inzwischen sind fast alle dieser Häuser saniert und werden anderweiti­g genutzt. Während die Musiker in der Vhs oder in Schulen unterkomme­n, wird es für die Bildenden Künstler immer schwierige­r, berichtet Kulturamts­leiterin Kathrin Jacobs. Ihrer Ansicht nach wird sich die Stadt bald Gedanken machen müssen, was sie langfristi­g möchte. Jacobs hat zwei Ideen, wobei sie betont, dass es noch keine konkreten Pläne gebe. Vorstellba­r sei entweder eine ganzjährig­e Akademie oder man behält den zweiwöchig­en Eventchara­kter bei und überlegt sich ein ganzheitli­ches Nutzungsko­nzept mit einheimisc­hen Künstlern. Allerdings werden in beiden Fällen Liegenscha­ften benötigt, die es – zumindest derzeit – nicht gibt. Die Raumsituat­ion sei für die gesamte Kulturszen­e in Neuburg ein Problem, meint Jacobs. „Hier wird man irgendwann nicht mehr drum herum kommen, Geld in die Hand zu nehmen.“ Anmeldung Es gibt immer noch freie Plätze in den Kursen. Buchungen sind im Kulturamt bei Marina Gloßner möglich (Telefon: 08431/55234, E Mail: kul tur@neuburg donau.de). www.sommerakad­emie neu burg.de

 ??  ?? Die erste Neuburger Sommerakad­emie fand im August 1979 statt. Ursprüngli­ch gab es kein Booklet, sondern lediglich einen Flyer (links). Gemalt wurde im Kongregati­onssaal (Mitte) oder eben einfach im Freien in der Altstadt, so wie Inge Schneider (rechts).
Die erste Neuburger Sommerakad­emie fand im August 1979 statt. Ursprüngli­ch gab es kein Booklet, sondern lediglich einen Flyer (links). Gemalt wurde im Kongregati­onssaal (Mitte) oder eben einfach im Freien in der Altstadt, so wie Inge Schneider (rechts).
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 ??  ?? 1990 gab es zum ersten Mal eine Akademie für Kinder – zu nächst war sie für den Nachwuchs der erwachsene­n Künstler gedacht. Inzwischen ist sie auch sonst sehr beliebt.
1990 gab es zum ersten Mal eine Akademie für Kinder – zu nächst war sie für den Nachwuchs der erwachsene­n Künstler gedacht. Inzwischen ist sie auch sonst sehr beliebt.
 ??  ?? Inge Schneider (links) und Eva Heller lernten sich bei der Aka demie kennen. Heller recherchie­rte hier auch für ihre Bücher.
Inge Schneider (links) und Eva Heller lernten sich bei der Aka demie kennen. Heller recherchie­rte hier auch für ihre Bücher.
 ??  ?? Im Zirkuszelt, das 1994 aufgestell­t wurde, haben Teilnehmer eifrig getrommelt. Dort kam man gerne zusammen.
Im Zirkuszelt, das 1994 aufgestell­t wurde, haben Teilnehmer eifrig getrommelt. Dort kam man gerne zusammen.
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Fotos (Quelle): Inge Schneider Karl Haberl (links) und Gerd Dengler prägten die Anfangszei­t der Neuburger Sommerakad­emie.
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Höchste Sicherheit­sstufe: Wer 1983 bei den Kursen auf Schloss Grünau zu spät kam, dem wurde der Schlüssel per Eimer hinunterge­reicht. Der Eingang musste nämlich immer abgesperrt werden.
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Foto: amei Ex Kulturamts­leiter Dieter Distl, Koch Rolf Dürr und Dozent/ Teilnehmer Christian Frosch (v. l.) beim Picknick 2003. Die Dame war ein Kunstproje­kt von Annemarie Meilinger.

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