Ein Paradiesvogel mit großen Träumen
Ein Landwirt soll versucht haben, drei Menschen zu vergiften. Ex-Freundinnen berichten von einem Menschen, der offenbar mehrere Gesichter hatte
Ingolstadt Stück für Stück tastet sich das Landgericht Ingolstadt an die Psyche eines 53-Jährigen aus dem Kreis Eichstätt heran. Der Mann soll versucht haben, seine Eltern und eine ehemalige Lebensgefährtin mit Rattengift zu töten. Alle überlebten schwer verletzt und der Angeklagte leugnet bis heute, für die Giftanschläge verantwortlich zu sein.
Seit der Trennung von seiner Frau lebten immer mal wieder wechselnde Lebensgefährtinnen bei dem Mann. Manche nur einige Wochen, dann war abrupt Schluss. Bei der einen verrammelte er die Tür, als sie nur kurz wegfuhr, um etwas für die gemeinsame Silvesterfeier zu besorgen. Sie musste mit ihrem Kind in ein Nebengebäude ohne Waschmöglichkeit ziehen. Der anderen und ihrem Sohn sagte er von jetzt auf gleich: „Ihr müsst’s fort.“Sie packte ihre Koffer und hat ihn seitdem nie wieder gesehen. Seine Freundinnen beschreiben ihn allesamt als ruhigen Menschen, der sehr großzügig ihnen gegenüber war. „Er war so ausgeglichen, den hat nichts umschmeißen können“, sagte eine der Frauen. Er kaufte teure Möbel, lud sie zum Urlaub ein, „es musste das Teuerste vom Teuersten sein“, sagte gestern vor Gericht eine Ex-Freundin aus. Dieser Frau hatte er auch einen Laden auf seinem Anwesen eingerichtet. Als er fast fertig war, hat der Angeklagte Schluss gemacht.
Dabei hätte sich der Landwirt die teuren Geschenke eigentlich gar nicht leisten können. Er hatte bei den Banken Schulden, obwohl er bereits einen Bauplatz verkauft hatte. Allerdings überstieg sein Immobilienbesitz (sein eigenes Haus, das angrenzende Anwesen seiner Eltern, ein Mietshaus sowie Felder und Wald) die Schulden um ein Mehrfaches. Einen Nutzen hatte der Mann davon allerdings nicht. Denn zu Lebzeiten der Eltern konnte er über die beiden benachbarten An- wesen nicht verfügen. Dabei hatte er große Pläne mit dem Grundstück. Bereits im Jahr 2013 hatte er eine Bauvoranfrage eingereicht. Er wollte ein Gästehaus mit 23 Betten und Tiefgarage errichten. Getan hat er es allerdings nie. Seinen ehemaligen Partnerinnen gegenüber hatte er von weiteren Plänen und Träumen gesprochen. Dort, wo jetzt noch seine beiden rüstigen Eltern leben, sollte laut einer Zeugin „ein Palast“entstehen. Er sollte alles Mögliche vereinen: Seniorenheim, Fitnessstudio, Café. Träumte er oft nur von den großen Bauvorhaben, so zeigte er sich im realen Leben oft als Paradiesvogel. „Als ganz leicht verrückt“, hat ihn seine letzte Freundin beschrieben. Gerade in Sachen Kleidung: „Er liebt halt Farben.“Gar von „ausgeflippt, schräg und aufgedreht“spricht eine andere Ex-Partnerin. Mit Leggins und Lackschuhen sei er einmal zu einem Besuch in einem Schlagerlokal erschienen.
Der Lebensstil des Sohnes passte den Eltern aber offenbar überhaupt nicht. Wie die ehemaligen Freundinnen berichten, hätte vor allen Dingen die Mutter die Partnerinnen links liegenlassen und der Ex-Frau hinterhergetrauert. Oftmals sei die Seniorin auch an der Haustür des Sohnes gestanden oder habe ihm Briefe geschrieben. Der Inhalt sei immer der gleiche gewesen: Der Sohn solle nicht so mit dem Geld um sich werfen, er solle sich eine „g’scheite Arbeit“suchen und die Landwirtschaft anständig führen. „Die Mutter hat ihn schon unter der Fuchtel“, sagte eine 43-jährige ExFreundin.
Können all das Gründe für den Landwirt gewesen sein, dass er seine Eltern vergiften wollte? Die Kripo hat jedenfalls ermittelt, dass der Mann auf seinem Rechner ausgiebig nach Rattengift recherchiert hat und auch zwei Sendungen aus China mit dem Wirkstoff Brodifacoum bestellt hat. Er selbst hatte zum Prozessauftakt beteuert, dass er sie sofort nach der Annahme der Pakete entsorgt habe.