„Bayern – des is a Gefühl!“
Bevor Markus Söder bei der Verleihung des Heimatpreises für Oberbayern mit Gästen über die Definition von Heimat spricht, fordert eine Gruppe Demonstranten den Minister zur Ausweisung des Auen-Nationalparks aus
Ingolstadt Und plötzlich kracht’s. Markus Söder hält gerade die Laudatio für einen von sechs Heimatpreisen für Oberbayern, als sich das bayerische Staatswappen vom Sprecherpult löst und zu Boden fällt. Der Finanz- und Heimatminister amüsiert sich und sagt: „Bayern ist gefallen!“Das Publikum im Ingolstädter Wirtshaus am Auwaldsee lacht. Söder hebt das Wappen mit den zwei stolzen Löwen auf und hält es demonstrativ nach oben – so setzt er seine Laudatio fort.
Demnächst soll der fränkische CSU-Politiker das Amt des bayerischen Ministerpräsidenten von Horst Seehofer übernehmen. Dann hält er nicht mehr nur symbolisch das Schicksal des bayerischen Löwen in den Händen. Bis es so weit ist, füllt Söder aber mit betonter Freude das Amt des bayerischen Finanzund Heimatministers aus. In dieser Funktion verleiht er am Dienstagabend in Ingolstadt den Heimatpreis für Oberbayern. Seit 2015 werden damit bedeutende Träger bayerischer Kultur in den sieben Regierungsbezirken ausgezeichnet
Seine Festrede beginnt Söder mit einem Blick über die bayerische Heimat hinaus nach Berlin. Dort soll CSU-Chef und Noch-Ministerpräsident Horst Seehofer in der Bundesregierung ein Innen- und Heimatministerium leiten. Die Re- aktionen darauf seien teilweise spöttisch ausgefallen, sagt Söder. Auch er sei 2013, als er das neue Amt übernahm, belächelt worden. Es sei geschrieben worden, er leite nun ein „Heimatmuseum“und arbeite im „Homeoffice“. Aber: „Heimat ist ein Begriff der Zukunft“, betont der Minister und lobt, dass es in Bayern keinen Widerspruch zwischen Tradition und Moderne gebe. „In Bayern gehen wir sonntags in die Kirche und forschen montags an künstlicher Intelligenz“, sagt Söder und erntet Applaus.
Aber nicht alle sind an diesem Abend so begeistert. Wenige Minuten vor dem Festakt wird der Minister am Parkplatz von einer Menschentraube mit Rufen und Pfiffen empfangen. Die Männer, Frauen und Kinder sind in dicke Winterjacken gepackt und halten Plakate und Transparente, auf denen steht: „Auen-Nationalpark Ja!“Unter ihnen sind die Neuburgerin Ulla Eller und die Ingolstädter Linken-Politikerin Eva Bulling-Schröter. Beide wollen, dass sich der zukünftige Ministerpräsident zu einem Nationalpark in dem Gebiet zwischen Neuburg und Ingolstadt ausspricht. Die Nationalpark-Befürworter befürchten jedoch, dass Söder das Schutzgebiet kassieren könnte.
Während die Teilnehmer des Nationalpark-Bündnisses ihren Protest im Schnee langsam beenden, wird es im Festsaal unter großen Kronleuchtern gemütlich warm. Auf der Bühne sitzen nun Minister Söder, Ingolstadts Oberbürgermeister Christian Lösel, die Schauspielerin Angela Ascher und Regisseur Joseph Vilsmaier und sprechen über ihre Heimat Bayern. Söder, der als Moderator in diesem Bayern-Talk fungiert, fragt Angela Ascher – bekannt vom Nockherberg als Ilse-Aigner-Double –, was für sie Heimat bedeute. „Bayern ist gleich Lebensfreude“, sagt Ascher, die aus dem Landkreis Erding stammt, jedoch in Österreich lebt. Der Münchner Regisseur Joseph Vilsmaier will die Frage nach der Heimat gar nicht recht beantworten. „Des is a Gefühl. Mehr brauch ich auch nicht mehr sagen“, betont der Filmemacher mit Münchner Zungenschlag. Doch natürlich hätte Vilsmaier viel mehr zu erzählen. Seine Dokumentation namens „Bayern – Sagenhaft“ kam im vergangenen Herbst ins Kino. Und der Regisseur hat, wie er an diesem Abend erklärt, 61 Vorstellungen in Kinos in ganz Bayern besucht, ist 15 600 Kilometer durchs Land gefahren und hat zwischen 15 000 und 20 000 Menschen getroffen. Für den Regisseur eine wertvolle Erfahrung. Ingolstadts OB Christian Lösel schwärmt in dem Gespräch von der reichen Geschichte seiner Stadt: erste Landesuniversität, Reinheitsgebot, Zentrum der Gegenreformation. „Wir stehen mit beiden Beinen fest am Boden und wissen, was unsere Vorfahren geschaffen haben“, sagt der Rathauschef mit Blick auf den Ingolstädter Heimatbegriff. Doch natürlich könne man sich auf der Tradition nicht ausruhen: „Wir wollen diese Stadt weiterentwickeln.“Dann stellt Söder dem gebürtigen Münchner Lösel eine Fangfrage: „Was macht Ingolstadt schöner als München?“Gelächter im Publikum, aber der OB wehrt diplomatisch ab: „Beide Städte haben etwas“– um dann doch mit dem Defiliermarsch einen Ingolstädter Vorzug zu nennen: „Es verleiht mir schon innere Genugtuung, dass alle bayerischen Ministerpräsidenten mit einem Ingolstädter Marsch einmarschieren.“
Apropos Ingolstadt. Für den Finanzund Heimatminister gibt es drei große Leistungen, die Ingolstadt hervorgebracht hat: Es sei der Geburtsort des Reinheitsgebots, des Defiliermarschs – und der Wohnort von Horst Seehofer.