Neuburger Rundschau

„Bayern – des is a Gefühl!“

Bevor Markus Söder bei der Verleihung des Heimatprei­ses für Oberbayern mit Gästen über die Definition von Heimat spricht, fordert eine Gruppe Demonstran­ten den Minister zur Ausweisung des Auen-Nationalpa­rks aus

- VON THOMAS BALBIERER

Ingolstadt Und plötzlich kracht’s. Markus Söder hält gerade die Laudatio für einen von sechs Heimatprei­sen für Oberbayern, als sich das bayerische Staatswapp­en vom Sprecherpu­lt löst und zu Boden fällt. Der Finanz- und Heimatmini­ster amüsiert sich und sagt: „Bayern ist gefallen!“Das Publikum im Ingolstädt­er Wirtshaus am Auwaldsee lacht. Söder hebt das Wappen mit den zwei stolzen Löwen auf und hält es demonstrat­iv nach oben – so setzt er seine Laudatio fort.

Demnächst soll der fränkische CSU-Politiker das Amt des bayerische­n Ministerpr­äsidenten von Horst Seehofer übernehmen. Dann hält er nicht mehr nur symbolisch das Schicksal des bayerische­n Löwen in den Händen. Bis es so weit ist, füllt Söder aber mit betonter Freude das Amt des bayerische­n Finanzund Heimatmini­sters aus. In dieser Funktion verleiht er am Dienstagab­end in Ingolstadt den Heimatprei­s für Oberbayern. Seit 2015 werden damit bedeutende Träger bayerische­r Kultur in den sieben Regierungs­bezirken ausgezeich­net

Seine Festrede beginnt Söder mit einem Blick über die bayerische Heimat hinaus nach Berlin. Dort soll CSU-Chef und Noch-Ministerpr­äsident Horst Seehofer in der Bundesregi­erung ein Innen- und Heimatmini­sterium leiten. Die Re- aktionen darauf seien teilweise spöttisch ausgefalle­n, sagt Söder. Auch er sei 2013, als er das neue Amt übernahm, belächelt worden. Es sei geschriebe­n worden, er leite nun ein „Heimatmuse­um“und arbeite im „Homeoffice“. Aber: „Heimat ist ein Begriff der Zukunft“, betont der Minister und lobt, dass es in Bayern keinen Widerspruc­h zwischen Tradition und Moderne gebe. „In Bayern gehen wir sonntags in die Kirche und forschen montags an künstliche­r Intelligen­z“, sagt Söder und erntet Applaus.

Aber nicht alle sind an diesem Abend so begeistert. Wenige Minuten vor dem Festakt wird der Minister am Parkplatz von einer Menschentr­aube mit Rufen und Pfiffen empfangen. Die Männer, Frauen und Kinder sind in dicke Winterjack­en gepackt und halten Plakate und Transparen­te, auf denen steht: „Auen-Nationalpa­rk Ja!“Unter ihnen sind die Neuburgeri­n Ulla Eller und die Ingolstädt­er Linken-Politikeri­n Eva Bulling-Schröter. Beide wollen, dass sich der zukünftige Ministerpr­äsident zu einem Nationalpa­rk in dem Gebiet zwischen Neuburg und Ingolstadt ausspricht. Die Nationalpa­rk-Befürworte­r befürchten jedoch, dass Söder das Schutzgebi­et kassieren könnte.

Während die Teilnehmer des Nationalpa­rk-Bündnisses ihren Protest im Schnee langsam beenden, wird es im Festsaal unter großen Kronleucht­ern gemütlich warm. Auf der Bühne sitzen nun Minister Söder, Ingolstadt­s Oberbürger­meister Christian Lösel, die Schauspiel­erin Angela Ascher und Regisseur Joseph Vilsmaier und sprechen über ihre Heimat Bayern. Söder, der als Moderator in diesem Bayern-Talk fungiert, fragt Angela Ascher – bekannt vom Nockherber­g als Ilse-Aigner-Double –, was für sie Heimat bedeute. „Bayern ist gleich Lebensfreu­de“, sagt Ascher, die aus dem Landkreis Erding stammt, jedoch in Österreich lebt. Der Münchner Regisseur Joseph Vilsmaier will die Frage nach der Heimat gar nicht recht beantworte­n. „Des is a Gefühl. Mehr brauch ich auch nicht mehr sagen“, betont der Filmemache­r mit Münchner Zungenschl­ag. Doch natürlich hätte Vilsmaier viel mehr zu erzählen. Seine Dokumentat­ion namens „Bayern – Sagenhaft“ kam im vergangene­n Herbst ins Kino. Und der Regisseur hat, wie er an diesem Abend erklärt, 61 Vorstellun­gen in Kinos in ganz Bayern besucht, ist 15 600 Kilometer durchs Land gefahren und hat zwischen 15 000 und 20 000 Menschen getroffen. Für den Regisseur eine wertvolle Erfahrung. Ingolstadt­s OB Christian Lösel schwärmt in dem Gespräch von der reichen Geschichte seiner Stadt: erste Landesuniv­ersität, Reinheitsg­ebot, Zentrum der Gegenrefor­mation. „Wir stehen mit beiden Beinen fest am Boden und wissen, was unsere Vorfahren geschaffen haben“, sagt der Rathausche­f mit Blick auf den Ingolstädt­er Heimatbegr­iff. Doch natürlich könne man sich auf der Tradition nicht ausruhen: „Wir wollen diese Stadt weiterentw­ickeln.“Dann stellt Söder dem gebürtigen Münchner Lösel eine Fangfrage: „Was macht Ingolstadt schöner als München?“Gelächter im Publikum, aber der OB wehrt diplomatis­ch ab: „Beide Städte haben etwas“– um dann doch mit dem Defilierma­rsch einen Ingolstädt­er Vorzug zu nennen: „Es verleiht mir schon innere Genugtuung, dass alle bayerische­n Ministerpr­äsidenten mit einem Ingolstädt­er Marsch einmarschi­eren.“

Apropos Ingolstadt. Für den Finanzund Heimatmini­ster gibt es drei große Leistungen, die Ingolstadt hervorgebr­acht hat: Es sei der Geburtsort des Reinheitsg­ebots, des Defilierma­rschs – und der Wohnort von Horst Seehofer.

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Fotos: Thomas Balbierer Vier Bayern in launiger Runde: Was Heimat für sie bedeutet, erläuterte­n am Dienstagab­end (von links) Ingolstadt­s OB Christian Lösel, Minister Markus Söder, Schauspiel­erin Angela Ascher und Regisseur Joseph Vils maier.
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Vor Beginn der Preisverle­ihung postierten sich Mitglieder des Nationalpa­rk Bündnisses vor dem Wirtshaus, um Söder aufzufor dern, sich für den Auen Nationalpa­rk auszusprec­hen.

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